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Ausgabe:

1991

Spalte:

834-836

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

The Acts of the Apostles 1991

Rezensent:

Roloff, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 11

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Äscher Argumentation. Diesen weiten Bogen, der sich von Heka-

a'os von Milet (500 v. Chr.) bis zu Tertullian (nach 200 n. Chr.)
^Pannt. beschreibt die vorliegende Arbeit, die am Münsteraner

nst'tutum Judaicum Delitzschianum unter Betreuung von Die-
ler-Alex Koch entstanden ist. Sie weist an einem fesselnden Gegenstand
den Zusammenhang von antiker, jüdischer und früh-
nstlicher Geistesgeschichte auf und gilt einer Denkweise, die
'n der Umwelt des Urchristentums vielfältig gegenwärtig war, so

aß die Publikation innerhalb einer der neutestamentlichen Wis-
^nschaft gewidmeten Buchreihe voll gerechtfertigt ist.

. Schon am Ausgangspunkt der Linie, in dem nur fragmentarisch
erhaltenen Werk des Geschichtsschreibers Hekataios, fin-

et sich im Rahmen des Altersbeweises ein Motiv, das auch bei
Jüdischen und christlichen Apologeten begegnet: die chronologisch
und genealogisch festgemachte Lokalisierung der ältesten

radition in Ägypten. Herodot hat sie aufgenommen, wobei ihm
•ensichtlich daran lag. das Ansehen griechischer Geschichte
Und Kultur durch den Aufweis mannigfacher Rückverbindungen
"ach Ägypten zu erhöhen. Im Gegenzug dazu wird bei Piaton die
'n der Politeia konstruierte Staatsverfassung nachträglich durch

'e Kritiaserzählung im Timaios dadurch gerechtfertigt, daß sie
~ereits im Urstaat der Athener existiert habe. So wird als erste

usammenfassung festgehalten, „daß die griechische Tradition

en jüdischen Apologeten alle Voraussetzungen fürden Altersbc-
Weis liefert" (74).

Bedeutsam ist. daß der Vf. auch die römische Literatur einbe-
^'eht. Die Rolle des Aeneas als Leitfigureines Altcrsbeweises. mit

em man hofft, auf die Griechen Eindruck machen zu können
'°') - epochal wirksam durch Vergil - geht auf den Anfänger rö-
m'scher Historiographie Fahim Pictor zurück und wird von Cato
angereichert. Ganz anders versucht Cicero den Altersbeweis zugunsten
Roms, seiner Religion und seiner Sprache zu führen.
Schließlich bahnt sich im römischen Bereich die dann auch gegen
d'e Christen gekehrte Ablehnung von Neuerungen auf religiösem
Gebiet an.

Für die jüdisch-hellenistische Literatur haben vor allem Niko-
aus Walter und Elias Bickerman bahnbrechende Arbeit geleistet,
die der Vf. nutzen konnte. So hat er die Herausstellung des Abraham
bei Kleodemos Malchas. vor allem aber die des Mose als des
«Urweisen" bei Eupolemos. Artapanas und Aristobulos unter
dem Vorzeichen des Altersbeweises gewürdigt. Als eine Gestalt
v°n gänzlich eigenem Profil erscheint gerade in diesem Kontext
Philo von Alexandrien. Auf der einen Seite heißt es dort, daß bei
Gott nichts alt ist. vielmehr ist bei ihm alles zeitlos: andererseits
8>lt es für den Menschen, das Alte hinter sich zu lassen und sich
dem Neuen zu öffnen, das von Gott her auf ihn zukommt. So
fehlt denn auch der klassische Altersbeweis für die jüdische Reli-
8'on. obwohl die Behauptung literarischer Abhängigkeit der griechischen
Philosophen vom Werk des Mose auch bei Philo aufsucht
. Näher bei der traditionellen Apologetik steht Flaviu.s
Josephus. wenn er die Ägypter als Zeugen für das Alter des jüdischen
Volkes bemüht und die Griechen zu Nachahmern und
Schülern des Mose macht.

Mit dem Übergang in die griechisch-römische Welt tritt die
■rühe Christenheit das Erbe des hellenistischen Judentums an.
Zunächst scheint diese Konstellation bestimmend zu sein: Während
auf der heidnischen Seite die Neuheit des Christentums als
entscheidendes Gegenargument ins Feld geführt wird, behaupten
die christlichen Apologeten, Vertreter einer alten Religion zu
sein, die bis zu Mose, ja bis zu Abraham und Adam heraufreicht.
Für Justin ist Piaton von Mose abhängig, griechische Mythen
Sehen auf dämonisch inspirierte Fehldeutungen des Alten Testamentes
zurück. Auf eine eigenartige Chronologie gestützt, bekommt
bei Tatian Mose gegenüber Homer eine in Jahrhunderten
bemessene Priorität. Im Werk des Theophilus von Antiochien
rückt der Altersbeweis ins Zentrum der Theologie.

