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Ausgabe:

1995

Spalte:

238-240

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Witte, Markus

Titel/Untertitel:

Vom Leiden zur Lehre 1995

Rezensent:

Strauß, Hans

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Theologische Literaturzeitung 120. Jahrgang 1995 Nr. 3

238

(eine Synopse ist im Anhang beigefügt) sowie die als hergebracht
abgewiesene alternative Betrachtung von Poesie und
Prosa (21) zunächst Distanz vom Gängigen gewähren. Die eingeschlagene
Richtung wird deutlich, wenn der Vf. in der konstatierten
Mischung von Prosa und Poesie einen ,Anlaß zur
Literarkritik' sieht (26). Die Auffassung von .schriftstellernder
Prophetie' (für ihn vornehmlich Wellhausen) und literarkriti-
seher Ansatz werden demnach hier verbunden.

Anhand von Wiederholungen. Leitworten und wiederkehrenden
Strukturmerkmalen (.Rückfrageschema') arbeilet der Vf. ,7
redaktionell bearbeitete Texteinheiten' (25-29) heraus, deren Betrachtung
im einzelnen (29-60) davon ausgeht, daß geringere
Komplexität für die ursprünglichste Textstufe spreche. So wird
die erste Texteinheit zum .Modell' und .Maßstab für den Quervergleich
' und ihre .Regel des Bauprinzips' zur primären Vergleichsgröße
(31.33.50), was angesichts der Schriftstellerhypo-
these zunächst ebenso überrascht wie die Trennung zwischen
Grund- und Bearbeitungsschicht (611.). Gemäß der Summe des
Abschnitts (65). wonach ein vorgegebener .zentralsymmetrischer
poetischer Bau' eine .linear/sequenzialsymmetrisehe prosaische
Ausrichtung' erfahren habe, muß aber nach Ansicht des Vf.s die
Sehriftstellcrhypothese auf zwei Ebenen in Ansehlag gebracht
weiden.

Die Frage nach den .Formregeln' (67-102) mit ihren wiederum
um .Quervergleich' orientierten .Rekonstruktionen formae causa
', denen wegen der geringfügigen Bearbeitung die Texteinheiten
1,5 u. 6 als .textinterne Vorbilder' (67) dienen, führt zu einem
Kern mit jeweils 4 Grundelementen, nämlich Aussage (A),
Rückfrage (R), Erläuterung (E) und Bestätigung (B), der vom Vf.
als ,Argumentationswort' um die .pivotmäßige Anlage A-R-F'
bezeichnet wird (851.). Gattungsgesehichtliehc Vorbilder (89ff.)
sieht er vornehmlich in einigen Ez-Texten und in der hellenistischen
Chric. was ihn trotz der poetischen Durchformung zu der
Annahme veranlaßt, es handele sich um ein nachpoetisches/
nachprophetisches „Produkt gelehrter Schreibstubenarbek"
(100), das einen gebildeten Verfasser mit katechetischen Interessen
aus dem Umkreis des Jerusalemer Tempels voraussetze. -
Ein überaus bedächtiger Redaktor habe durchgängig rhetorisie-
rend eingegriffen, indem er das erste Argumentationswort zum
Exordium konzipierte und die weiteren Worte zu insgesamt 4
• Predigten' (107-125) redigierte, die jetzt auf eine Conclusio
zulaufen. Eine explizit titularische Auffassung von .Maleachi'
wie auch die Einfügung neuer Leitworte (,Levi' etwa) setzten
dabei ebenso Akzente wie die .Prosaisierung' und .Entmetapho-
risierung' der Vorlage mit pointierender und aktualisierender
Absicht: ein wiederum .priesterlicher Schriftsteller' redigierte
das Siebenerwort zu einer homiletischen Streitschrift mit ähnlichem
, also katechetischem Sitz im Leben (1361.).

Bereits der Umfang des folgenden Abschnitts (137-191) unterstreicht
die Bedeutung der Frage nach den .Traditionsbezügen',
denn in Verfolg der doppelten Schriftstellerhypothese muß es für
den Vf. hier darum gehen, anhand der verarbeiteten Stolle sowie
der Art ihrer Durchformung Profile /u erstellen, die Rückschlüsse
auf Entstehungskreise und historische Situierung ermöglichen.
Die im Durchgang der 7 Worte formulierten Konnotationsmatri-
ces (137-177) sind dabei in Hinsicht auf argumentative Stringenz
sowie sprachliche Einfühlung ausgesprochen gelungen, und die
Annahme ..priesterlicher Prophetie" (163) gewinnt Konturen.
Deren markanteste sind vielleicht die einzig ausgesparten Traditionsbereiche
, nämlich der Komplex .Theokratie' sowie das gesamte
chronistische Geschichtswerk (175f.) - Wiederum aktualisierend
trägt der Redaktor Traditionslinien ein, die vor allem seine
Sorge „um Bruch. Gabe und Duehsetzung des zweiten Gebotes
" (190) erkennen lassen. Der wohl wirkmächtigstc Eintrag war
sicherlich der Elias (189). was aber bereits vor dem Hintergrund
der abschließenden Dodekaprophetonkonzeption gesehen werden
müsse.

