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Ausgabe:

1995

Spalte:

421-423

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schuman, Niek A.

Titel/Untertitel:

Gelijk om gelijk 1995

Rezensent:

Noort, Edward

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421

Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 5

422

mus - Deuteronomismus - Judaismus (257-260). Von den
Dtn/Dtr Schriftstellern schreibt P.108: ..Unbeantwortet bleibt
freilich auch hier die (sozial- und institutionsgeschichtliche)
Frage, wer eigentlich diese Menschen waren...". Man erwartet
sehr gern eine Antwort sowohl auf diese Frage als auch auf die
Frage von der Herkunft der dt ..Bewegung".

Mit Bibelstellen- und Autoren-Verzeichnis wird das Buch
beendet.

Kopenhagen Eduard Nielsen

Schuman. Niek A.. Gelijk om gelijk. Verslag en balans van
een discussie over goddelijke vergelding in het Oude Testament
. Amsterdam: VU Uitgeverij 1993. XII, 590 S. gr.8<>.
ISBN 90-5383-263-7.

Die von Niek Schuman 1993 der Freien Universität Amsterdam
vorgelegte Dissertation über die Vergeltung im Alten Testament
ist die wohl umfangreichste Aufarbeitung der Diskussion
über den Stein, den Klaus Koch 1955 mit seinem Aufsatz „Gibt
es ein Vergeltungsdogma im Alten Testament'.'"1 in den Teich
der alttestamentlichen Theologie warf.

Nach den einleitenden Kapiteln über das traditionelle Gottesbild
und Vergeltung im AT (1-83), entfaltet Kap.IV die These
von Klaus Koch (84-132). Die Kap.V-IX (133-427) beschreiben
und werten die Diskussion, zunächst exemplarisch anhand
von Lexika und einigen Kommentaren (V: 133-160). danach in
Bezug auf die wichtigen Lexeme, die im Sprachbeweis Kochs
eine große Rolle spielen (VI: 161-208), und schließlich wird in
einem kanonisch angelegten Durchgang durch das ganze AT
dem Wert der These in Texten und Themen des Pentateuch
(VH:209-276), der Propheten (V11L277-356) und der Ketubim
(IX:357-427) nachgegangen. Jeder Teil enthält eine wertende
Zwischenbilanz (157-160, 205-208, 274-276, 353-356, 426f.).
In einer Endbilanz (Kap.XI. XII: 428-506) formuliert Schuman
den Gewinn der These Kochs und der Weiterführung durch seine
Mitstreiter und Kontrahenten.

Ein .persönliches Nachwort', in dem Schuman zustimmend
van Ruler zitiert-, eine Übersicht über das Lexem „Vergeltung"
in den gängigen Übersetzungen und die Lexeme im MT und
den Versiones, eine Bibliographie und ein Sach-, Verfasserund
Textregister sowie eine deutsche und eine englische Zusammenfassung
runden die Dissertation ab.

Fs handelt sich um mehr als eine rein forschungsgeschichtliche
Arbeit. Seh. hat es sich zum Ziel gesetzt, nicht nur die Teilbereiche
, die bis jetzt diskutiert wurden (vor allem Semantik.
Recht. Propheten und Weisheit) zu evaluicren. sondern das gesamte
alttestamentliche Belegmaterial in Bezug auf die Koch-
sche These einer Prüfung zu unterziehen (158). Das Buch ist
behutsam und engagiert zugleich geschrieben. Sch. fragt klug
und präsentiert sein schrittweises Abwägen in einer Weise, daß
auch Nicht-Spezialisten den Argumentationsvorgang nachvollziehen
können. Ein etwas strafferes Vorgehen wäre aber gelegentlich
erwünscht.

Schuman nimmt also den Feldzug Klaus Kochs gegen die
.luridomanie' der Alttestamenter (und nicht nur sie), nach dem
ein Gottesbild von JHWH als höchstem Richter konstruiert
wurde und seinen Gegenvorschlag den Zusammenhang von
Tun und Ergehen wegen einer „lexikalische Lücke" im Hebräischen
für „Strafe, Vergeltung", einer Doppeldeutigkeit für Wörter
wie ..Sünde", die nicht nur die Tat selbst, sondern auch die
Folgen dazu beinhalten sowie der ..Dingähnlichkeit" der alttestamentlichen
Vorstellungen als ..schicksalwirkende Tatsphäre"
zu beschreiben, zum Anlaß zu fragen, in welcher Weise die
diese Kochs und die darauffolgende Diskussion die Sicht auf
das Gottesbild des AT geändert haben.

