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Ausgabe: | 1995 |
Spalte: | 254-255 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Autor/Hrsg.: | Permien, Andreas |
Titel/Untertitel: | Protestantismus und Wiederbewaffnung 1950-1955 1995 |
Rezensent: | Klän, Werner |
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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 3
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der Zusammenschau mit weiteren Quellen kann M. im Bezug
auf Petersens dortigen jahrelangen pastoralen Dienst beachtlicherweise
„kaum Spuren einer spezifisch pietistischen Wirksamkeit
" (130) feststellen. Breiten Raum nimmt eine sorgfältige
Analyse des 1683/84 entstandenen und später überarbeiteten
„Spruch-Katechismus" und einer nur handschriftlich erhaltenen
Auslegung zu Römer 7 ein. Insbesondere in der letzteren findet
M. bereits alle Grundaussagen der später so anstößigen Theologie
Petersens, allen voran seine Lehre vom Chiliasmus. Positiv
hervorzuheben ist hier die von M. vorgenommene Gegenüberstellung
einzelner Gedanken Spencrs mit denen Petersens, in
der das unterschiedliche Geschichtsverständnis beider klar hervortritt
.
Dem Sachverhalt angemessen wird in einem fünften Abschnitt
(198-330) sehr umfassend Petersens Wirken als Superintendent
in Lüneburg in den Jahren 1688 bis 1692 dargelegt. In
seiner Beschreibung der ersten Jahre von Petersens dortiger
Tätigkeit kann M. aufgrund sorgfältiger Archivstudien aufzeigen
, daß dessen Sichtweise in der von ihm gegebenen Lebensbeschreibung
nicht der wahren Situation entsprach. Der eigentliche
Grund für die gleich zu Beginn seiner Lüneburger Amtszeit
einsetzenden Auseinandersetzungen zwischen den dort tätigen
Pastoren mit ihrem Superintendenten war nicht - wie es
Petersen meinte - sein öffentliches Eintreten für den Chiliasmus
, sondern seine Amtsführung, bei der er seine Machtstellung
ausnutzen wollte.
Innerhalb der Schilderung von Petersens Lüneburger Jahre
(254-301) geht M. intensiv auf die Visionärin und Prophetin
Rosamunde Juliane von der Asseburg (1672-1712) ein, die seit
dem Frühjahr des Jahres 1691 im Hause der Petersens lebte. M.
zeichnet von dieser außergewöhnlichen Frau - wieder infolge
gründlicher Arbeit in verschiedenen Archiven - ein vielschichtiges
Bild, mit dem es ihm gelingt, das Phänomen dieser Gestalt
im frühen Pietismus aufzuhellen. Ersichtlich wird durch die
Ausführungen von M.. daß beide Petersens in den Visionen der
Rosamunde eine Bestätigung ihrer spektakulären exegetischen
Auffassungen fanden.
Anhand der erhaltenen Akten kann M. abschließend sehr
genau das Ende der kirchlichen Karriere Petersens in den Jahren
1691/92 beschreiben. Zwar war der äußere Anlaß für die wiederaufkommenden
Streitigkeiten in der Lüneburger Pfarrerschaft
, die bis hin zum Konsistorialprozeß in Celle reichten,
Petersens chiliastische Theorien und seine Unterstützung der
Enthusiastin R. J. von Asseburg, doch lag der tiefere Grund für
die letztendliche Amtsenthebung abermals in der Machtkonfrontation
zwischen dem Superintendenten und dem Geistlichen
Ministerium der Stadt. M. zeigt auf, daß es für Petersen genügend
Möglichkeiten gab, den Konflikt zu entschärfen, die dieser
allerdings bewußt nicht nutzte.
Der eigentlichen Lebensbeschreibung angefügt wird von M.
ein kurzer sechster Teil (331-340). in dem er einige, sehr persönlich
gefärbte Gedanken zu Petersen als Theologen vorlegt.
Anlaß dafür mag die Empfindung sein, daß in einer Biographie
mehr der äußerliche Werdegang einer Person als die Entwicklung
und Bedeutung seiner Gedanken Beachtung findet. Mit
seinen Ausführungen weist M. darauf hin, daß zur Theologie
Petersens noch weitere Studien notwendig sind.
Ein ungewöhnlich breites Literaturverzeichnis (341-379) veranschaulicht
die intensiven Quellenstudien, die dieser Arbeit
zugrundeliegen (Handschriften aus 39 Bibliotheken werden
aufgezählt). Eine Übersicht (382-387) der bis 1692 erschienenen
Werke der Petersens vervollständigt diesen Anhang.
