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Ausgabe:

April/2014

Spalte:

425–428

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Buchegger, Jürg H.

Titel/Untertitel:

Das Wort vom Kreuz in der christlich-muslimischen Begegnung. Leben und Werk von Johan Bouman.

Verlag:

Basel: Friedrich Reinhardt Verlag 2013. 322 S. = Studia Oecumenica Friburgensia, 59. Geb. EUR 32,00. ISBN 978-3-7245-1926-3.

Rezensent:

Harald Seubert

Jürg Bucheggers Monographie, ursprünglich eine Dissertation an der Universität Fribourg, zielt, wie schon der Titel anzeigt, ins Zentrum einer der brennendsten Fragen der Theologie der Religionen, das christliche Gespräch mit dem Islam. Er rekonstruiert zu diesem Zweck das verstreute und heute wenig bekannte Lebenswerk des niederländisch-deutschen reformierten Theologen und Islamwissenschafters Johan Bouman (1918–1998), was an sich schon eine bemerkenswerte Leistung wäre. Bouman, der von Philologie und Religionswissenschaft herkam, entwickelte sich zu einem der besten christlichen Kenner des Islam. Nicht Verschleifung der Differenzen, sondern deren Benennung und eine theologische Existenz coram Islamo wurde für Bouman zum zentralen Anliegen. Bouman, der Professor für Religionswissenschaft in Bochum und später in Marburg war, verstand, wie B. zeigt, seine Arbeit niemals nur im engeren Sinn wissenschaftlich akademisch; er verfolgte zugleich ein seelsorgerliches und missionarisches Interesse. B. re­konstruiert zunächst kenntnisreich die Prägungen von Bouman: vor allem das Werk von dessen Lehrer Hendrik Kraemer, der Bouman auf das Lebensthema des Islam brachte. Daneben ist aber auch die Auseinandersetzung mit dem sich wandelnden Missionsbegriff von einer Heils- zu einer »Verheißungsgeschichte« im Zusammenhang der ökumenischen Bewegung für Bouman eine ständige Herausforderung gewesen.

In den zentralen Kapiteln des Buches unternimmt es B., Boumans Sicht auf den Islam ins Gespräch mit heutigen Theologen und Religionswissenschaftlern zu bringen, die für das Gespräch zwischen Christentum und Islam maßgeblich sind. Besonders Hans Küng, Hans Zirker und Adel Theodor Khoury werden als einflussreiche Stimmen einer stets fairen kritisch abwägenden Auseinandersetzung unterzogen. Die Struktur dieser Kapitel ist dabei systematisch angelegt: B. geht von der Gottesfrage aus und thematisiert, dass trotz der Bezeichnung Allahs als des ›Barmherzigen‹ die Differenz zwischen Gott und Mensch im Islam so unüberbrückbar ist, dass es »an keiner Stelle des Koran« eine Zugangsmöglichkeit zum Sühneopfer am Kreuz gebe. Ein besonders kenntnisreiches Kapitel widmet B. ausgehend von Boumans einschlägigen Studien den koranischen Berichten von Jesus (Isa) und der Auseinandersetzung mit den Evangelien. Isa ist dabei Vorbereitung von Mohammed und des Koran als der abschließenden Offenbarung. Im Vergleich mit dem christlichen Bekenntnis zu Jesus Christus als dem wahren Gott und wahren Menschen werden ebenso gravierende Differenzen erkennbar als in der pneumatologischen Perspektive. Dabei kann B. auf die islamische Jesus-Perspektive von Mehdi Ba­zargan zurückgreifen. Die Auffassung von Hans Küng, wonach die ›Christologie von oben‹ ein, von heute gesehen, verzichtbares Element der hellenistischen Dogmenentwicklung sei und eine hochgradige Verwandtschaft zwischen urchristlicher und islamischer Sicht auf Jesus besteht, rückt dann in ein kritischeres Licht. Fair und umsichtig behandelt B. auch die islamische Polemik ge­gen die Trinität, die erst in Medina ausgeformt wurde (vgl. etwa Sure 4, 171). Sie kann, wie schon Bouman zeigte, für das christliche Verständnis hilfreich sein. Lehrt sie doch, dass Trinität nicht »ontologisch«, sondern »soteriologisch« zu verstehen ist. Eine wichtige perspektivische Ergänzung bietet hier der eingehende kenntnisreiche Blick auf die Augustinus-Studien von Bouman, die die personalen und relationalen Züge der Trinitätslehre besonders akzentuieren. Bouman sah von Augustinus her auch die strenge Orthopraxie des Islam als »Semipelagianismus«.

