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Ausgabe:

1995

Spalte:

1064-1065

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Gottes Ehre erzählen 1995

Rezensent:

Waschke, Ernst-Joachim

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1063

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 12

1064

Eduard Nielsen interpretiert in "A Note on Zechariah 14,4-5"
diesen Text im Übergangsfeld prophetischer und apokalyptischer
Traditionen. In ein sehr viel späteres Stratum apokalyptischer
Theologie führt Jes P. Asmussen mit seiner Erinnerung an
"A Judeo-Persian Daniel Apocalypse". Gemeint ist die schon
1869/1887 von Zotenberg und Darmesteter edierte, aber seither
kaum beachtete Schrift Qisse-ye Däniäl („Geschichte Daniels"),
die dem beträchtlichen Corpus der jüdisch-persischen Literatur
(in persischer Sprache, aber hebräischer Schrift) angehört. (Der
bedeutende Iranist James Darmesteter hat übrigens eine Reihe
weiterer Studien zu jüdisch-iranischen Kontakten verfaßt, die
heute zu Unrecht vergessen sind). Diese Apokalypse stammt in
ihrer Endfassung aus dem 12. oder 13. Jh. und bietet nicht
zuletzt eine bemerkenswerte Erwartung von zwei Messiassen,
welche die Lebendigkeit der messianischen Hoffnungen der
persischen Juden illustriert. Ein kleiner Ausschnitt ist in Text
und Übersetzung beigefügt, um eine neue Beschäftigung mit
dieser Schrift anzuregen.

Jakob Balling illustriert in "Martyrdom as Apocalypse" die
Rezeption apk. Stoffe in Märtyrerakten anhand der Passio Perpe-
tuae et Felicitatis. Beachtung verdient der beiläufige Hinweis
(48, Anm. 7), daß sich eine dänische Übersetzung dieser Schrift
mit umfassendem Kommentar aus der Feder eines Autorenteams
unter Leitung von Balling in Vorbereitung befindet. Sten Hindal
vergleicht in "Apocalypse, Persecution and Exegesis: Hippolytus
and Theodoret of Cyrrhus on the Book of Daniel" beide Danielkommentatoren
namentlich in Hinsicht auf ihre Haltung zum
nachbiblischen Judentum. Kirsten Nielsen untersucht in "If You
Loved Man, Why Did You not Kill the Devil?" das Bild des Teufels
in der Sedrachapokalypse (ed. O. Wahl in PsVTGr IV),
deren Datierungen leider nach wie vor zwischen dem 2. und dem
11. Jh. (!) schwanken. "The Cross and Paradies - the Robber and
the Cherub in Dialogue" von Johannes B. Glenthoj ist einer apokryphen
Weiterführung von Lukas 23,43 („Heute noch wirst du
mit mir im Paradiese sein") in der syrischen Literatur gewidmet.
Jakob von Sarug (dessen Lebensdaten ca. 450-520/21 S. 60 leider
verdruckt sind) und andere syrische Schriftsteller erzählen
von einem Gespräch des Schächers mit dem Cherub, der den
Eingang des Paradieses zu bewachen hat. Glenthoj paraphrasiert
die einschlägigen Texte und interpretiert die apokryphe Legende
im Kontext syrischer Frömmigkeitsgeschichte. Magno Saeb0 diskutiert
von Rads klassische Ableitung der Apokalyptik aus der
Weisheit ("Old Testament in its Relation to Prophecy and Wis-
dom"), wobei er die Alternative Prophetie versus Weisheit durch
die Beobachtung einer zunehmenden weisheitlichen Anreicherung
spätprophetischer Texte überwinden will.

Zum Topos „Ende der Prophetie" (87) müßte m.E. stärker zur Geltung
gebracht werden, daß dieser nicht prophetischer, sondern apokalyptischer
(bzw. „proto-apokalyptischer") Herkunft ist und ein Denken in apokalyptischen
Epochen voraussetzt. Vom Thema untergründigen oder offenen Weiterlebens
prophetischer Traditionen muß er m.E. fundamental unterschieden
werden (vgl. ausführlicher in Band I meiner Studie „Offenbarung und Epi-
phanie" [im Druck)). Der Reevaluierung einer alteren Position dient auch
Else Kragelung Holt, „... ,und der Ursprung der Eschatologie'. Sigmund
Mowinckel's Thesis in Walter Brueggemann's Adaption". Mowinckels
These eines kultischen Ursprunges wesentlicher eschatologischer Theolo-
gumena wird hier in ihrer Neuformulierung durch Brueggemann als Anfrage
an die gegenwärtige Exegese wieder ins Gespräch gebracht, ohne daß
neue Gesichtspunkte sichtbar würden.