Am Ende seiner Biographie (329) betont M. ausdrücklich,
daß er vorläufig noch auf andere Literatur verweisen muß, die
das weitere Schicksal von Johann Wilhelm und Johanna Eleo-
nora Petersen beschreiben. Daher wäre es sehr zu begrüßen,
wenn neben dem von M. angekündigten, seperat erscheinenden
vollständigen Werkverzeichnis der Petersens, auch in der gleichen
Qualität die wissenschaftliche Lebensbeschreibung fortgesetzt
würde.
Greifswald Volker Oummelt
Permien, Andreas: Protestantismus und Wiederbewaffnung
1950-1955. Die Kritik in der Evangelischen Kirche im
Rheinland und der Evangelischen Kirche von Westfalen an
Adenauers Wiederbewaffnungspolitik - zwei regionale Fallstudien
. Köln: Rheinland-Verlag 1994. X, 229 S. 8° = Schriftenreihe
des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte. 112.
Kart. DM 32,-. ISBN 3-7927-1422-1.
Diese Trierer Dissertation widmet sich einem wichtigen zeitgeschichtlichen
Thema, kann doch der Konflikt um die Wiederbewallung
der (alten) Bundesrepublik Deutschland als Kristallisationskern
für die Herausbildung politisch-theologischer Mentalitäten
und als Prisma für die Auseinandersetzung der verschiedenen
kirchenpolitischen Gruppierungen gerade im Bereich der
evangelischen Kirchen gelten. Als innen- wie außenpolitischer
Konflikt von großer Bedeutung bis in die Mitte der fünfziger
Jahre wirkt er mit den darin erarbeiteten oder reformulierten
Grundmustern politisch-ethischer Positionen und den neu gewonnenen
oder doch deutlicher als zuvor profilierten Konturen
unterschiedlicher Lager in der EKD bis in innenpolitische Auseinandersetzungen
der achtziger Jahre (Nato-Doppelbeschluß),
ja mutatis mutandis in Regelungsprozesse und -probleme in der
1990 vergrößerten Bundesrepublik nach.
In seiner Einleitung (1-19) profiliert der Vf. als Protagonisten
des Geschehens Konrad Adenauer und Gustav Heinemann, um
sich in einem ersten Hauptteil der politischen Haltung der EKD
1945-1955 zuzuwenden (20-61): er befaßt sich darin auch mit
historischen und organisatorischen Voraussetzungen, um sich
schließlich ,„Ideologische[n|' Voraussetzungen", nämlich dem
„Erbe der Reformatoren" zuzuwenden; erst anschließend werden
die Auseinandersetzungen um die Wiederbewaffnunü in
den Leitungsgremien der EKD verhandelt. Überraschend wen
det sich der Vf. dann dem „Gegenpol" Konrad Adenauer und
seinem Geschichtsverständnis, auch seinen „linkskatholischen"
Gegenspielern zu (62-74). Danach erst folgen die eigentlichen
Fallstudien um die „Diskussion über Wiederbewaffnung und
Deutschlandpolitik" in EKiR (75ff.) und EKvW (131 IT.). Ihnen
folgt ein Exkurs über Hermann Ehlers und den Evangelischen
Arbeitskreis der CDU (I90ff.) und das Resümee (I99ff.).
In den beiden Fallstudien gelingt dem Vf. auf dem Hintergrund
der territorialkirchengeschichtlichen Bedingungen eine
hilfreiche Rekonstruktion der internen Auseinandersetzungen
um Wiederbewaffnung und Deutschlandpolitik, eine klare Profilierung
der wort- und federführenden Gestalten und eine
erhellende Analyse der Motive agierender Gruppen und Instanzen
in den beiden unierten westdeutschen Landeskirchen.
Die Anlage der Arbeit führt allerdings zu einer ganzen Reihe
Überflüssiger Dubletten: Was bereits an der Gestalt Heinemanns
gezeigt war, wird bei der Schilderung der Abläufe in der EKD
wiederholt, kommt bei der Schilderung Adenauers erneut zur
Sprache, um schließlich noch einmal in den Fallstudien zu
Rheinland und Westfalen aufzutauchen. Andererseits findet
eine merkwürdige Verquickung von Zeiten statt, wenn z.B. von
der heutigen Struktur der EKiR (nach dem Presbyter-Handbuch
) ausgegangen wird, sonst aber Sachverhalte aus der Zeit
des Kirchenkampfs bzw. der 40er Jahre verhandelt werden.
Der Vf. hat in der Einleitung darüber reflektiert, wie sich
„nüchterne!n| Beurteilung von Fakten" und die Abgabe von
„moralischen oder politischen Werturteilen" in der Arbeit des
Historikers zueinander verhalten (6f.). Ärgerlich ist freilich, daß