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Ausgabe:

1995

Spalte:

999-1001

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Paul and the scriptures of Israel 1995

Rezensent:

Koch, Dietrich-Alex

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999

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. I I

1000

Der Vf. nimmt an, daß das Buch Hiob im archaischen
biblisch-hebräischen Stil geschrieben sei, gelangt aber zu keiner
eindeutigen Datierung. Die in Sprüche 30 und 31 festgestellten
sprachlichen Besonderheiten und Abweichungen vom Standard
werden als Zeugnis für einen sonst unbekannten Dialekt des
nordarabischen Stammes Massa (vgl. Gen 25,14) betrachtet.
Kohelet ist in einem literarischen Lokaldialekt geschrieben und
soll aus inhaltlichen Gründen ein Werk der vorexilischen Weis-
heitsliteratur darstellen. Nach Ansicht des Vf.s scheint das
Hohelied jerusalemischer Herkunft zu sein, obwohl es einige
Dialektmerkmale mit dem nördlichen Deboralied gemeinsam
hat. Dies wird damit erklärt, daß der Vf. aus dem Norden
stammte, aber in Jerusalem wirkte. Die Datierung wird vorzugsweise
in der salomonischen Zeit angesetzt. Das Hohelied sei
weder im archaisch- noch im standardhebräischen Stil verfaßt.

Abschließend wird im 6. Kapitel (174-202) die Frage der
vorexilischen Phonologie erörtert und auf die damit zusammenhängenden
Dialektfragen eingegangen. In einem Anhang (203-
205) setzt sich der Vf. mit dem Aufsatz von E. A. Knauf: War
.Biblisch-Hebräisch' eine Sprache'/, in: ZAH 3 (199(1). 11-23,
auseinander. Beigegeben ist dem Buch eine reichhaltige Bibliographie
(206-247), ein Sachregister und eine Liste der Bibelzitate
. In der Bibliographie sowie in der Darstellung vermißt man
allerdings H. Baurs Büchlein Zur Frage der Sprachmischung
im Hebräischen, Halle 1924.

Das Buch Ian Youngs ist reich an Wiederholungen. Die
Argumentation des Vf.s im Hinblick auf die behandelten biblischen
Büchern ist nach Ansicht des Rez. wenig überzeugend
und verrät einen versteckten Hang zum Biblizismus.

Halle (Saale) Arafa Mustafa

Neues Testament

Evans, Craig A. and James A. Sanders [Ed.]: Paul and the
Scriptures of Israel. Sheffield: JSOT Press 1993. 296 S. 80
= Journal for the Study of the New Testament. Suppl.Series
83. Studies in Scripture in Early Judaism and Christianity, 1.
Lw. £ 35.-. ISBN 1-85075-412-8.

Eine Reihe von Veröffentlichungen in neuerer Zeit signalisiert
ein verstärktes Interesse an den Problemen, die sich aus der
Verwendung der Schrift in den Briefen des Paulus, aber auch
den übrigen Texten des Neuen Testaments ergeben. So hat
Richard Hays" Buch "Echoes of Scripture in the Letters of
Paul" von 1989 eine Diskussion ausgelöst, die in dem hier zu
besprechenden Band dokumentiert wird.

Der Band, der aus Debatten im Rahmen der SBL-Tagungen
von 1989 bis 1991 hervorgegangen ist (s. Einleitung, 7). besteht
aus zwei Teilen: Der erste Teil (42-96) enthält (nach einer
Zusammenfassung von "Echoes of Scripture" durch Hays
selbst) Stellungnahmen zu Hays' Buch von Craig A. Evans,
James A. Sanders. William Scott Green und J. Christiaan
Beker, auf die Hays seinerseits in einer umfangreichen Erwiderung
eingeht. Der zweite Teil (98-277) umfaßt exegetische Einzelbeiträge
und beginnt mit einem Aufsatz von James A. Sanders
von 1959 ("Habakuk in Qumran, Paul, and the Old Testament
"), der hier wieder abgedruckt ist; es folgen Beiträge von
Christopher D. Stanley (zu Rö ll,26f). Carol K. Stockhausen
und Linda L. Belleville (beide zu 2Kor 3). James M. Scott (zu
Gal 3.10), Nancy L. Calvert (zu Gal 4,1-10 als implizite Aufnahme
des jüdischen Abrahambildes), C. A. Evans (zu Ps 47,6
und IThess 4,16) und Stephen G. Brown (zu Jes 66,17 und
2Thess 2.7). Vorangestellt ist dem Band eine Einleitung von C.
A. Evans - und (ohne nähere Begründung an die Adresse des

Lesers) ein Beitrag von W. D. Davies, in dem dieser seine Sicht
von Christus als der „neuen Tora" (36; mit Verweis auf Davies
Untersuchung "Paul and Rabbinic Judaism" (1. Aufl. 1948!).
erneuert.

