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Ausgabe:

April/2014

Spalte:

469–471

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Sessa, Kristina

Titel/Untertitel:

The Formation of Papal Authority in Late Antique Italy. Roman Bishops and the Domestic Sphere.

Verlag:

Cambridge u. a.: Cambridge University Press 2012. 323 S. Geb. £ 62,00. ISBN 978-1-107-00106-0.

Rezensent:

Katharina Greschat

Dieses äußerst anregende Buch von Kristina Sessa beleuchtet die Festigung der päpstlichen Autorität in der Spätantike – d. h. in der Zeit vom 4. bis 7. Jh. – auf völlig neue Weise: Hier geht es weder um die Petrus-Nachfolge oder um theologische Überlegungen, nicht um Fragen der kirchlichen Hierarchiebildung und auch nicht um eine Untersuchung über den römischen Bischof als Stadtherrn. Vielmehr findet S. in der Verwaltung eines antiken Hauses (oikonomia) den geeigneten Referenzrahmen, der es ihr erlaubt zu erklären, auf welche Weise es den römischen Bischöfen nicht nur gelang, ihren eigenen Haushalt zu organisieren, womit vor allem »pro­perty administration, the ordering of social relationships, ethical oversight, and religious care« (9) gemeint war, sondern zugleich auch erheblichen Einfluss auf die Leitung anderer Haushalte auszu­üben.

Die von S. gewählte überraschende Perspektive wird im Verlauf des Buches konsequent verfolgt. So beschreibt das erste der insgesamt sieben Kapitel (»The Late Roman Household in Italy«, 35–62) zunächst den antiken Haushalt in Italien und widmet sich den vielfältigen Bezügen, in denen sich die oikonomia eines pater familias ausgewirkt hat. Allerdings geht sie etwas zu schnell darüber hinweg, dass es für die römischen Verhältnisse keinen so griffigen Terminus gibt. Im zweiten Kapitel (»From Dominion to dispensatio. Stewardship as an Elite Ideal«, 63–86) konzentriert sie sich deshalb auf den dispensator, worunter ihrer Ansicht nach insbeson­dere die auch biblisch gut bezeugte Vorstellung von einem Treuhänder oder Sachwalter Gottes gemeint sei. So bleibt ein antiker christlicher dominus zwar ein dominus, hat aber seinen Besitz und seine Verfügungsgewalt insofern neu zu ordnen, als er beides einem noch größeren Herrn unterstellen soll: »Householders have become stewards, mandated by God to oversee the behavior of their subordinates with great solicitude and to administer their re­sourc­es with the aim of helping the poor. A householder’s failure or success in these endeavors would be evaluated not only by peers and imperial officials, but also at Judgement Day, when God scruti-nized his or her exercise of household management.« (83) Dass es hierbei vor allem um die Aufsicht über religiöse Belange ging, versteht sich in diesem Kontext von selbst. Damit ist S. bei der rö­-mischen Kirche angekommen (» Primus Cultor: Episcopal Householding in Theory and Practice«, 87–126), die sie kurzerhand als domus beschreibt (117), womit sich dann auch die Tätigkeit ihres Hausherrn bestimmen lässt: »His successes and strenghs, as well as his failures and weaknesses, were increasingly assessed according to ideals of domestic administration.« (126) Was bislang noch sehr thetisch war, wird in den folgenden Abschnitten in zwei Hinsichten deutlicher entfaltet: Zum einen wird danach gefragt, wie sich der römische Bischof anderen weltlichen Herren bei der Verwaltung ihrer domus empfiehlt (»Overseeing the Overseer. Bishops and Lay Households«, 127–173) und zum anderen, wie er selbst seinen eigenen Haushalt organisiert (»Cultivating the Clerical Household. Marriage, Property, and Inheritance«, 174–207).