Mit großem Engagement skizziert der Vf. die .Zeitgenossenschaft
' (193-227), indem er aus literarischer Untersuchung und
historischen Daten ein Netz knüpft, das überraschend engmaschig
gerät: wegen inhaltlicher und thematischer Berührungen
mit dem .Väterlob' Jesus Sirachs (Sir 44,1-50,24) parallelisiert.
ergeben sich für den Vf. die Jahre 210/200 bzw. 190/180 als
Entstehungszeitraum für Siebenerwort und Redaktion, wobei
das Väterlob zeitlich etwa zwischen ihnen stünde. Personell
meint er, den Autor des ersteren entweder im Hohenpriester
Simon dem Gerechten oder seiner unmittelbaren Umgebung
sehen zu können, während der Redaktor dessen Tod (192
v.Chr.) unmittelbar vor Augen und entsprechend Aktualisierungsbedarf
gehabt habe. Das Milieu sei jedenfalls in frühasi-
däischen Kreisen zu suchen. „Mehr ist kaum zu wissen."(225)

Gemessen an dem bemühten Vorbild ist das natürlich sehr
viel. Im Sinne Johnsons dann aber durchaus wieder quergänge-
risch geben die Schlußbetrachtungen (254f.: „Quer über die
(Heise") mit ihrem Bekenntnis zur „Bescheidung ins methodisch
Mögliche und dem Willen zum gedanklich Ganzen" (255)
die eigentliche Zentralperspektive dieser .Monographie' zu
erkennen: der Schlußabschnitt (229-255) erhebt auf den Spuren
Plögers, Petersens und Stecks Profile und Wertungen der Nachbzw
. „Deuteroprophetie', die aus dem definitiven Wandel zur
.Schrift'prophetie einerseits und der Behauptung des Fortbestandes
des .prophetischen Geistes' andererseits einen arg har-
monistischen Reim auf eine geistes- und literaturgcschichtliche
Verschiebung machen. Dies wird in seiner Problematik besonders
dann deutlich, wenn etwa die zur Urtcilsbildung herangezogene
Vorstellung von prophetischer Klassik' (245) oder der
immer noch umstrittene Komplex .Apokalyptik' in ihrer ganzen
Fraglichkeit recht bedacht werden.

Die Selbstbescheidung auf Mutmaßungen mag für diese
möglicherweise unvorsichtigen Schritte auf den Gleiskörper
gleichwohl entschädigen. Ihre Formulierung ist jedenfalls gelungen
.

Dortmund Udo Feist

Witte, Markus: Vom Leiden zur Lehre. Der dritte Redegang
(Hiob 21-27) und die Redaktionsgeschichte des Hiobbuches.
Berlin-New York: de Gruyter 1994. XI, 333 S. gr.8° = Beihefte
zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft.
230. Lw. DM 164,-. ISBN 3-11-014375-5.

Die von O. Kaiser betreute Marburger Dissertation stellt sich
die Aufgabe, die in der Tat bis heute in der atl. Forschung nicht
zufriedenstellend gelösten und immer wieder aufgegriffenen,
gesamtexegetischen Probleme eines sogen, dritten Redeganges
im Buch Hiob (Kap. 21-27) erneut aufzugreifen und diesmal
einer literarisch-redaktionskritischen Lösung zuzuführen. Unter
dieser Zielstellung werden zunächst die entsprechenden wesentlichen
Versuche in der neueren Forschung, differenziert in drei
Gruppen des Integralions-, des Editions- und des Redaktionsmodells
(ausgegangen wird jeweils von einem grundsätzlich
integren, einem dislozierten oder einem |mehr oder weniger]
redigierten Textbestand der gen. Kapitel), vorgeführt und kritisch
betrachtet. Aus deren konstatierbaren Mängeln und Desideraten
ergibt sich für W. der (zunächst voll zu begrüßende)
Schluß, daß die Schwierigkeiten „des dritten Redeganges nur
im Blick auf die Sprachgestalt und die Komposition der ganzen
Hiobdichtung (3,1-42,6) zu lösen" (54) seien. Der zweite
(Haupt-)Teil der Arbeit führt dazu eine vor allem literarische
Analyse der Kap. 21-27 vor, die mit den Versen des vorliegenden
Kap. 25 im Hiobbuch beginnt, weil diese „die kompositio-
nelle und inhaltliche Problematik... der Redaktionsgeschichte
des Hiobbuches in nuce" (54) widerspiegelten. Er hat zum