Als Hauptanfrage an Koch stellt sich die von Horst (und später
von Knierim und Hubbard) verfolgte Linie heraus, nach der
die Gerechtigkeit Gottes mit dem Tun-und-Ergehen-Zusam-
menhang korreliert, der Zorn Gottes aber mit einem willentlichen
Eingreifen Gottes (136). Dieser Befund wurde von Kraus
mit der Frage: „Wie verhält sich dann das personale Reagieren
Gottes zu der ontologischen Sphäre der .immanenten Nemesis
'?" (152) auf den Punkt gebracht. Als erstes Zwischenergebnis
ist dann festzuhalten, daß es sich bei diesen beiden Polen
nicht um ein Nacheinander, auch nicht um ein Gegeneinander,
sondern vielmehr um ein Ineinander handelt (158).

Sch. findet dies in der Wortforschung bestätigt. Scharbert.
Schottroff, Groß, Fabry, Niehr und Knierim haben bei den Wurzeln
slm, pqd, zkr, swb, spt festgestellt, daß auch hier die Rechtselemente
nicht fehlen. Außerdem soll nicht nur Wortforschung
betrieben werden, denn gerade die Syntax spielt hier eine gewichtige
Rolle. Die Vermutung wird geäußert, daß Kochs vollständige
Verneinung einer Vergeltungslehre auch aus Angst für
ein allzu anthropomorphes Gottesbild geboren sei.

Ein Durchgang durch den Pentateuch bestätigt das Ineinander
von Rechtsdenken und Ganzheitsdenken auf den Feldern von
Schuld. Geschick, Tragen der Schuld und Vergebung. Das gilt
auch für das umstrittene Thema der Blutschuld und für Segen
und Fluch. Dabei soll wohl festgehalten werden, daß die göttliche
Vergebung mehr ist als jede schicksalhafte Gesetzmäßigkeit
(275).

Bei den Frühen Propheten (vor allem die Aehan- und Abime-
lecherzählung. die Thronnachfolgegeschichte und beim Verhältnis
Elia/Achab) kommt Sch. zwar zum Ergebnis einer .immanenten
Nemesis', bezeichnet den Zusammenhang von Tun und
Ergehen hier aber als den Modus der Präsenz JHWHs (3531.).
Die auch an dieser Stelle besprochene Chronik bietet nach Sch. -
anders als vielfach in der Forschung behauptet - vielfache Möglichkeiten
, Unheilskettcn zu durchbrechen.

Bei den Schriftpropheten spitzt sich die Fragestellung auf das
Verhältnis von Scheltwort und Drohwort (Koch: Lagehinweis
und Weissagung des Unheils) (313) und auf die Möglichkeit der
Umkehr zu. Schuman unterscheidet hier drei Gruppen:

a) Weiser/Wolff/W.H.Schmidt (Primat des Drohwortes):

b) Koch/J.M.Schmidt/Stolz (Gleichwertigkeit des Droh- und
Scheltwortes):

e) Bubcr/Fohrer/Kcel (Primat des Scheltwortes, damit Umkehr
stattfindet und die Realisierung des Drohwortes nicht geschieht).
Schuman ordnet sich selbst der dritten Gruppe zu und sieht deswegen
die Schriftprophctie letztendlich nicht in einem Tun-und-
Ergehen Zusammenhang gefangen (355).

Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dynamistisehen und
rechtlichen Kategorien in der Beschreibung des göttlichen Handelns
(Knierim: "Ganzheitsdenken" und "Rechtsdenken") ist für
Schuman auch das Raster, mit dem er die Weisheitstexte und den
Psalter analysiert. Hier, wie bei den Propheten, findet er. daß die
dynamistische Kategorie den Modus des Handelns JHWHs darstellt
. Nicht nur Hiob und Prediger, sondern auch die Proverbien
zeigen die Grenzen und Widersprüche im Tun-und-Ergehen-
Zusammenhang. Es handelt sich um eine ideale, erhoffte Erfahrung
und Realität (427), nicht um eine ontologisehe (Koch).

In der abschließenden Bilanz wird zuerst Kochs Verwendung
des Begriffes ..Vergeltung" als Tat eines Richters, der als übergeordnete
Größe nach vorgegebenen Normen kasuistisch abgestuft
handelt, moniert. Zuerst bezieht „Vergeltung" sich auf eine Gegenleistung
(positiv oder negativ) und ist nicht auf die Welt des
Rechts beschränkt. „Vergeltung" ist, nach Sch.. auf Tauseh und
Vergütung, auf Verhältnismäßigkeit und Gleichgewicht ausgerichtet
und wird gekennzeichnet durch Gleichwertigkeit und
Gleichartigkeit (439). So hat „Vergeltung" zwar rechtskategoria-
le Aspekte, aber nicht ausschließlich, und rechtskategoriale
Aspekte implizieren nicht immer ein richterliches Handeln.