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Ausgabe:

1993

Spalte:

211-212

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Klimkeit, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Der Buddha 1993

Rezensent:

Tröger, Karl-Wolfgang

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Seite 1

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211

Theologische Literaturzeitung 118. Jahrgang 1993 Nr. 3

212

Karl-Fritz Daiber unter der Überschrift „Alltagssynkretismus
und dogmatische Tradition" zu sagen hat. Diese Seite der Synkretismusproblematik
ist bisher völlig ungenügend zur Kenntnis
genommen und bearbeitet worden, obwohl heute in breitesten
Kreisen „nicht der Synkretismus der Religionsgeschicht-
ler" fasziniert, sondern „jene Synthese unterschiedlicher religiöser
Traditionen, in der persönliche Orientierung gesucht
wird" (112f). Letzteres wird auch deutlich, wenn Volker Dreh-
sen am Beispiel der Beatniks „Synkretismus als jugendliches
Protestverhalten" recht detailliert untersucht und Christof
Schorsch kenntnisreich „New Age als synkretistisches Phänomen
" charakterisiert. Von seiner Analyse der New Age-Bewe-
gung ausgehend kann Schorsch feststellen: „Synkretismus allein
kann also kein Vorwurf gegen eine Bewegung sein, und
schon gar nicht ein mit christlich erhobenem Zeigefinger hervorgebrachter
. Denn dann wiesen alle anderen Finger auf einen
selbst zurück" (142).

Michael von Brücks „Christliche Mystik und Zen-Buddhis-
mus" zeigt „synkretistische Zugänge" auf. Wolfgang Greive
fragt abschließend provokativ: „Neu glauben? Christlicher
Glaube als Synkretismus und Narzißmus". Er sieht Zusammenhänge
zwischen „dem negativen Synkretismus und dem pathologischen
Narzißmus", aber auch zwischen „positivem Synkretismus
und gestaltetem Narzißmus" (175). Das fordert zum Widerspruch
, in erster Linie aber zur Prüfung bisheriger traditioneller
theologischer Denkmuster heraus.

Letzteres gilt für den Sammelband insgesamt. Die Frage
nach Möglichkeit und Grenzen eines „christusorientierten Synkretismus
" als Chance oder Versuchung muß angesichts der
globalen religiösen Entwicklung und Herausforderungen ganz
oben auf der Themenliste von Kirche und Theologie bleiben.

Halle (Saale) Helmut Obst

Klimkeit, Hans-Joachim: Der Buddha. Leben und Lehre.
Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1990. 244 S. 8° = Urban
-Taschbücher, 438. Kart. DM 22,-.

Das handliche Buch ist sehr übersichtlich gegliedert und enthält
drei Kapitel: I. Die Qeullen zu Buddhas Leben und Lehre,
II. Das Leben des Buddha, III. Die Lehre des Buddha.

Im Vorwort bezeichnet es der Vf. als das „Anliegen" des
Bandes, „die historische Buddha-Forschung der letzten fünf
Jahrzehnte für ein breiteres Publikum zusammenzufassen" (9).
Gleichwohl handelt es sich nicht um ein populärwissenschaftliches
Buch, sondern um eine gediegene und anspruchsvolle
Darstellung von Buddhas Leben und Lehre, die dem Leser einiges
abverlangt, ihm dafür aber auch viel gibt.

Der Autor orientiert sich nicht allein am Pali-Kanon. Er will
auch „den nordbuddhistischen Sanskrittraditionen verschiedener
frühbuddhistischer Schulen gerecht werden..., sind die Sanskrittexte
der nördlichen Hinayäny-Richtungen (...) doch die Grundlagen
von Übersetzungen ins Tibetische und Chinesische gewesen
, nicht die Päli-Texte...". Aber gerade jene Sanskrittexte sind
„bisher nicht in gebührender Weise in eine allgemeine Gesamtdarstellung
des Buddha-Lebens einbezogen worden". Diesem
Mangel will Vf. abhelfen, um ein „differenzierteres Bild" vom
Buddha zu gewinnen und auch „verschiedene Stufen der Legendenbildung
" erkennbar werden zu lassen (9).

In der Einleitung wird bereits auf vieles eingegangen, was
für das Verständnis des Buddha von grundlegender Bedeutung
ist: die „Kennzeichen der Lehre des Buddha" (Gleichheitsprinzip
gegenüber dem brahmanischen Kastenwesen, Vorrangigkeit
des Geistigen gegenüber dem Körperlichen), Buddhas Stellung
zu Welt und Politik, die geistige Wirklichkeit hinter der weltlichen
Wirklichkeit, die Bedeutung der Bildersprache und Symbolik
, die kerygmatische Intention der Texte (!) und die Un-
trennbarkeit von Leben und Lehre des Buddha. Ausführlich
geht der Vf. auf die unterschiedliche Ansetzung der Lebensdaten
des Buddha ein und plädiert für „etwa 450-370 v.Chr. (mit
einem Spielraum von jeweils 10 Jahren)" (24).

