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Ausgabe:

September/2009

Spalte:

936–938

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Winter, Franz

Titel/Untertitel:

Das frühchristliche Mönchtum und der Buddhismus. Religionsgeschichtliche Studien.

Verlag:

Frankfurt a. M.: Lang 2007. 338 S. 8° = Religionswissenschaft, 13. Kart. EUR 59,70. ISBN 978-3-631-57040-1.

Rezensent:

Hisham Hapatsch

Hat das frühchristliche Mönchtum Anregungen aus dem buddhis­tischen Raum aufgenommen, ist es vielleicht überhaupt erst vom Buddhismus inspiriert worden oder ist seine Entstehung vielmehr auf innerchristliche Entwicklungen zurückzuführen? Dieser im­mer wieder diskutierten Frage geht Franz Winter – Theologe, Religionswissenschaftler und Philologe aus Wien – in seiner Publikation »Das frühchristliche Mönchtum und der Buddhismus« auf den Grund.

Angesichts einiger scheinbarer oder wirklicher Parallelen zwischen dem buddhistischen und christlichen Mönchtum wie »(sexu­eller) Enthaltsamkeit, Armut, Selbstgenügsamkeit, Gehorsam und (materieller) Bedürfnislosigkeit« (11, vgl. 70f) ist immer wieder eine Beeinflussung des christlichen durch das buddhistische Mönchtum oder umgekehrt behauptet worden. Franz Winter geht von der These aus, dass eine Beeinflussung durch den Bud­dhismus eine nähere Kenntnis desselben voraussetze. Deswegen untersucht er mögliche Kulturkontakte nach Indien – der damaligen Hochburg des Buddhismus – mit historisch-kritischer Methodik. Auf der Grundlage dieser historischen Fakten möchte W. den Grad der Bekanntschaft zwischen Buddhismus und Christentum eruieren. Dabei fühlt er sich der religionswissenschaftlichen Forschungstradition verpflichtet.

Um es vorweg zu sagen: W. ist eine umfassende und detailgenaue Studie gelungen – übrigens die umgearbeitete Version seiner zweiten Dissertation –, an der wohl niemand vorbeikommen wird, der sich künftig mit dieser Frage beschäftigen wird.

Zunächst skizziert W. gründlich die grundlegende Fragestellung der Untersuchung (11–23), um dann in einem 2. Abschnitt (25–96) die Entstehung der Hypothese eines buddhistischen Einflusses auf das christliche Mönchtum darzustellen. Ab dem 19. Jh. spielte die These eines außerchristlichen Ursprungs desselben, etwa aus Ägypten (Hermann Weingarten), eine zunehmend wichtige Rolle. Insbesondere der Kirchenhistoriker Adolf Hilgenfeld regte die Diskussion einer buddhistischen Herkunft an. Die Verbindungslinie war eine in buddhistischen Quellen notierte buddhistische Präsenz in Alexandria. Dabei wurde diese Stadt mit der ägyptischen Metropole gleichen Namens identifiziert, was angesichts der Verbreitung dieses Ortsnamens auch in Zentralasien problematisch ist (vgl. 60 f. und 236 f.). Besonderes Augenmerk legt W. auf die Thesen von Arthur Vööbus, der im Bereich des syrischen Christentums einen buddhistisch-indischen Einfluss auf die dortige asketische Bewegung erkannt haben will – einer Annahme, der W. kritisch gegenübersteht.

In einem ausführlichen dritten Abschnitt behandelt W. die Be­gegnungen der antiken Welt – besonders des frühen Christentums – mit dem indischen Raum (97–210). Er geht auf die Frage nach einem buddhistischen Einfluss auf spätantike hellenistische Philosophiesysteme und auf die ur- und frühchristliche Lehrentwicklung (inkl. des Neuen Testaments und des Origenes) ein. Dabei analysiert er u.a. die bekannten Erwähnungen des Bud­dha bei Clemens von Alexandrien und Hieronymus. In diesem Zusammenhang untersucht er auch ihren Kontext und die bei diesen Erwähnungen auftretenden verschiedenen Formen des Buddha-Namens. Auch die These von A. Vööbus einer buddhistischen Beeinflussung des Christentums auf dem Umweg über den Manichäismus wird intensiv erörtert. Auch in diesem Abschnitt behandelt er die Hinweise unter dem Gesichtspunkt, ob ein konkreter Kontakt zu Buddhisten oder eine tiefere Kenntnis über den Buddhismus nachweisbar oder wahrscheinlich sind. W. kann dafür keine Hinweise finden. Lediglich Bardesanes von Edessa lässt konkretere Kenntnisse des Buddhismus erkennen, ohne dass diese Kenntnisse aber eine nachweisbare Rezeption nach sich gezogen hätten.

