Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1991

Spalte:

752-753

Kategorie:

Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte

Autor/Hrsg.:

Fuchs, Franz

Titel/Untertitel:

Bildung und Wissenschaft in Regensburg 1991

Rezensent:

Holtz, Gottfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

751

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 10

752

Ringen zwischen den altgläubig bleibenden Landesfürsten und
der evangelischen Bewegung gekennzeichnet, die namentlich im
Adel und im Bürgertum, in Oberösterreich aber auch unter den
Bauern ihre Anhänger fand, die über lange Strecken sich nicht
nur behauptete, sondern geradezu zur herrschenden Konfession
aufsteigen konnte, der aber nirgends der Aufbau einer landeskirchlichen
Organisation gelang und die letztlich von der territorialstaatlichen
Übermacht erdrückt wurde.

Einige Einzelheiten fallen auf: Die bestimmende Rolle evangelischer
und katholischer Theologen, katholischer Bischöfe und
Landesfürsten wird deutlich. Das in lutherischen Territorien mit
Erfolg angewandte Instrument der Kirchenvisitation wurde auch
bei der katholischen Konfessionalisierung eingesetzt. Die Gründung
von Gymnasien und Universitäten mit bekannten und unbekannten
Namen war ein Mittel der Konfessionspolitik (Heilsbronn
, Altdorf, Lauingen, Neuburg, Salzburg, Innsbruck, Graz,
Linz). Der Einsatz von Jesuiten und Kapuzinern für die Gegenreformation
, der geistige Kampf mit Hilfe des Buches zwischen beiden
Konfessionsparteien, Volksschulbildung und Qualifizierung
des niederen Klerus werden gebührend gewürdigt. Die immer
noch nicht erschöpfend beantwortete Frage nach den Ursachen
für das auffällige Verbleiben Bayerns bei der alten Kirche wird
ebenso erörtert wie die aus der allgemeinen Geschichte kommenden
Einwirkungen auf den Konfessionalisierungsprozeß: die
Türkengefahr, die Bauernkriege und der Eintritt des Kalvinismus
in eine zunächst rein lutherisch-philippistisch bestimmte
Reformationsbewegung.

Die Schrift ist dazu angetan, den Blick der Reformationsgeschichte
von der vorherrschenden Festlegung auf den sächsischoberdeutsch
-schweizerischen Raum in die Weite des damaligen
Reiches zu lenken und die wenig beachteten Nebenschauplätze
in das Gesamtbild einzubeziehen. Wenn es gelingt, die begonnene
Serie zu vollenden, dann wird sie als ein hervorragendes
Hilfsmittel auf der Grundlage raumbezogener Analyse eine neue
vergleichende Gesamtschau der Reformations- und Konfessionsgeschichte
zu gelten haben.

Der zweite Band umfaßt unter der Zusammenfassung als
„Nordosten" die Territorien von Schleswig, Holstein, Hamburg.
Mecklenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen, Brandenburg,
Magdeburg, Kursachsen und Schlesien. Die Markgraftümer Nieder
- und Oberlausitz werden mit ihrer eigenständigen, durchaus
beachtenswerten Reformationsgeschichte nur flüchtig behandelt
.

Im Falle des voranstehenden Albertinischen Sachsen beschränkt
sich die Darstellung bis 1547 folgerichtig auf das Herzogtum
, in dem die Entscheidungen der Brüder Georg und Heinrich
gegen bzw. für die Reformation den Umschwung von 1539
herbeiführten. Gegensätzliche Haltungen von fürstlichen Brüdern
treten auch in Mecklenburg und Pommern auf, letzten
Endes entschied jedesmal der regierende Landesherr für oder
gegen die Einrichtung des landesherrlichen Kirchenregiments.
Dabei verfolgte Kurfürst Joachim II. von Brandenburg zunächst
eine media via des konfessionellen Pluralismus, bis sich auch
hier das Luthertum durchsetzte. Nur in wenigen Fällen (Halle,
Magdeburg) konnte eine mächtige Stadt die neue Konfession
gegen den eigenen Landesherrn einführen.

Eine besondere Note erhielt die Reformationsgeschichte des
hier nordostdeutsch genannten Raumes mit der Einbeziehung
der bischöflichen Hochstifter in die weltlichen Territorien Brandenburg
, Mecklenburg. Pommern und Sachsen, wobei die Wetti-
ner immerhin die formale Selbständigkeit der Stiftsterritorien
wegen deren Reichsunmittelbarkeit fortbestehen ließen. Im Herzogtum
Preußen fällt die Errichtung evangelischer Bistümer auf,
die von 1528 bis 1578 bestanden. Im anfangs lutherischen, mehrfach
geteilten Fürstentum Anhalt kam infolge persönlicher Entscheidungeinzelner
Fürsten 1581 der Philippismus und 1597 der

Kalvinismus auf, so daß sich hier ein konfessioneller Pluralismus
einspielte.

