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Ausgabe:

1995

Spalte:

485-487

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schlegel, Leonhard

Titel/Untertitel:

Handwörterbuch der Transaktionsanalyse 1995

Rezensent:

Engemann, Wilfried

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485

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5

486

M. Seit/, die Lebensart und die daraus erwachsende „Zu-
spruchs-Seelsorge" der Wüstenväter nach. Diese erscheint zunächst
in ihrer direktiven Art geradezu als Anti-Programm zur
modernen Seelsorgebewegung. Auf der anderen Seite begegnen
sich aber beide im Bemühen um die Person des Seelsorgers, in
der „Konfrontation mit dem eigenen Ich" (84).

Behindere Beachtung verdient auch der Beitrag des ehemaligen
Trappistenpriors B. Schellenberger zur Seelsorge des Bernhard
von Clairvaux. Laut Schellenberger münden bei Bernhard
die Fragen über die Seelsorge ebenfalls in die Frage nach dem
Seelsorger/der Seelsorgerin ein. In unsere Sprache übersetzt
heißt das: ..Wie sieht mein Bild, meine Erfahrung, mein Gefühl
von Gott aus, das ich mit den Menschen teilen und an sie weitergeben
will? Und: aus welcher Daseinserfahrung, aus welchem
Lebensgefühl heraus trete ich in die Beziehung zu Menschen
ein? Bin ich als Medium auch persönlich die Botschaft?"
(262). Diese Zuspitzung auf die Person derer, die Seelsorge
üben, ist bei Bernhard allerdings auf dem Hintergrund des klösterlichen
Umfeldes in die Erfahrung eingebettet, „daß die
Gemeinde und Gemeinschaft als ganze, und nicht nur ihr Vorsteher
, Subjekt der Seelsorge sei: daß das Mitleben in der Christengemeinschaft
die beste Scelsorge und Einübung in christliches
Leben und Erfahrung biete" (ebd.).

Die ansprechenden Porträts von Augustin (A. Schindler),
Gregor dem Großen (Chr. Möller), den Mystikern Eckhart (.1.
Sudbrack) und Johannes Tauler (M. Egerding) und Thomas von
Kempen (G. Ruhbach) können leider an dieser Stelle nur
erwähnt und zum Lesen empfohlen werden.

Insgesamt bietet dieser erste Band der „Geschichte der Seelsorge
in Einzelporträts" eine Fülle von wichtigen Einsichten und
Anstößen zur (theologischen) Theorie und Praxis der Seelsorge.
In poimenischen Vorlesungen und Seminaren wird das Werk
vermutlich bald einen festen Platz bekommen, da es historische
Quellen und Informationen leicht zugänglich macht und sich in
den einzelnen Beiträgen mannigfache Bezüge zu aktuellen seelsorglichen
Problemstellungen herstellen lassen. Einen geschichtlichen
Überblick gewinnt man allerdings bei der Lektüre (zumindest
dieses ersten Bandes) nur schwer, da sowohl die Verfasser/
innen der Artikel sehr verschieden an ihre Aufgabe herangehen
als auch die einzelnen dargestellten Seelsorger und Seelsorgerinnen
in der Regel hei ausragende Persönlichkeiten waren und deshalb
nicht unbedingt ihre Zeit repräsentieren. Hier wünschte man
sich einige überleitende oder verbindende Worte (des Hg«.?), damit
Linien deutlicher gezogen und Entwicklungen besser nachvollziehbar
würden. Trotz dieser kritischen Anmerkung wird mit
dem vorliegenden Titel ein bedeutungsvolles und die poimeni-
sche Diskussion belebendes Werk eröffnet. Man kann auf die
beiden weiteren Bände gespannt sein.

Reutlingen Holger Eschmunn

Schlegel. Leonhard: Handwörterbuch der Transaktionsanalyse
. Sämtliche Begriffe der TA praxisnah erklärt unter Mitwirk
, von F. Wandel (Erziehung). B. Schibaiski (Organisationsberatung
). H. Harsch (Theologie). Freiburg-Basel-Wien:
Herder 1993. XVII. 427 S. 8o. Pp. DM 68.-.^ ISBN 3-451-
23124-7.