Interessant ist vor allem der erste Teil, weil in der Debatte
zwischen Hays und seinen (z.T. wohlwollenden, z.T. skeptischen
) Gesprächspartnern grundlegende Methodenfragen zur
Sprache kommen, die sonst nur selten in dieser direkten Form
erörtert werden. Hervorzuheben sind dabei zwei Themenbereiche
: 1. Analyse der Schriftverwendung des Paulus; 2. die Frage
der Legitimität der paulinischen Schriftverwendung. Hays'
Schlüsselwort, mit dem er das Verhältnis zwischen dem paulinischen
Text und dem/den Schrifttext(en) methodisch angemessen
erfassen will, ist das der „Intertextualität". Die sehr breite
Fassung dieses Begriffs hat ihm einerseits Zustimmung (C. A.
Evans. .1. A. Sanders), aber auch energischen Widerspruch eingetragen
- u.zw. aus genau entgegengesetzter Richtung. Nach
Hays versetze „Intertextualität" den Leser "within a Heid of
whispered or unstated correspondances" (Echoes, 20). und sie
sei auch nicht auf die (damalige) Autorenintention bzw. Leserrezeption
zu begrenzen: "Later readers will wightly grasp mea-
ning of the figures that may have been veiled from Paul him-
self" (ebd., 33). Dies nimmt Green auf - und kritisiert Hays
zugleich als inkonsequent: "Despite its admirable effort at hi-
storical sensitivity... this book cannot but display the thorough-
going extent to which intertextuality really is the reader's work,
not the writer's" (Paul and the Scriptures, 61). Es spricht für
den Exegeten Hays. daß er diese Position Greens nicht übernimmt
. Hays hält daran lest, tatsächlich Paulus interpretieren zu
wollen (ebd.. 81) - doch dann sieht er sich mit den Anfragen
von J. Chr. Beker konfrontiert, der nach den Möglichkeiten
methodischer Kontrolle fragt, wenn es denn um 'whispered or
unstated correspondances' geht. Hays' Verweis aufseilten eigenen
Kriterienkatalog (ausgeführt in Echoes. 30-32) reicht hier
nicht aus. da diese Kriterien höchst vage sind und Hays selbst
weiß, daß auf diesem Wege "only shadows of certainty"
(Echoes. 32) zu erreichen sind.

Auch mit J. Chr. Bekers Frage, ob denn die damaligen Leser
wohl die von Hays wahrgenommenen 'Echoes' ebenfalls gehört
haben, wird Hays m.E. etwas zu schnell fertig. Hays will die
Frage nach der Rezeptionsmöglichkeit der damaligen Leser
nicht gelten lassen, weil ohnehin damit zu rechnen sei. daß die
Briefe des Paulus von den Lesern nur partiell verstanden wurden
. "One reason for their incomprehension may have been that
he was not able to tili in all the gaps left for Iiis hearers by his
allusive references to Scripture, he may have been consistently
presupposing knowledge that he ought not to have presup-
posed" (Paul and the Scriptures, 86).

Der Rez. gesteht, derartigen (Hilfs-(Argumenten nieht folgen zu können,
weil hier vorausgesetzt ist. was gerade zur Debatte steht: die These nämlich,
datl die Texte des Paulus erst durch Hintergrunds- und Zusatzwissen
ergänzt verständlich werden. Außerdem ist die These von der Unversländ-
liehkeit (weil Unvollständigkeit) der paulinischen Briefe nicht an den Texten
verifiziert: Gerade dort, wo nachweislich die Kommunikation zwischen
Paulus und seinen Adressaten tiefgreifend gestört war. nämlich in der
Korinthischen Krise, war es (nach Auskunft beider Seiten!) gerade nieht die
briefliche Kommunikation, die versagt hat (vgl. 2Kor 10.10!). Im übrigen:
Gerade bei einem von Hays so ausführlich behandelten l all von Intertextualität
. wie dem der Aufnahme von Dtn 30.11-14 in Rö 10.6-8 müßte man
sich doch fragen, ob zusätzliche Kenntnisse (nämlich des unveränderten
LXX-Textes!) bei den Lesern die Rezeption der paulinischen Ausführungen
wirklich erleichtert hätten, d.h. oh die Leser die liefgreifenden Eingriffe des
Paulus in den Schrifttext tatsächlich als "typological reading strategy"
(Echoes, 164) bewundert oder nicht eher als 'misreading' verworfen hätten.

Theologisch hat Hays in seinem Buch die Schriftverwendung
des Paulus' als legitim verteidigt: Sic siehe in grundsätzlicher
Kontinuität mit der Schrift selbst. Auch hier kritisiert Green die
Position Hays'. Nachweisen ließe sich allenfalls, daß Paulus
diese Kontinuität beansprucht. "Paul's writing is presented as