Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2008

Spalte:

1404–1406

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Spenn, Matthias, Beneke, Doris, Harz, Frieder, u. Friedrich Schweitzer [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Handbuch Arbeit mit Kindern – Evangelische Perspektiven. Eine Veröffentlichung des Comenius-Instituts.

Verlag:

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2007. 583 S. gr.8°. Geb. EUR 39,95. ISBN 978-3-579-05581-7.

Rezensent:

Christian Grethlein

Das als Veröffentlichung des Comenius-Instituts erschienene Handbuch führt in 64 Artikeln in die Breite und Weite der Kinderarbeit ein, wobei die Kinderarbeit in der Evangelischen Kirche Deutschlands besondere Berücksichtigung findet. Die von insgesamt 67 Autoren verfassten Beiträge zeigen ein imposantes Spektrum an Themen, Einsichten und bisweilen auch handlungsorientierenden Ansätzen. Sie werden in sechs Teilen präsentiert.
Ein von den Herausgebern verfasster Einleitungsartikel »Wa­rum kirchliche Arbeit mit Kindern?« argumentiert vorwiegend pädagogisch und damit programmatisch für den Band. Kirche wird dabei insofern berücksichtigt, als sie »Mitverantwortung für gute Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und die Gestaltung einer die Persönlichkeitsentwicklung anregenden Umwelt trägt« (15). Nur ganz knapp wird auf Mk 10,15 hingewiesen (26).
Der erste, umfangreichste Teil ist mit »Kinder, Kindheit, Kinderwelten« überschrieben. Aus unterschiedlichsten Perspektiven wird die gegenwärtige Situation dargestellt, wozu neben empirischen Daten pädagogische Einsichten zur heutigen Kindheit in Deutschland gehören. Auch Kinder in schwierigen Situationen, als Gefährdete, Behinderte oder Delinquente, kommen ausführlich in den Blick. Dabei werden die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen genannt.
Die starke pädagogische Orientierung durchzieht den zweiten Teil »Evangelische Arbeit mit Kindern« ebenfalls weitgehend. So wird z. B. in dem ein neues sozialpädagogisches Konzept vorstellenden Artikel »Sozialraumorientierung« die Kirche nur nebenbei als »ein zentraler Akteur in einem Ort oder Stadtteil« erwähnt (345). Und bei »Erlebnispädagogische Arbeit mit Kindern – oder: Erlebnis ist das, was man daraus macht« wird lediglich darauf hingewiesen, dass sich durch diesen Ansatz »christliche Inhalte transportieren« (sic!, 357) lassen. Stärker religionspädagogische bzw. gar theologische Ausrichtung haben nur wenige Beiträge. So weisen die Ausführungen zu »Tageseinrichtungen für Kinder in evangelischer Trägerschaft« auf die doppelseitige Begründung protestantischer Bildungsverantwortung in »diakonischem« und »verkündigend-missionarischem Auftrag« (230) hin und entwickeln von daher die diskutierten elementarpädagogischen Konzepte. Am deutlichsten verschränkt Michael Domsgens »Eltern- und Familienarbeit« theologische Einsichten zum biblischen Gottesbild mit dem bildungstheoretischen Begründungszusammenhang. Daraus ergibt sich eine durchaus kritische Sicht zur gegenwärtigen kirchlichen Arbeit, die in vielen anderen, von Funktionären der jeweiligen Handlungsfelder verfassten Beiträge fehlt.
In vier Artikeln wird dann im nächsten, sehr viel kürzeren Teil »Mitarbeit und Mitarbeiter/-innenschaft« behandelt. Dabei stehen– entgegen den sonstigen Beiträgen im Handbuch, die sich meist auf westdeutsche Verhältnisse beziehen – die ostdeutschen Be­sonderheiten im Vordergrund.
Einen gewissen Höhepunkt bildet im vierten Teil »Trägerschaft, Profil, Recht, Qualität« der Beitrag von Frieder Harz zu »Evangelisches Profil« (412–424). Grundsätzlich konstatiert er: »Evangelisches Profil ist zuerst Orientierung an der in den Evangelien überlieferten Sicht des Kindes, wie sie uns im Reden und Wirken Jesu begegnet.« (412) Hier wird auf einmal die sonst vorherrschende allgemeine Formulierung von Bildungsverantwortung der evangelischen Kirche theologisch konkret, ohne dass die anderen Beiträge dies aufnähmen oder gar konstruktiv weiterführten. Demgegenüber kommt z. B. der ebenfalls in diesem Teil platzierte Artikel zu »Qualität in der Arbeit mit Kindern« ohne solche theologische Bezüge aus, obgleich er den Kindergottesdienst als Exemplum auswählt.
Einen neuen Horizont eröffnet der abschließende Teil »Arbeit mit Kindern in anderen Konfessionen und Kirchen, Ländern und Religionen«. Sehr instruktiv stellen hier jeweils Vertreter verschiedener Kirchen ihre Arbeit mit Kindern da. Einen deutlichen Akzent setzt dabei der Bericht der Serbisch-Orthodoxen Kirche, in der die Liturgie den wesentlichen Fokus kirchlicher Bildungsarbeit bildet, die dadurch auch ein deutlich von anderen Trägern unterschiedenes Profil erhält.
Es folgen Beiträge zur Kinderarbeit in verschiedenen europäischen Ländern, wobei es sich nur um knappe Skizzen handelt, bei denen aber die jedem Artikel abschließend hinzugefügte Literatur ein vertieftes Weiterstudium ermöglicht.
Schließlich wird am Beispiel des Judentums und des Islam »Arbeit mit Kindern in anderen Religionen« vorgestellt. Dabei fallen beim Judentum die enge Verzahnung zwischen ritueller und familiärer Dimension sowie die eindeutige inhaltliche Ausrichtung auf die Tora auf.
Insgesamt liegt mit dem Handbuch ein beeindruckendes Dokument der deutschen Religionspädagogik vor, die zwar – wie die Herausgeberschaft durch das Comenius-Institut zeigt – kirchlich verankert, aber inhaltlich vor allem pädagogisch ausgerichtet ist. Demgegenüber fehlt – abgesehen von den erwähnten Ausnahmen– die theologische bzw. evangelisch religionspädagogische Perspektive weitgehend bzw. wird nur stichwortartig angetippt. Vielleicht hängt damit zusammen, dass die historische Dimension nur selten aufblitzt und dadurch die normative Ausrichtung der Kinderarbeit seltsam monoton erscheint (Bildung, Subjektorientierung, Verantwortung usw.). Zumindest eine selbstkritische Rückbesinnung auf noch gar nicht so lange zurückliegende kirchliche (und theologisch argumentierende) Stimmen würde das Bild facettenreicher gestalten. Inhaltlich bleibt in den meisten Beiträgen vor allem das liturgische Handeln ausgeblendet. Interessante Seitenblicke auf andere Kirchen und andere Religionen zeigen, dass da­mit die pädagogisch ausgerichtete deutsche Religionspädagogik einen Sonderweg geht. Vielleicht ergäben sich auf der Basis der jetzt erreichten pädagogischen Ausrichtung bei einer intensiveren Be­schäftigung mit der eigenen biblisch-theologischen und kirchlichen Tradition zum Umgang mit Kindern sogar neue Perspektiven für pädagogische Theorien und Konzepte.