Nach einer orientierenden Zwischenbilanz und Zusammenfassung (211–225) widmet sich W. dann der Verbreitungsgeschichte des Buddhismus in den Westen und des Christentums in den Osten (227–284). Der Fokus seiner Untersuchung verlagert sich also vom Mittelmeerraum in den mesopotamischen, iranischen und zen­tral­asiatischen Bereich. Auch wenn es insbesondere in Letzterem zu christlich-buddhistischen Begegnungen gekommen ist, so doch zu einem relativ späten Zeitpunkt, ohne dass inhaltliche Übernahmen über die terminologische Ebene hinaus nachweisbar sind. Die von buddhistischer Seite bezeugten Missionsbestrebungen in den griechisch-hellenistischen Raum hinein haben in diesem keine nachweisbaren Spuren hinterlassen.

So bleibt als Gesamtresultat der Arbeit (vgl. 276 f.): In der Zeit der Entwicklung des christlichen Mönchtums gab es in den entsprechenden Kreisen keine nachweisbare tiefere Kenntnis des Bud­dhismus. Ein Nachweis für eine buddhistische Beeinflussung desselben ist also nicht zu erbringen.

Die Frage der Kontakte des Mittelmeeraumes nach Indien hat zwar als akademische Frage begonnen, aber sie hat längst den ausschließlich wissenschaftlichen und universitären Rahmen verlassen. Thesen, die von einem indischen Einfluss auf Jesus und das Urchristentum ausgehen, finden außerhalb der wissenschaftlichen Forschung bisweilen eine beträchtliche Resonanz. Deshalb ist es verdienstvoll, dass W. in seiner Abhandlung auch populär- bzw. pseudowissenschaftliche Theorien behandelt (114–128). Im­mer wieder betont W. das grundsätzliche Problem dieser Publikationen: Auf der Grundlage ungesicherter Annahmen bauen sie weiterführende Thesen auf, die nicht haltbar sind. Im Falle der für die abendländischen Esoterik-Szene wirkungsgeschichtlich be­deutsamen Behauptung des Nikolaus Notovitch, eine Handschrift gefunden zu haben, die Jesu Aufenthalt in Indien bezeuge, ist darüber hinaus auf Grund seiner vielen Fehler und modernen Bezüge von einem neuzeitlichen fiktionalen Text auszugehen.

W. präsentiert seinen umfangreichen Stoff in einer kompakten, aber dennoch gut lesbaren Form. Zwar sind seine Zusammenfassungen von Thesen und Argumentationsgängen anderer Autoren mitunter etwas summarisch (vgl. z. B. 212), jedoch ist dies offensichtlich der Notwendigkeit geschuldet, das äußerst umfangreiche Material und die damit zusammenhängenden Diskussionen auf ein übersichtliches Maß zu kürzen. Der Aufbau der Untersuchung ist zwar logisch, aber auf den ersten Blick nicht immer ganz übersichtlich. Eine schnelle Orientierung wird dadurch nicht erleichtert. Dafür entschädigen ein Index und eine sehr empfehlenswerte umfangreiche Bibliographie.

W. hat m. E. ein Standardwerk geschaffen, das in kompakter und kompetenter Form eine umfassende Übersicht zum Thema gibt. Ob es nun einen indischen oder gar buddhistischen Einfluss auf die Entstehung des christlichen Mönchtums gegeben hat, ist zwar nicht belegbar, aber auch nicht gänzlich widerlegt. W. hat nachgewiesen, dass die bisherigen Thesen in diesem Bereich auf tönernen Füßen stehen. Vieles wird sich wahrscheinlich nicht mehr rekonstruieren lassen. Umso wichtiger ist es, die Wissenslü­cken nicht durch Spekulationen zu überdecken. Einige dieser Spekulationen auf ihren historisch-kritischen Gehalt zurückgeführt zu haben und ein zusammenfassendes Resümee bisheriger Forschungen und Thesen geliefert zu haben, bleibt das Verdienst dieses Werkes. Künftige Arbeiten zu diesem Thema werden an ihm nicht vorbeikommen können.