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Ausgabe: | 1995 |
Spalte: | 428-430 |
Kategorie: | Judaistik |
Autor/Hrsg.: | Horst, Pieter Willem van der |
Titel/Untertitel: | Hellenism, judaism, christianity 1995 |
Rezensent: | Karrer, Martin |
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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5
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Die in der Beschäftigung mit dem alttestamentlichen Kanon
entwickelte Forschungsmethode wurde bereits von anderen
auch auf rabbinische Texte angewandt, weil man zu der Überzeugung
gelangt war, daß sie ein ähnliches literarisches Werden
durchliefen. Die Autorin diskutiert forschungsgeschichtlich das
Relevante, zeigt dessen Schwächen auf, insofern öfters auf halbem
Wege stehengeblieben, und betont, Tradition und Redaktion
seien zu unterscheiden. Die einzelnen Stationen von der vorliterarischen
Stufe an und die jeweils in ihnen gültige Form,
Bedeutung und Funktion des Erzählgutes bedürften der Erkundung
. Dabei setzt H. in erster Linie die Erkenntnisse und Überzeugungen
von Baruch M. Bokser und Peter Schäfer voraus.
Ein analytischer erster Teil behandelt nacheinander die insgesamt
achtzig ausgewählten Passagen, die abgesehen von wenigen
ausgeführteren Stücken relativ kurz sind und mitunter sogar
die Gestalt einer Sentenz haben. Zu Beginn steht jedesmal die
Übersetzung des Abschnittes, in den die berichtenden Sätze eingefügt
sind, einschließlich ihrer selbst. Dazu hat H. alle Manuskripte
verglichen. Als Grundlage dient ihr mit Recht die bedeutendste
Handschrift des palästinischen Talmud, der Leidener
Kodex von 1289. Die Untersuchungsschritte sind die folgenden
: Erklärung des redaktionellen Kontextes, Beachtung der
Beziehung zur umgebenden Gemara, um herauszufinden, ob
eine ältere Überlieferung vorliegt, Abgrenzung des Erzählten,
die Art seiner Einfügung an der jeweiligen Stelle, seine Funktion
in der Sugja, also der talmudischen Diskussionseinheit, der
es zugehört, Ermittlung eventueller Zusätze, Vergleich mit den
Parallelversionen, Beschreibung der literarischen Form, Frage
nach dem Sitz im Leben, die mögliche ursprüngliche Funktion
des Berichteten, bevor es in den Talmud aufgenommen wurde.
Erwägung betreffend geschichtlich Ableitbares.
Der auswertende zweite Teil zieht den Gewinn aus den analytischen
Ergebnissen. Es waren dabei, was die Autorin selbst
hervorhebt, Überschneidungen zwischen beiden Teilen nicht zu
vermeiden. Sie wirken aber keineswegs überflüssig oder ermüdend
. Im Gegenteil kommen eine Menge grundlegender Erkenntnisse
zur Sprache, die im Rahmen der Analyse nicht in
gebührender Weise gewürdigt werden konnten. In fünf Kapiteln
ist das zu Bedenkende entfaltet. Zunächst untersucht H., wie die
Editoren die erzählenden Teile in den Kontext einfügten. Das
sieht ziemlich vielgestaltig aus und geschah durch mancherlei
Formeln und erklärende Zusätze. Weiterhin erläutert sie, welchem
Zweck die genannten literarischen Stücke dienten (der
Illustration, der Einfügung neuer Aspekte, der Beantwortung
von Fragen oder Zurückweisung gegenteiliger Auffassungen).
H. wendet sich dann den offensichtlich zu vermutenden älteren
Sammlungen zu, aus denen die Talmud-Bearbeiter schöpften
und die wahrscheinlich als Vorlagen für durch Rabbiner zu treffende
Entscheidungen (halachisch) oder der Anweisung zu
rechter Lebensführung (haggadiseh) dienten. Beide Arten
heißen ma'asä'. In einem nächsten Schritt kategorisiert H. die
Formen der Erzählungen. Sie schickt dazu eine forschunge-
schichtliche Übersicht voraus. Zu differenzieren seien solche,
die Fälle, Beispiele und Verfügungen erörtern, Anekdoten,
Ätiologien und Legenden. Die Gruppen erfahren eine definierende
Beschreibung und ausführliehe anderweitige Kommentierung
, dazu die Feststellung, in welcher Anzahl jede Kategorie
vorkommt. Des weiteren diskutiert H., ebenfalls unter Einbeziehung
früherer Äußerungen zur Sache, die Parallelen in anderen
Traktaten des Jeruschalmi, im Babli und in den Midraschim,
ihre Unterschiede und wie sie zu erklären sind. Zuletzt wendet
sie sich bündelnd der Fragestellung zu, inwieweit die Erzählstücke
geschichtlich auswertbar sind, sie also verläßlichen
Quellencharakter beanspruchen dürfen. In dem Konnex sei die
Frage nach dem Sitz im Leben der Überlieferungen einer sorgfältigen
Kritik zu unterwerfen. Sie legt am Ende dar, was ihrer
Meinung nach die einzelnen Arten von Erzählungen an geschichtlicher
Information bieten können.