Mit dem Handwörterbuch der Transaktionsanalyse ist es dem
Züricher Gelehrten Leonhard Schlegel gelungen, seine kontinuierlich
geführten psychiatrischen, psychotherapeutischen und
verhaltenswissenschaftlichen Forschungen in Sachen Transaktionsanalyse
(im weiteren mit TA abgekürzt) abzurunden. Daß
seine Schriften zur TA unter der zeitweise Hütenden transaktionsanalytischen
Literatur seit langem zu jenen gehören, auf die
sich andere Autoren immer wieder beziehen (müssen), ist ein

deutliches Zeichen der Kompetenz eines Autors, der vor einem
breiten Erfahrungs- und Forschungshintergrund schreibt. Mit
seinem fünfbändigen „Grundriß der Tiefenpsychologie" (UTB
1972-1979) und seiner sorgfältigen Studie der „Transaktionalen
Analyse nach Eric Berne und seinen Schülern" (Francke, München
21984) hat er wesentlich dazu beigetragen, die TA als
Kommunikationspsychologie und -therapie vor soteriologic-
verdächtigen Plattheiten ebenso zu bewahren wie gegen den
Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit zu verteidigen.

Das vorgelegte Werk markiert den Entwicklungsstand eines
Forschungszweigs, der u.a. dank seiner eingängigen Terminologie
, einfacher Modelle und seiner populären Botschaft (vgl. z.B.
Rüdiger Rogoll: Nimm dich, wie du bist, Freiburg/Br. 1986) für
ein reichliches Jahrzehnt geradezu boomte und die verschiedensten
Bereiche humanwissenschaftlicher, geisteswissenschaftlicher
, einschließlich theologischer Forschung und Lehre nachweislich
innovierte.

Vor diesem Hintergrund wurde ein Nachschlagewerk wie das
vorliegende dringend notwendig. Denn die sich rasch und an
mehreren Orten und in verschiedenen Köpfen parallel vollziehende
Ausarbeitung der vor allem von Eric Berne entwickelten
Kategorien, Modelle (am bekanntesten sind wohl seine Charakteristiken
der „Ichzustände" und „Lebenspositionen") und Methoden
hatte zur Folge, daß für gleiche und ähnliche Zusammenhänge
unterschiedliche Begriffe gebraucht wurden, daß
ähnliche Ausdrücke in verschiedenartigen Kontexten kursierten
, und schließlich bestimmte Beobachtungen in bestimmten
transaktionsanalytischen Schulen favorisiert wurden, ohne die
Resultate der jeweils anderen mit den eigenen Ergebnissen in
instruktive Vergleiche einbeziehen zu können. Schlegels Werk
wird diesem Dilemma nicht nur gegensteuern, sondern - dies
darf ohne Übertreibung unterstellt werden - selbst korrigierend
und theoriebildend zur Weiterentwicklung der TA beitragen.

Der Vf. war bei der Konzeption des Handwörterbuchs zunächst
darauf bedacht, Bewährtes bzw. Konsensfähiges zusammenzutragen
. An nicht wenigen, durch ein besonderes Zeichen
(*) markierten Stellen hat der Vf. jedoch versucht, die lexikalischen
Eintragungen um eigene Begriffe, Analysen. Forschungsergebnisse
usw. zu ergänzen - wobei er durchaus bemüht war.
im Sinne der Schule Bernes weiterzudenken und nur solche
Schlüsse zu ziehen, die in der Intention dieses transaktionsanalytischen
Ansatzes liegen (vgl. z.B. Schlegels Ausführungen
zur Analyse existentieller Verhaltensmuster [4-6] oder auch seine
Präzisierung des Begriffs „Ausschluß" |eines Ich-Zustands]
durch den Ausdruck „Befangenheit" [ 162]).

Es gehört zu den Vorzügen des Buches, daß der Vf. auch solche
Begriffe in das Verweisregister und z.T. in die Reihe der
Hauptstichworte aufgenommen hat, die zwar nicht originär der
TA entstammen, aber transaktionsanalytisch höchst relevant sind
und die Integrationsfähigkeil der transaktionalen Modelle zeigen
- besonders im Hinblick auf Begriffsbestimmungen aus der Psychoanalyse
, der Individualpsychologie und aus der Familienihe-
rapie. Begriffe wie „Archetypus", „Charakterneurose", „Durcharbeit
" u.a. gewinnen dadurch an Bildhaftigkeit und Plausibilität.

Die einzelnen Artikel haben eine Länge von durchschnittlich
einer Seite, worin zahlreiche Abbildungen zum Verlauf von
Transaktionen zwischen den Ichzuständen der an der Kommunikation
beteiligten Partner, zu Disproportionen von Persönlichkeitsstrukturen
, Spielen der Erwachsenen usw. eingeschlossen
sind. Damit halten sich die Auskünfte unter den einzelnen
Stichworten in einer otimalen Proportion zwischen Information
und Redundanz, sie sind hinreichend präzise und bleiben doch
diesseits der Grenze zur Enzyklopädie.

Eine Ausnahme hiervon machen drei Artikel, die der Vf. an
Mitautoren vergeben hat. Während F. Wandel in einem ca. vielseitigen
Beitrag die wesentlichen Aspekte von „Erziehung im
Sinne der Transaktionsanalyse" zusammenfaßt (77-81) und B.