Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1995 |
Spalte: | 334-337 |
Kategorie: | Neues Testament |
Autor/Hrsg.: | Brown, Raymond Edward |
Titel/Untertitel: | An introduction to New Testament Christology 1995 |
Rezensent: | Schweizer, Eduard |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
333
Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 4
334
Wiederholt behauptet W.. die von Noth als ..Dir be/eich- bewertet (98). Andererseits aber wird er einer alteren ..Deutung
nete - Deuteschicht sei nicht einheitlich, sondern vielschichtig. in Erzählungen und Berichten" gewahr (1 Uff), die das ..W.rken
Ein wichtiges Argument dafür ist ihm. daß nach dem Richter- Gottes" nicht nachträglich und künstlich ans Geschehen heranbuch
das Volk nach den Königsbüchern die Könige den Zorn trägt, sondern es als Te.l der ..einlachen) W.rkl.chke.t" bcgrc.tt
Gottes herausforderten. ..Im Konzept eines Geschichtswerkes (121). Die Unterscheidung ist iragwürd.g. Wo in den alttesta-
müßte dieser Widerspruch bemerkt und beachtet worden sein" mentlichen Geschichtsbüchern gibt es deutungstre.e Ge-
(III). Doch wie sollten sich Könige schuldig machen, wenn es Schichtsdarstellung, wo ist d.e Deutung noch reflex.onstrei, wo
noch keine gab? Und sind schuldige Herrscher eine Entschuldi- ist sie wirklich gesch.chtslremd ?
gung für ihr Volk ' Nicht von ungefähr hebt die große Abrech- Innerhalb der dir Deuteschicht unterscheidet W. zwei ver-
nung mit dem Nordreich Israel in 2Kön 17 viel mehr die Schuld schiedene Ausrichtungen: eine, d.e er als „Gebotsparanese",
des Volkes als die der Könige hervor. Mir scheint. W.s Attacke und eine, die er als „Gesetzesparänese" bezeichnet. D.e erste
auf die Hypothese vom deuteronomislischen Geschichtswerk ist rühmt die großen Taten Gottes und mahnt daraufhin m werben-
fehlgeschlagen Doch steht sie. wenn ich recht sehe, gar nicht dem Ton zur Einhaltung des ersten Gebotes, die zweite beklagt
Mi. Zentrum, ist nicht einmal die notwendige Konsequenz seiner die großen Sünden Israels und fordert daraufhin in warnendem
Bemühung um d.e biblischen Geschichtsbücher. Sein Impetus Ton das Halten des ganzen Gesetzes (1271 ). Steht d.e eine
gilt in erster Linie den vor-dtr Quellen. Diese waren, davon ist noch der Volksfrömmigke.t nahe, setzt d.e andere den Stand der
er Uberzeugt großenteils nicht von vornherein schriftlich ver- Gesetzeslehrer voraus (130. 132). Im Deuteronom.um bew.rkt
faßte Texte sondern ..in ihrem Frühstadium lebendige Worte" die Paränese insgesamt die Umwandlung e.nes ursprüngl.chen
(31). Deshalb sei auf sie die formgeschichtliche Methode anzu- Staatsgesetzes in ein Gottesgesetz, dessen Enthaltung nicht
wenden. Dem einschlägig geschulten Blick zeigen sich in den mehr durch staatliche Autorität erzwungen, sondern dem Indi-
Buchem Exodus bis Könige, in unterschiedlicher Verteilung. viduum ans Herz gelegt werde (13411). SoIch interessante sozi-
sechs verschiedene Grundformen: kleine Formen (Genealogien, algeschichtliche Thesen verdienen es. redakt.ons- und theolo-
Itinerare. Notizen), Erzählungen (von Familien- bis Geschichts- giegeschichtlich fruchtbar gemacht zu werden,
erzählung). CJeschich.sberieh.e. Sammelberichte. Mischformen Nicht nur an diesen Stellen .st d.e Hand des Altmeisters zu
sowie Deutetexte (in Gestalt von Reden. Rahmungen und kon- spüren. Mit sicherem Gespür erkennt er das Josuabuch als
eruierten Erzählungen) (41 -78). Diese Kategorien werden dann durch und durch von .Deutung" (spnch: dtr) geprägt und kon-
noch einmal je für sich beschrieben und den verschiedenen statiert seine Entstehung ...n einem spaten Stadium" (50). UmGeschichtsepochen
zugewiesen (79-98). Als Ergebnis schält gekehrt seien die Großerzählungen der Samue bucher last Ire.