In Bezug auf die Anthropologie hebt B. hervor, dass der Mensch nach islamischem Verständnis beides ist: Stellvertreter und Statthalter Gottes (khalifa) einerseits und Knecht Gottes andererseits. Die Differenz zwischen dem Menschen und Allah ist unüberbrück-bar. Allenfalls durch die Ausnahmestellung Mohammeds schließt sich die Kluft etwas. Die »souveräne Initiative Allahs« ist aber immer für das Verhältnis von Gott und Mensch ursächlich. Demgegenüber kennt christlicher Glaube die Gottessuche des Menschen, der in reformatorischer Deutung als gerecht und Sünder zugleich ( simul iustus et peccator) verstanden wird. Ein eigenes umfängliches Kapitel ist der Soteriologie gewidmet. Hier, wie auch an anderen Stellen, nimmt B. die alttestamentliche Perspektive in seine Vergleichsperspektive auf. JHWH erweist sich als treuer, gerechter, aber auch gnädiger Gott. Die Sühnung der Schuld durch das stellvertretende Leiden des Gerechten ist schon im Alten Testament angezeigt. Diese »Traditionskette« werde im Johannesevangelium besonders explizit fortgeführt. Im Islam sieht B. mit Bouman das Proprium darin, dass Vergebung strikt an den Glauben an Allah gebunden ist. Eine Anähnlichung an Gott, wie sie in Christus eröffnet ist, wird nicht in Betracht gezogen. Die Trennung zwischen Gläubigen und Ungläubigen bleibt deshalb definitiv auch über den Tod eines Ungläubigen hinaus in Geltung. Durch die Umma vollzieht Gott daher seine Strafe. Zugleich ist die Sünde aber nicht in der letzten existentiellen Zerrüttung gedacht wie im christlichen Glauben.

Ein beachtenswertes Kapitel gilt schließlich dem Konstrukt einer »abrahamitischen Ökumene«. B. kann hier auf Arbeiten von Ulrike Bechmann und Hanna Josua zurückgreifen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass der Islam Abraham gerade als Vertreter eines konsequenten Monotheismus namhaft macht, der im Islam ge­genüber den ›Aberrationen‹ von Judentum und Christentum restituiert werde. Versuche, jene ›Ökumene‹ zu begründen, müssen sich, wenn sie die Differenz nicht verschweigen, in Widersprüche verlieren. Dies zeigt B. brillant im Blick auf Karl Josef Kuschel.

Dieser zentrale Teil schließt mit einer etwas knappen Perspektive auf christliche und islamische Eschatologie. Bouman legt den Akzent darauf, dass die Rettung durch das Gericht hindurch auf Jesus Christus als künftigen Richter zentriert ist. Demgegenüber hat das Eschaton, das der Koran ausmalt, in seiner Schilderung des Paradieses verlockende, in der Evokation der Hölle hingegen ab­schreckende Züge. Das koranische Jesusbild dringt nicht in diesen Horizont ein und kann ihn daher auch nicht aufhellen.

B. überzeugt im Blick auf diese komplexen systematischen Fragepunkte mit einer unvoreingenommenen Prüfung der Kontexte, die auch islamwissenschaftlich sehr fundiert ist. Der reformatorisch christozentrischen Sicht von Johan Bouman bringt er große Sympathie entgegen. Er verschweigt aber auch nicht, wenn Boumans Argumentation verbesserungsfähig ist.

Von hier her wird abschließend ein eigenes bedenkenswertes Profil eines Religionsdialogs formuliert, das nicht einem konsensorientierten Konzept in dem Sinne folgt, dass der Dialog erfordern würde, dass jeder Beteiligte sein eigenes Wahrheitsverständnis mit zur Disposition stellt. Das dissenstheoretische Profil, für das B. votiert, ist aber keineswegs als wechselseitige Apologetik zwischen den Religionen misszuverstehen. »Gerade der Verzicht auf die Un­terstellung der Identität des anderen unter das Konzept einer Gleich-Gültigkeit aller Wahrheitsansprüche ist Personentoleranz«. Diese könne, gerade im christlichen Sinn, mit Sachauseinandersetzung in gemeinsamer Wahrheitssuche einhergehen. Toleranz und Wahrheit schließen einander keinesfalls aus. Diese Konzeption, deren praktische Umsetzbarkeit B. am Ende anregend reflektiert, ist in einiger Nähe zu der unter anderem von Carl Heinz Ratschow vertretenen Konvivenz zu sehen. Jedwede »Einigungs-Ideologie« sollte man dabei vermeiden und damit auch die Perspektive auf eine umfassende Universalreligion.

Mit seinem anregenden und perspektivenreichen Buch hat B. eine Seite des Religionsgesprächs thematisiert, die oftmals unterbelichtet bleibt.