Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1993

Spalte:

1013-1015

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Reformiertes Erbe 1993

Rezensent:

Rogge, Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

1013

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 12

1014

I Locher, Gottfried W.:] Reformiertes Erbe. Festschrift für
Gottfried W. Locher zu seinem 80. Geburtstag, Bd. 1. Hg. von
H. A. Oberman, E. Saxer, A. Schindler u. H. Stucki. Zürich:
Theologischer Verlag 1992. XII, 475 S., 1 Porträt gr.8° =
Zwingliana, 19,1. ISBN 3-290-10903-8.

Der Rez. von Festschriften befindet sich fast regelmäßig zwischen
Szylla und Charybdis. Soll er den Jubilar, unter dessen
Namen eine Festgabe ja auch bibliothekarisch primär behandelt
wird, oder die bisweilen große Zahl von Beiträgen mit häufig
bedeutsamem Gehalt in den Vorgergrund stellen? Im Falle Gottfried
W. Lochers, seiner Kollegen, Schüler, Freunde potenziert
sich die Schwierigkeit, zumal sich die 29 Autoren des ersten
Pestschriftbandes in Dank, Anerkennung und weiterführender
Aufnahme auf das stattliche Opus des Altmeisters der Zwingli-
Forschung beziehen. Dazu kommt noch der Hinweis, daß in
einem zweiten Festschriftband weitere 25 Aufsätze vorgesehen
sind. Autoren und Themen sind dankenswerterweise im vorliegenden
Band schon angegeben (VI-VII).

Ein wenig schade ist es, daß das „Verzeichnis der Publikationen
" des Jubilars erst im zweiten Band erscheint. Gerade die, die
Gottfried W. Lochers wissenschaftlichen Weg in Jahrzehnten
begleitet oder verfolgt haben, hätten die Werke-Übersicht, die ja
angesichts vieler Beiträge jetzt schon von Fall zu Fall nach dem
ganzen (Euvre fragen läßt, wahrscheinlich gern in Band 1 gesehen
.

Das oben Angedeutete mag als Entschuldigungsbitte verstanden
werden, wenn eine Besprechung in dem angezeigten Rahmen
vieles an und für sich Notwendige zur Würdigung eines
bedeutenden Buches nicht leisten kann. Ganz summarisch darf
festgestellt werden, daß wir hier einen beachtlichen Forschungsbeitrag
in vielseitiger Gestalt, ja notgedrungen ohne thematische
Ordnung, vor uns haben. Das Themen, Personen, Sachen in der
durch Zwingli inaugurierten Reformation aufnehmende Lebenswerk
Lochers, welches in etwa in dem schwer überholbaren
Standardwerk „Die Zwinglische Reformation im Rahmen der
europäischen Kirchengeschichte" (Zürich 1979) kulminiert, findet
nun buchstäblich seine Entsprechung in der weiten Palette
der Festschriftthemenfächerung. Im Umschlagtext des genannten
großangelegten Buches hies es 1979: „Das konzentriert und doch
anschaulich geschriebene Werk ist die erste umfassende, auf der
Grundlage der neuesten Forschungsergebnisse erarbeitete Darstellung
der Reformation in der deutschen Schweiz und ihrer
Rolle in der europäischen Geschichte." „Huldrych Zwingli in
neuer Sicht" (Zürich/Stuttgart 1969) darzustellen, das war
Lochers jahrzehntelang durchgehaltenes Bemühen und dieses im
Rahmen eines Werbens, Zwingli unter der Hauptreformatoren
doch nicht enggeführt auf sein relativ kurzzeitiges Wirken in der
Limmatstadt zu verstehen.

Sachlich und geographisch nachzuweisen, wie intensiv
Zwingli während des Jahrzehnts in Zürich und lange nach seinem
gewaltsamen Tode bei Kappel 1531 gewirkt hat, ist als
Summe der im Genre der Themenwahl und der Darstellung recht
different angelegten Beiträge zu konstatieren. Die Hgg. haben
sich - bis auf die Plazierung des von Hans Ulrich Bächtold
zusammengestellten Registers - dazu entschlossen, die einzelnen
Aufsätze nach dem Alphabet der Verfassernamen zu ordnen. Das
schließt selbstverständlich jeglichen Verzicht auf eine historische
oder systematische Sortierung ein. ist aber schon deshalb
praktisch, weil eine streng sachbezogene Anordnung in gewisser
Weise auch die Quadratur des Zirkels bedeutet hätte. Dieses
Argument legt es auch nahe, den Wert des so facettenreichen
Buches einfach generalisierend anzugeben. Schon die Nennung
einzelner Autoren oder Themenkomplexe wird kaum unanfechtbar
erfolgen können.