Wer sich über die „Quellen zu Buddhas Leben und Lehre"
informieren will, kann dies auf den Seiten 25-48 tun und erfährt
dort auch das Nötige über „Buddha-Biographien" und „Frühe
buddhistische Schulen als Träger verschiedener Buddha-Konzeptionen
" (!) - im einzelnen über die (zu verneinende) Frage
eines gemeinsamen Urkanons, die Annahme „einer gemeinsamen
mündlichen Urtradtion", die Bedeutung der Sanskrit-Quellen
, die Spaltungen und Schulen des frühen Buddhismus - sowie
über „Die Haupttexte der Buddha-Legende".

Der Hauptteil des Buches (49-160) ist dem Leben des Buddha
gewidmet - von seiner Geburt, seiner Jugend, dem Kennenlernen
der Welt (die „vier Ausfahrten") und dem Auszug in die
Hauslosigkeit über „die sechs Jahre der Suche", die Erleuchtung
und den Beginn der Lehre bis hin zum Aufbau einer Gemeinde
, zur Ausbreitung der Lehre, zu den Auseinandersetzungen
mit den Brahmanen und „Häretikern", der versuchte Ordensspaltung
durch Devadatta, den „späteren Jahren des Buddha
" (Buddha und die Politik!) und den Vorgängen unmittelbar
vor und nach seinem Ende. In diesem Abschnitt wird das ganze
Leben des Buddha, Historisches und Legendarisches, detailliert
und übersichtlich vorgeführt und mit vielen instruktiven Texten
unterlegt, so daß der Leser ein farbiges Bild vom Leben des
Buddha erhält. Viele fachliche Fragen und Probleme werden
dabei mitbehandelt, u.a. „doketische Tendenzen" bei der
Menschwerdung des Buddha (zur „Scheinleiblichkeit des Buddha
" vgl. 54ff) eine interessante Parallele zur gnostischen Chri-
stologie!

Buddhas Lehre wird auf nur 44 Seiten konzentriert dargestellt
. Durch die voraufgegangenen Ausführungen ist der Leser
auf vieles ja schon vorbereitet. Der Autor stellt die Lehre des
Buddha in ihrer dialektischen Kompliziertheit an Hand der vier
„Stufen des Heilspfades" dar, ausgehend vom „edlen achtlälti-
gen Pfad".

Bevor die erste Stufe des Heilspfades: „das rechte sittliche
Verhalten" behandelt wird, betont der Vf. die grundlegende
Bedeutung des gläubigen Vertrauens, „das dem Buddha und
seiner Lehre" entgegengebracht wird (= l. Glied des edlen
achtfältigen Pfades!). Danach folgt die Darstellung der zweiten
bis vierten Stufe des Heilspfades: 2. die Meditation/Versenkung
(Stufen der Meditation und der Bewußtseinszustände.
Göttersphären; Geist-Körper, an-attä (Nicht-Selbst )-Lchiv). 3.
die Erkenntnis als „Ergebnis der Meditation, nicht der spekulativen
oder rationalen Besinnung" (185); besprochen wird auch
die Frage der Kontinuität mit früheren Existenzen, hergestellt
durch die Erinnerung, und der Lehrsatz von Ursachenzusammenhang
bzw. Kausalnexus) sowie 4. die Befreiung.

Außer Anmerkungen, einem Abkürzungs- und Literaturverzeichnis
(u.a. Quellen) und einer über 225 Titel zählenden
Bibliographie enthält das Buch einen Anhang mit einer Übersicht
über die buddhistischen Schulen und die buddhistischen
Begriffsreihen (z.B. die zwei Arten des Nirvana, das dreifache
Wissen, der edle achtfältige Pfad, die 32 Kennzeichen eines
Buddha), eine für das Zurechtfinden in der buddhistischen Lehre
sehr hilfreiche Zusammenstellung. Nützlich wären auch Hinweise
auf die Aussprache der Pali- und Sanskritbegriffe, da doch die
Publikation für ein „breiteres Publikum" gedacht ist.

Seit seinem Erscheinen hat das Buch gewiß schon viele Benutzer
und Freunde gefunden, die man ihm auch weiterhin
wünscht.

Berlin Karl-Wolfgang Tröger