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Ausgabe:

April/2014

Spalte:

444–445

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Trobisch, David

Titel/Untertitel:

Die 28. Auflage des Nestle-Aland. Eine Einführung. 2., korr. Druck.

Verlag:

Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 2013. 78 S. Kart. EUR 9,90. ISBN 978-3-438-05141-7.

Rezensent:

Christian Schäfer

Nur sieben Monate nach Erscheinen dieser von David Trobisch verfassten Einführung legt die Deutsche Bibelgesellschaft nun einen zweiten, korrigierten Druck vor. Eine Liste mit den wichtigsten Änderungen hat der Verlag auf www.nestle-aland.com/de/extra-navigation/druckausgaben/ zur Verfügung gestellt. Damit wird die Einführung jetzt zumindest benutzbar – der Notwendigkeit einer inhaltlichen Neubearbeitung ist ihr Verfasser aus Sicht des Rezensenten, zumindest für das deutschsprachige Publikum, allerdings nicht enthoben.

Ziel des Buches ist es, den Zugang zu der 2012 bei der Deutschen Bibelgesellschaft erschienenen 28. Auflage des Novum Testamentum Graece (nachfolgend NA28) zu erleichtern. Dies sucht T. in drei aufeinander aufbauenden, an jeweils unterschiedlichen Zielgruppen orientierten und von verschiedenen ›Übungsaufgaben‹ durchzogenen Kapiteln zu erreichen:

Im ersten Teil wendet er sich an »interessierte Laien, […] Leistungskurse im Gymnasium, aber auch […] Lehramtskandidatinnen und -kandidaten« (5), um ihnen den Aufbau und die Intention des NA28 nahezubringen. Griechischkenntnisse sind laut T. hierfür »zwar hilfreich, aber keine Voraussetzung« (5). Den Benutzerinnen und Benutzern ohne Kenntnisse bietet er zur »Stärkung ihres Selbstvertrauens« (vgl. 15) »beim Lesen und Aussprechen griechischer Wörter« (15) einen fünfseitigen Exkurs mit tabellarischer Übersicht über das griechische Alphabet sowie die griechische Lautlehre, verbunden mit einigen Lese- und Schreibübungen: denn »besonders für den Umgang mit dem Apparat des [NA28]« hält er es für nötig, »sich mit dem griechischen Alphabet vertraut zu machen« (15, vgl. 21). Um den kritischen Text und textkritischen Apparat des NA28 verstehen und mit Gewinn benutzen zu können, ist es jedoch – auch für interessierte Laien, Leistungskurse oder Lehramtsstudierende – absolut unerlässlich, mit der griechischen Sprache vertraut zu sein! Der Exkurs erscheint dem Rezensenten darum wenig hilfreich. Darüber hinaus referiert T. in diesem ersten Teil einige Abschnitte aus der Einleitung des NA28, ergänzt um paläographische und kodikologische Erläuterungen, und leitet zur Auseinandersetzung mit der Anlage der Textedition selbst an. Nach einer relativ ausführlichen Erläuterung von Appendix I, A (Liste der in NA28 benutzten griechischen Handschriften) erklärt T. schließlich kurz die textkritischen Maximen lectio brevior = lectio potior und lectio difficilior = lectio potior, wobei hier auf die Alandschen »Zwölf Grundregeln für die textkritische Arbeit« (Der Text des Neuen Testaments, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 1989, 284 f.) zur Weiterarbeit durchaus hätte verwiesen werden können.

Teil 2 der Einführung, »Übungen und Verständnishilfen«, will »Studierende, die sich auf einen Hochschulabschluss mit dem Schwerpunkt Bibelwissenschaften vorbereiten« (6), zur praktischen Arbeit mit dem NA28 anleiten. Hierfür erschließt T. weitere Ab­schnitte der NA28-Einleitung anhand strukturierender Fragen und gibt u. a. knapp Auskunft über Mehrheitstext, Verwendung von positivem und negativem Apparat, die Sekundärversionen oder die Kanontafeln des Euseb. Besonders stechen dabei T.s Überlegungen zu den »Kirchenväterzitaten« hervor: »Der Ausdruck ›Kirchenväter‹ […] ist unpräzise. Bei einer anonymen oder gefälschten Schrift wird man offenlassen müssen, ob sie von einem Mann oder einer Frau (einer Kirchenmutter?) verfasst worden ist. Auch ist es für den Quellenwert nicht wesentlich, ob die Schrift von einem ›Kirchenschriftsteller‹ oder einem Kritiker der Kirche veröffentlicht wurde. Benutzerinnen und Benutzer der Ausgabe sollten sich daher vergewissern, worum es sich genau bei diesen Verweisen handelt […]« (43f.). – Ob diese Erwägungen hier zur Aufhellung der – rein textkritischen – Funktion der Zitate bei den griechischen christlichen Schriftstellern dienen (auf deren räumliche und zeitliche Verortung es doch in diesem Zusammenhang vor allem ankommt), bleibe dahingestellt.

Schließlich möchte T. im dritten Teil seines Buches »Fachkolleginnen und -kollegen […] einen Überblick über Stärken und Grenzen« (6) des NA28 geben. Zu diesem Zweck reproduziert er in einem ersten Abschnitt (»Änderungen in der 28. Auflage« [48–54]) die bis dahin von ihm noch nicht berücksichtigten Teile der NA28-Einleitung und erörtert anschließend die ›Grenzen‹ des NA28 (u. a. hinsichtlich einer vollständigen Dokumentation der Handschriften im Apparat oder überhöhter Ansprüche an die zur Anwendung gebrachte ›Kohärenzmethode‹).

Welcher Art T.s Reproduktionen der NA28-Einleitung bisweilen sein können, verdeutlicht etwa seine Wiedergabe der dort auf Seite 4* begegnenden Aussage »Konjekturen werden im Apparat nicht mehr zitiert. Diese Entscheidung ist den Herausgebern nicht leichtgefallen […]« mit den Worten: »Sichtlich schwergefallen ist den Herausgebern der Verzicht auf die Verzeichnung von Konjekturen (4*)« (50), was den Leser zwangsläufig zu der irrigen Annahme führen muss, dass die Herausgeber des NA28 – anders als von ihnen dezidiert angekündigt– Konjekturen im Apparat eben doch zitieren.

Nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch ist T.s Werk ›ge­wöhnungsbedürftig‹ (vgl. nur den Satz: »Diese Analyse zeigt, dass die Angaben sorgsam geprüft wurden und insbesondere Lesefehler, die bei Kollationen erkannt wurden, korrigiert wurden.«, 53). Un­verständlich bleibt darüber hinaus, warum auf die allgemein übliche Setzung von Spiritus und Akzenten in griechischen Zitaten verzichtet wurde.

Eine »unentbehrliche Hilfe für alle, die den neuen Nestle-Aland mit größtmöglichem Gewinn nutzen wollen«, wie es in der Verlagsankündigung zu T.s Buch heißt, werden Studierende sowie Fachkolleginnen und -kollegen daher auch in Zukunft wohl eher in der – übrigens sehr verständlich geschriebenen und klar gegliederten – Einleitung auf den ersten 45 Seiten des NA28, ergänzt um die Ausführungen im Alandschen Standardwerk über den Text des Neuen Testaments (s. o.), suchen müssen – und dort auch finden können.