Das unter habsburgischer Herrschaft stehende, im Innern jedoch
mehreren einheimischen, mediatisierten Fürsten zustehende
Schlesien bot im Laufe der Reformation ein von Altgläubigen
, Lutheranern, Schwenckfeldern und Täufern geprägtes
buntes Bild. Die Frage nach der Anwendung des Grundsatzes
„cuius regio, eius religio" blieb bei der schwierigen verfassungsrechtlichen
Lage offen. Ferdinand II. hielt sich zurück, die tn-
dentinische Reform stabilisierte das katholische Leben, Rudolf
II. traf Maßnahmen gegen den Protestantismus, fand aber spürbaren
Widerstand der evangelischen Kräfte, die mit den aufsässigen
böhmischen Ständen verbunden waren. Die schlesischen
Fürsten neigten dem Kalvinismus zu, der Dreißigjährige Krieg
brachte die Konfessionsfronten erneut in Bewegung, doch
konnte sich die Gegenreformation nicht vollständig durchsetzen
.

Der Band umfaßt somit die Reformationsgeschichte einer
Mehrzahl deutscher Territorien, die zum größten Teil restlos lutherisch
wurden, oder in denen sich infolge ständischer Verfassungen
Reste des Katholizismus erhalten konnten (Magdeburg, Lausitzen
), oder in denen ein Nebeneinander altgläubiger und evangelischer
Kirchen möglich war (Schlesien, königliches Preußenloder
die katholische Konfession die vorherrschende blieb (Erm-
land). Dem Leser wird die Tatsache bewußt gemacht, daß auch in
diesem Teil des deutschen Geschichtsraumes, der gemeinhin als
evangelisch angesehen wird, die Reformation ein langes Ringen
der beteiligten politischen und geistigen Kräfte auf den Plan gerufen
hat und daß die Entscheidungen ganz überwiegend bei den
weltlichen Gewalten lagen.

Den 15 Verfassern der 19 Territorial-Artikel stand eine in den
meisten Fällen breite Literaturgrundlage zur Verfügung, woraus
die allgemein gute Erforschung der territorialen Reformationsgeschichte
deutlich wird. Besonders wertvoll sind die jedem Artikel
vorangestellten, neu bearbeiteten Territorialkarten, während die
beiden Übersichtskarten aus Droysens Allgemeinem historischen
Atlas von 1886 stammen.

Friedewald Karlheinz Blaschke

Fuchs, Franz: Bildung und Wissenschaft in Regensburg. Neue
Forschungen und Texte aus St. Mang in Stadtamhof. Sigmaringen
: Thorbecke 1989. 139 S. gr. 8 = Beiträge zur Geschichte
und Quellenkunde des Mittelalters, 13. Lw. DM 56,-.

Das Kloster St. Mang in Regensburg wurde 1139 gegründet
und geriet seit „Mitte des 16. Jahrhunderts ... immer mehr in
Verfall" (20). Vor der Zerstörung 1633 waren 1610und 1629 Kataloge
angefertigt worden, deren Text geboten wird (40-79). Als
einziges Augustinerchorherrenstift nördlich der Alpen hatte St-
Mang (kurz vor 1144) die Regel von S. Maria in Porto bei Ra-
venna übernommen (81). Diese Regel tritt übertrieben asketischen
Forderungen entgegen: Die Kanoniker sollen „den Dienst
Gottes heiter ausüben", es soll „dem Vertrauen auf zu strenges
Fasten" entgegengewirkt werden (93). Der Text folgt S. 96-98-
Ein Wunderbericht aus dem 13. Jh. blieb erhalten, weil Franz Jeremias
Grienewaldt 1611 im Kloster Abschriften gemacht hatte.
Eine Edition bietet die Prosafassung (108-114), die Versfassung
sowie eine Liste von 44 Personen, die dem heiligen Magnus für
erwiesene Wohltaten jährliche Zinsleistungen versprochen hatten
(119-121). Aus Grienewaldts Abschriften werden „in zwangloser
Aneinanderreihung" weitere Texte geboten (122). In einer
Vision sieht eine Frau in den Himmel, wo der heilige Mauritius
die Bestrafung eines grausamen Grafen fordert (Text S. 1240-
Grienewaldt hat einen Text der Vita Mariani abgeschrieben, der
bei einer neuen Edition nützlich sein würde (125-127). Ein unbe-