Vielleicht ist es den Fachkollegen, die das Werk nicht gleich
in der Hand haben, am willkommensten, wenn der Fächer einigermaßen
vollständig in seiner interessanten Entfaltung vorgestellt
wird, so daß die Möglichkeit besteht, unschwer durch eigene
Lektüre die jeweilige Förderung im behandelten Themenbereich
festzustellen. Themenangabe und Würdigung der Ergebnisse
fallen gewiß dem einzelnen - auch dem Rez. - nicht nur
schwer, sie sind angesichts der weitgespannten Forschungsvorhaben
einigermaßen ausgeschlossen.

Der international Zusammengesetze Kreis der Autoren zeigt
sowohl die Breite der Aufnahme einer Forschungleistung des
Jubilars als auch den Beziehungsreichtum reformatorischer Ansätze
des Magisters Zwingli. Folgende behandelte Themenschwerpunkte
fallen auf:

1. Direkt zum literarischen Werk Zwingiis votieren: Ch. Burger
(Die Entwicklung von Zwingiis Reden über Gottes Güte,
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit), H. Stickelberger (Die Stimme
von den Bänken; Gemeindeprophetie bei den Apostolischen
Vätern und bei Zwingli), G. Zimmermann (Der Artikel „De
Deo" in Zwingiis „Commentarius de vera et falsa religione").

2. Einzelne reformatorische Initiativen Zwingiis behandeln: G.
Aeschbacher (Zwingli und die Musik im Gottesdienst), M.
Brecht (Die Reformation des Wittenberger Horengottesdienstes
und die Entstehung der Zürcher Prophezei), E. Furcha (Women
in Zwinglis's World), W. Kettler (Johannes Fries - „Günstling"
Zwingiis, Lexikograph und Pädagoge), Y. Morita (Zürich und
die Reichsstädte; Zwingiis Bündnispläne), H. Scholl (Nit fürchten
ist der Harnisch; Pfarramt und Pfarrerbild bei Huldrych
Zwingli).

3. Die in der neuen Forschung immer stärker - u.a. von Fritz
Büsser - herausgearbeitete Weiterführung des Reformationswerkes
Zwingiis durch Bullinger wird untersucht von H. Bächtold
(Ein starkes Wort zur falschen Zeit; Heinrich Bullingers Schrift
„Wider den frevlen kelchstemppfel" aus dem Jahre 1527), J.
Baker (Christian Diszipline, Church and State, and Toleration:
Bullinger, Calvin and Basel 1530-1555), E. Bryner (Ein Brief
Heinrich Bullingers an den Fürsten der Moldau aus dem Jahre
1563), M. Jenny (Reformierte Kirchenmusik? Zwingli. Bullinger
und die Folgen), P. Sanders (Heinrich Bullinger et le „zwinglia-
nisme tardif' aux lendemains du „Consensus Tigurinus").

4. Zwingiis Stellung unter den anderen Reformatoren ist
Gegenstand der Untersuchung bei H. Eßer (Die Stellung des
„Summaire" von Guillaume Farel innerhalb der frühen reformierten
Bekenntnisschriften), E. Fabian (Zur Biographie und zur
geplanten Erstausgabe der Briefe und Akten von Oswald Myco-
nius und seiner Basler Mitarbeiter), K. Hammer (Der Reformator
Oekolampad 1482-1531), W. Stephens (The Place of Predestina-
tion in Zwingli and Bucer).

5. Zwingiis Auseinandersetzungen mit den (Ana-)Baptisten
widmen sich E. McKee (The Defense of Schwenckfeld. Zwingli,
and the Baptists, by Katharina Schütz Zell), H. Pipkin ("The
went out from us, for they were not of us"; Zwingli's Judgment
of the Early Anabaptists).

6. Des Reformators Weiterwirken nach seinem Tode in den
reformatorischen Kirchen bis in die Gegenwart hinein findet
Darstellung bei E. Campi („Conciliazione de dispareri"; Bernar-
dino Ochino e la seconda disputa sacramentale), E. Koch (Beobachtungen
zur Vorgeschichte der confessio Helvetica Posterior).
M. Körner (Bilder als „Zeichen Gottes"; Bilderverehrung und
Bildersturm in der Reformation), E. Rüsch (Zwingli im Diarium
Johannes Rütiners), H. Stucki („Ergo legitima decernitur"; ein
komplizierter Fall vor dem Zürcher Ehegericht, 1534), P. Winzeier
(Zwingiis sozialökonomische Gerechtigkeitslehre - heute
wiedergelesen).

7. Auffällig bei dem reichen Themenspektrum ist es. daß aus
der Frühzeit Zwingiis relativ wenig zum Gegenstand der Erörterung
gemacht worden ist. Aus der Zürcher Frühzeit (1521/22)
stellt der Mitherausgeber des Festschriftbandes A. Schindler
immerhin eine Quelle vor (Die Klagschrift des Chorherrn Hof-