Kleinere, essayartige Artikel sind den traditionsgeschichtlichen
Wurzeln der Apokalyptik (Niels Peter Lemche), der Rezeption
volkstümlicher Sprichwörter bei Qohelet (Bent Rosen-
dal) und Rene Girards These gewidmet, das Buch Hiob schildere
seinen Protagonisten als eine Art rebellierenden Sündenbock
(weitgehend abgelehnt von Svend Holm-Nielsen). Hans J. Lun-
dager Jensen, "The Cosmic Wedding and the Brief Life on
Earth" ist eine strukturalistische Spielerei über sexuelle Motive
u.a. in Gen 2 f., 18 f., Offb 21 und den ovidischen Sagen von
Philemon und Baucis und von der Geburt des Orion.

Der aus der Sicht des Referenten bemerkenswerteste Aufsatz
ist Hans M. Barstad, "Prophecy at Qumran?". In Sichtung und
z.T. eingehender Analyse der relevanten Stellen wird gezeigt,
daß es keine tragfähigen Belege für die These gibt, Mitglieder
der Qumransekte hätten ihre Neuinterpretation prophetischer
Texte selbst als Prophetie verstanden. Über Barstad hinaus wird
zu bedenken sein, daß sich ein Widerspruch zu Josephus' Bild
wahrsagender Essener nur dann ergibt, wenn man die Mantik
der Essener fälschlich von der atl. Prophetie her verstehen will,
mit der sie in Wahrheit gar nichts zu tun hat.

Eine eher spekulative Studie ist Gen 4,26b gewidmet: Die
Notiz sei eigentlich auf Adam zu beziehen und zur Abwehr einer
Sicht Adams als eines „ersten Priesters" hierher transponiert
(Knud Jeppesen, Aarhus). Carsten Bach-Nielsen untersucht
pseudohieroglyphisch-emblematische Motive auf dem „Runden
Turm" in Kopenhagen (erbaut 1637-1642) und stellt Bezüge zur
Buchstabenmystik nach Art eines Athanasius Kircher her. John
Strange versucht in "Hellenism in Archaeology" den archäologischen
Hellenismus-Begriff stark auszuweiten und die gesamte
römische und byzantinische, ja sogar omajjadische Zeit mitein-
zubeziehen; erst unter den Abbasiden hätten sich Baustile und
materielle Kultur in Palästina wesentlich geändert. Dieser Vorschlag
kann schwerlich auf Akzeptanz hoffen.

Inge Nielsen, "The Hellenistic Palaces of the Jewish Kings",
bietet allgemeine Plausibilitätserwägungen, wie die königlichen
Palastbauten der Hasmonäer und Herodier in Jerusalem (von
denen archäologisch fast nichts greifbar ist) beschaffen gewesen
sein müssen. Frederick H. Cryer, "The Problem of Dating
Biblical Hebrew and the Hebrew of Daniel" möchte die erstaunliche
morphologische Konstanz des biblischen Hebräisch
am ehesten durch die Gewaltlösung beseitigen, daß die biblischen
Texte letztlich doch nur aus einer zeitlich sehr begrenzten
, nachexilischen Stellung des Schrifthebräischen als einer
(wenn auch natürlich noch tatsächlich gesprochenen) lingua
sacra vor dem Hintergrund des sich bekanntlich rasch ändernden
Aramäischen zu suchen ist? Außerdem stellt sich das Problem
in einer konsequent semitistischen Betrachtungsweise
noch einmal anders dar, was Cryer leider weithin ausblendet
(die Kontrastierung mit dem raschen Formenwandel der indogermanischen
Sprachen ist insofern sicher nicht treffend).

Schließlich ist Gabriella Dahms "Some Reflections on Re-
sponsibility, Challenge and Non-Awareness in the Study of the
Old Testament" ein Beitrag zur forschungsgeschichtlichen
Ideologiekritik der atl. Wissenschaft. Eine Bibliographie Benedikt
Otzens, umfassende Register und eine lange Tabula Gratu-
latoria runden den Band ab. Alles in allem eine interessante
Sammlung von Studien, der Beachtung auch im deutschen
Sprachraum zu wünschen sein wird.

Mainz Marco Frenschkowski

[Seidel, Hans:] Gottes Ehre erzählen. Festschrift für Hans Seidel
zum 65. Geburtstag, hrsg. von M. Albani u. T. Arndt. Leipzig
: Thomas 1994.272 S„ 1 Porträt 8«. ISBN 3-86174-037-0.

Die Festschrift ist dem Leipziger Alttestamentler Hans Seidel
gewidmet, der mit Arbeiten zur Musik in Altisrael und zu den
Psalmen bekannt geworden ist. Dementsprechend wurde das
Motto dem 19. Psalm entlehnt. Die 18 Beiträge, unter denen die
zum Alten Testament mit 11 überwiegen, sind unter 6 Leitworte
zusammengefaßt:

Auf den Spuren des Wortes: Klaus Koch, Das Hohe Lied unter kanonischer
Perspektive. Beobachtungen zur Rezeptionsgeschichte anhand von
Targum und Midrasch (11-23); Ernst Koch, Beobachtungen zum Umgang
mit dem Hohenlied in Theologie und Frömmigkeit des Luthertums im 16.
bis 18. Jahrhundert (25-41).