sich heraus daß in sämtlichen biblischen Geschichtsbüchern von .Deutung' (worüber sich durchaus stre.ten laßt!), und dann
unmittelbar mündliche Überlieferung verarbeitet ist. freilich in äußere sich Respekt für ..schöne Literatur" in die man nicht
händig abnehmender Quantität, relativ am wenigstens also in eingreifen kann, ohne störend zu w.rken" (58) D.e Geschichte
den Königsbüchern. Umgekehrt nimmt die Tendenz zu schritt- von Davids Aufstieg (m.E. noch eher die Throntolgegesch.chte)
licher Geschichtsdarstellung und -deutung mit der Zeit zu. So markiere den Ubergang von einer noch lam.l.ar geprägten Welt
«igen laut W die ein/einen Bücher je verschiedene formge- zu einer schon polit.sch organisierten, indem sie d.e Geschicke
schichtliche Profile sind also je für sich entstanden - und zwar des Staates als abhängig von den R.val.laten und Freundschal-
'eitlieh nahe an dem ..Geschichtsabschnitt.... von dem sie be- ten in der Kön.gstam.l.e schildere (621).
richten" (122) Wcr d'es Bucn /ur H mmmt. wird immer wieder durch
Hier kommt eine erstaunlich konservative Tendenz zum Vor- solch überraschende Einsichten, generell aber durch den sou-
schein. Während die deduktiven" Partien der Gcsehichtsbü- veränen Umgang mit dem v.elsch.cht.gen Textmater.al und die
eher, die nach vorgefaßten Konzepten die Vergangenheit deuten. Unabhängigkeit des Urteils beeindruckt sein-und sollte sieh
historischer Kritik unterliegen, verdient die ..induktive" Ge- diesen Eindruck auch durch den etwas eklektischen Umgang
Schichtsdarstellung in der Zeugen faktisch Erlebtes mitteilen. mit der Sekundärliteratur sow.e d.e z.ahlre.chen Drucklehler
historisches Zutrauen (10). Man darf davon ausgehen, „daß die (ich fand deren, ohne sie zu suchen, über lunlzig) nicht allzu-
kurzen. in sich geschlossenen Worte, die durch eine Form ge- sehr stören lassen.
Prägt sind, durchweg den frühen Schichten angehören" (33).
Auch „kurze, einfache Erzählungen mit einem einfachen Hand- Bern Waller Dietrich
hingsablauP „eine mehr konkrete Sprache" und betonter ..Geschehenscharakter
" anstelle abstrakter Gedanklichkeit lassen auf
frühe Entstehung und geschichtliche Authentizität schließen
(ebd.). Neues Testament
Die kurzschlüssige Verbindung von Literalurformen und Zeitebenen
ist höchst problematisch. Das von Gerhard v. Rad entdeckte
.kleine geschichtliche Credo' wird wieder eher der Früh- Brown. Raymond E.: An Introduction to New Testament
zeit zugewiesen (82) - obwohl es längst als späte Zusammenlas- Christology. New York-Mahwah: Paulist Press 1994. XII,
sung der Heilsgeschichtc erwiesen ist. Vermutlich junge Erzäh- 226 S. 8«. Kart. $ 9.95. ISBN 0-8091-3516-7.
lungen wie Gen 22. Ex 17.81T. Ri 3.7IT wirken .kurz' und .einfach
', die alte Thronfolgegeschichte aber lang und komplex. Raymond Brown hat als katholischer Priester bis zu seiner
Gehen wirklich die vielen „Notizen" in 1 Kön I -11. nur weil sie Emeritierung als Professor am (evangelischen) Union Theologi-
knapp und (scheinbar) sachlich gehalten sind, „bis auf die Regie- Cal Seminary New York gewirkt. Wie immer, wenn ich ihm
rungszeit Salomos zurück" (68)? Darf man mit einer „Wüsten- begegnete, habe ich mich jetzt auch an seinem Buch gefreut. Es
zeit" als historischer Epoche in der Frühzeit Israels rechnen, weil ist so geschrieben, daß jeder einigermaßen Gebildete es verste-
die sog. Murr-Erzählungen „mündlich entstanden" und darum hen kann. Unter den Abkürzungen kann man auch NT, Q oder
Spiegelungen konkreter „Erfahrungen" seien (42)? ff. nachschlagen, und immer ist sehr deutlich festgehalten, was
Zu den Deutetexten rechnet W. einerseits die „nach dem der Vf. behandeln will und was nicht.
Ende des Staates" entstandene (dtr) Textsehicht. die er als „eine 7W/ / bespricht in Kap. 1 (3-5) "low" und "high christology"
den Texten ursprünglich fremde theologische Deutung", ent- und in Kap. 2 (6-15) die Schattierungen von wissenschaftli-
sprungen „einer nicht mehr geschichtlich denkenden Reflexion. ehern und populärem Konservatismus, Liberalismus und