Zunächst nimmt S. Entscheidungen und Ratschläge der Päpste in den Blick, die schwierige rechtliche Probleme rund um die Ehe und das Verhältnis zu den Sklaven betrafen. Sie zeigt anschaulich, wie schwer sich die römischen Bischöfe damit taten, Einfluss im Sinne von religiöser Aufsicht über einen Bereich zu gewinnen, der traditionell in der Verfügungsgewalt des Hausherrn stand. Das wird nicht zuletzt am Umgang mit den auch in Italien allgegenwärtigen, privat errichteten Kapellen und Kirchen deutlich (dieses Phänomen ist schon in der Spätantike weit verbreitet). Hier fällt auf, dass der römische Bischof geneigt war, den Anliegen weltlicher Herren zu entsprechen, so dass »the domestic authority of the bishop did not wholly displace the domestic authority of the Christian householder« (173). Größere Möglichkeiten besaß er natürlich bei der Aufsicht über die Haushaltsführung seiner eigenen Kleriker, deren Laufbahn, Verheiratung, Eigentums- und Erbschaftsverhältnisse er zu kontrollieren versuchte: »If the Roman Bishop wished to be seen as a consummate householder-steward who governed his church with order and aplomb, then he would have to oversee the dom ūs of the suburbicarian clergy« (176). Allerdings waren aber auch die Kleriker nicht immer geneigt, nun auch in den Angelegenheiten, die den eigenen Haushalt betrafen, wie Heirat, Nachkommenschaft, Eigentum und Erbschaft, nicht als Herren, sondern als Sachwalter oder Treuhänder Gottes zu agieren. Ebendiese Konfliktlage macht S. dann auch für die blutigen Verwerfungen verantwortlich, die in der Doppelwahl der Bischöfe Symmachus und Laurentius am 22. November 498 gipfelten (»Mistrusting the Bishop. Succession, Stewardship, and Sex in the Laurentian Schism«, 208–246), wobei sie betont, dass das Schisma noch nie in dieser Weise interpretiert wurde. Zum Abschluss des Buches nimmt sie sich unter der Überschrift: »The Household and the Bishop. Authority, Cooperation, and Competition in the gesta martyrum« (247–273) die zwischen 450 und 600 entstandenen Märtyrerlegenden vor, in denen des Öfteren Bischöfe vorkommen, die geradezu idealtypisch die Haushalte christlicher Aristokraten mit den Ansprüchen der Kirche verbinden. In diesen Legenden werden die Bischöfe als heilige Männer dargestellt, die mehr vermögen als ein gewöhnlicher dominus: »Although a householder could personally perform or direct a wide range of Christian rituals within his home, he could not expect to call on the Holy Spirit and Christ to enter his body and heal his sins. For this, he needed help from a holy man« (262). Dennoch öffnet sich auch diesen Bischöfen nicht der ganze Haushalt und es bleibt beim »No Bishops in the Bedroom!« (263–267), denn im cubiculum – das allerdings nicht so einfach mit dem Schlafzimmer gleichzusetzen ist, wie S. selbst zugibt – kann man erkennen, dass für die christliche Deutung eines spätantiken Hauses neben dem Bischof auch noch andere Größen bereitstanden.

S.s Buch liest sich sehr gut und ist überaus spannend geschrieben; allerdings steht die interessante These bisweilen auf wacke­ligen Füssen und man hat den Eindruck, dass S. jede Quelle und jeden Text für sie reklamieren möchte, auch wenn das bisweilen wenig überzeugend ist. Um nur ein Beispiel zu nennen: Im ersten Kapitel möchte sie dem spätantiken christlichen Haushalt Kontur verleihen und bezieht sich dabei auf die berühmte Bronzelampe in Form eines Bootes, das von Paulus am Bug und Petrus am Heck gesteuert wird. Sie verweist zwar darauf, dass der Fundkontext nicht zweifelsfrei mit dem Haus der Familie der Melania auf dem collis Caelius in Zusammenhang gebracht werden kann, interpretiert die Inschrift: Dominus legem dat Valerio Severo Eutropi vivas jedoch einigermaßen kühn: »In these words, the text boldly proclaimed Valerius’ role as both a guardian of the Lord’s law and the religious gubernator of his household« (58). Eine Begründung für diese Deutung oder die Auseinandersetzung mit anderen Interpretationsmöglichkeiten sucht man vergebens. So bleibt die Untersuchung leider zu häufig im Modus der Behauptung, auch wenn sie einmal mehr auf die oft übersehene Bedeutung des Haushalts für das Verständnis des antiken Christentums verwiesen hat.