Dem steht die andere Reihe der Apologeten gegenüber, „die
nicht nur keinen Altersbeweis führen, sondern die Neuheit des
Christentums betont herausstellen" (261). Dieser durch das Ke-
rygma Petrou, Aristides, den Diogenetbrief und Minucius Felix
repräsentierten Tradition gilt die Sympathie des Vf.s. Theologiegeschichtlich
bleibt sie aber eine Nebenlinie. Mit Tertullian ist
der Gipfelpunkt des frühchristlichen Altersbeweises erreicht,
wenn ersieh in Apologet. 19.1-4 nicht scheut, selbst dem letzten
alttestamentlichen Propheten gegenüber den ältesten heidnischen
Weisen, Gesetzgebern und Geschichtsschreibern auch zeitlich
den Vorrang zu geben.

Die mit großer philologischer Gründlichkeit erarbeitete Studie
, die die antiken Autoren im breiten Umfang selbst zu Wort
kommen läßt, weicht dem Problem einer theologischen Bewertung
nicht aus. Sie erfolgt in der Gegenüberstellung zum Weissagungsbeweis
, der - anders als der Altersbeweis - der Gemeinde
von Anfang an als Instrument diente und im Neuen Testament
tiefe Spuren hinterlassen hat. Ihm gelang es auch, dem dialektischen
Verhältnis von Alt und Neu besser Rechnung zu tragen.
Nicht so sein Gegenstück: „Der Apologet, der den Altersbeweis
führt, übernimmt die Voraussetzung seiner Gegner, und diese
Voraussetzung ist keine christliche." (300) Es ist ein Zeit- und
Wahrheitsbegriff, in dem das eschatologisch Neue, das der urchristlichen
Botschaft eignet, zugunsten einer Glcichsctzung von
Altem und Wahrem verdunkelt wird. Die den Schlußpunkt bildende
Zitierung von Mk2.2lf schließt eine Fundamentalkritik
am Altersbeweis überhaupt ein. Doch versucht dieser nicht dem
theologischen Prius, wie es in Joh8,58 und IKor 10,4 ausgesagt
ist, auf seine Weise und auf zugegebenermaßen ontologisch niederer
Ebene Rechnung zu tragen? Christlicher Theologie blieb
und bleibt es aufgetragen, das „Alte Wahre" und die „Kategorie
Novum" miteinander zu versöhnen.

Leipzig/Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Tannehill, Robert C: The Narrative Unit) of Luke-Acts. A Lite-
rary Interpretation. 2: The Acts of the Apostles. Minneapolis:
Fortress Press 1990. X. 398 S. gr. 8 .

Das lukanische Doppelwerk zeichnet sich durch einen beachtlichen
Perspektivenreichtum aus. Es erträgt daher die unterschiedlichsten
Interpretationsansätze, ja fordert sie geradezu
heraus. Man kann es als das erste christliche Geschichtswerk
lesen, indem man die Intention des Lukas, „allem von Anfang an
mit Sorgfalt nachzugehen" (Lk 1,2) beim Won nimmt und ihn
kritisch daran mißt, wieweit ihm die Einlösung dieses Anspruchs
gelungen ist. Daß dieser Einsatzpunkt bei der Historie gegenwärtig
erneut an Boden gewinnt, zeigen die Arbeiten von so unterschiedlichen
Forschern wie M. Hengel (Zur urchristlichen Geschichtsschreibung
. Stuttgart 1979) und G. Lüdemann (Das
frühe Christentum, Gött ingen 1987). Man kann es auf der Linie
von M. Dibelius und E. Haenchen redaktionsgeschichtlich untersuchen
, indem man die Frage stellt, wie Lukas die ihm vorgegebenen
Überlieferungen aufnimmt und zu Trägern seiner theologischen
Intention macht. Man kann es aber auch als ein in sich
geschlossenes literarisches Kunstwerk betrachten, indem man
sich auf die Textebene beschränkt.

R. C. Tannehill entschließt sich, wie schon im 1. Teil seiner
zweibändigen Lukas-Studie (The Gospel According to Luke. Philadelphia
1986). konsequent fürden letztgenannten Weg. Für ihn
ist das Doppclwcrk in erster Linie eine "story from which we are
ablc to learn " (2). Das heißt: ihr Vf. will durch narrative Rhetorik
seine Leser für bestimmte Überzeugungen gewinnen und ihnen
verbindliche Vcrhaltensmodclle vorführen. Deshalb ist Erzählkritik
("narrative criticism") die angemessene Methode für ihr
Verständnis (4). Es geht dabei darum, die kompositorischen Bezüge
innerhalb des Werkes zu analysieren, motivlichen Anklän-