Die 'Final Conclusions' (406-409) bringen keine neuen
Gesichtspunkte hinzu. Sie haben die Form von Disputationsthesen
zum Gegenstand und hätten schadlos entfallen können.
Einem umfangreichen Literaturverzeichnis folgt eine Liste der
achtzig besprochenen Erzählstücke - leider ohne Angabe der
Seiten, die ihnen gewidmet sind -, dann der Index der behandelten
Stellen, der Autoren und Sachen.
Das Buch ist sauber und bis auf wenige verunglückte Wortabteilungen
fehlerlos erstellt. Lobenswert ist, wie H. mit gebotener
Umsicht zu Werke ging. Der Fachwelt liegt hier eine
gründliche und das bezeichnete Sujet umfassend bearbeitende
Studie zur Literaturgeschichte des Jerusalemer Talmud vor,
wodurch sich die Vfn. als bewandert ausgewiesen hat. Ihre Forschungsbeiträge
sollten in Zukunt nicht unbeachtet bleiben.
Stuttgart Wolfram Herrmann
Etwa mit .Begebenheit' (event. happening) wiederzugeben.
Horst, Pieter W. van der: Hellenism - Judaism - Christianity.
Essays on Their Interaction. Kampen: Kok Pharos Puhl. Hou-
se 1994. 300 S. gr. 8« = Biblical Exegesis & Theology. 8.
ISBN 90 -390-0106-5.
1990 erschienen Sammelbände von Studien van der Horsls über
die jüdische (Um-)Welt und den hellenistischen Hintergrund des
frühen Christentums (besprochen ThLZ 118, 1993, 35; 119.
1994. 135-137). Nun folgt ein dritter Band, der die Nachfrage
nach dem jüdischen und hellenistischen Hintergrund verbindet.
Wieder sind die Beiträge aus dem Utrechter Forschungsprojekt
über die kulturelle Umgebung des frühen Christentums erwachsen
. Sie dokumentieren im wesentlichen den Fortgang der Arbeit
van der Horsts zwischen 1990 und 1994 (nur der Beitrag über
den Gebrauch und das Verständnis der Hieroglyphen in der jüngeren
Antike 1278-287] stammt schon von 1982; die Erörterung
des Kultes unbekannter Götter [165-202] wurde 1989 in ANRW
II 18,2 veröffentlicht). Aus dem - wie gewohnt - reichen Ertrag
kann der Rez. nur Schlaglichter herausgreifen:
Ein erster Komplex von Studien zeigt an Beispielen die Anregung
des Judentums (einschließlich Samaritaner) durch die
und seine Auseinandersetzung mit den paganen Kulturen: Rab-
binen kannten heidnische Überlieferung über eine merkwürdige
Maus-Biologie und den Vorzeichencharakter des Niesens (Two
Notes on Hellenistic Lore in Early Rabbinic Literaturc, 13-24).
19 jüdische Grabinschriften zwischen dem 2. Jh. v. und dem 3.
Jh. n.Chr. (ca. 1% der erhaltenen) sind metrisch formuliert; 12
davon finden sich (griechisch) in Leontopolis, dem Ort des jüdischen
Oniastempels (seit dem 2. Jh. v.Chr.), so daß sich die dortige
hellenistische Prägung noch vertieft (Jewish Tomb Inscrip-
tions in Verse, 25-47; im Anhang sind alle Versinschriften
ediert). Die Samaritaner benützten griechische Sprache und
Motive zwischen dem 2. Jh. v. und dem 6. Jh. n. Chr. nach den
erhaltenen Literaturfragmenten (Pseudo-Eupolomos und - von
H. gegen andere Forschung als samaritanisch angesehen -
Theodotos, dazu Samaritikon) und Inschriften der Diaspora
(Delos, Thessalonich) und Palästinas vergleichbar stark w ie das
übrige Judentum (Samaritans and Hellenism, 48-58). Mit der
Edition einer Altarinschrift „für den nicht lügenden (apseudes)
und nicht mit Hand gemachten (acheiropoietos) Gott"' aus Bel-
kis (in Pamphylien, 1./2. Jh. n.Chr.) besitzen wir eine zweite
Altarwidmung der Diaspora (neben der seit langem bekannten
Altaraufschrift aus Pergamon „Gott der Herr, der in Ewigkeit
ist"), die auf einen Gottesfürchtige!! zurückgehen kann.
Bestätigt sich die Zuordnung, opferten gottesfürchtige Heiden
dem einen Gott an ihren Heimatorten; die Jerusalemer Kultzen-