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Ausgabe:

1991

Spalte:

707-709

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Renck, Günther

Titel/Untertitel:

Contextualization of Christianity and Christianization of language 1991

Rezensent:

Gänßbauer, Hannes

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 9

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zu etablieren, das die kontcxtuellen Formationen von Lehrerund
Schülerbeziehung, religiöser Bildung und Unterweisung aufgriff
und dessen religiöser Betrieb auch nichts kostete (!). Vor
allem aber würdigte der Vf. die Gemcinschaftsbildung dieses
Christentums als eine Vermittlung des Evangeliums, die den kleinen
Leuten Initiative und Selbstachtung zurückgab, kurz, als eine
kontextgerechte Vermittlung des im Evangelium selbst angelegten
Befreiungsthemas im feudalistisch-kolonialen Milieu. Diese
Interpretation verteidigt der Verfasser gegen den Vorwurf, Sa-
drach habe einen läßlichen oder gar programmatischen Synkretismus
praktiziert (165ff) mit dem Nachweis, daß in Sadrachs
Christusbild und Sotcriologie aus der Sicht der Missionare vielleicht
eine Vergesetzlichung des Evangeliums erfolgte (Jesus als
Norm des Lebens und christliches Leben als imitatio Christi).
Wichtig in der Darlegung des Vf.s scheint mir, daß Christusbild
und Sotcriologie bezogen werden müssen auf Lebensweg und Lebenserfahrung
Sadrachs, der als Koranschülersich in anomischer
Zeit dann doch anziehen ließ von dem Bild des in seiner Weisung
überlegenen Meisters Jesus. Die koloniale DeStabilisierung rief
nach normierender Kraft. Sadrach bringt jene Elemente des
Evangeliums stark zur Geltung, die die Missionare zu vernachlässigen
tendierten (224). Daß der holländische Missionar Wilhelm
dabei eine zentrale Rolle gespielt hat, hebt der Vf. hervor
(wie im übrigen seine Auseinandersetzung mit dem holländischen
Missionschristentum den Eindruck durchgehender Fairneß
vermittelt). Wenn Sadrach einerseits als Beispiel gelungener
Kontcxtualisierung des Christentums im Übergang vom 19. zum
20. Jh. dargestellt wird, so besteht seine bleibende Bedeutung andererseits
auch in der Mahnung, daß die Kirche in Asien Wurzeln
in Asien haben muß - ungeachtet der kulturellen Kritik, die in
der transformierenden Kraft des Evangeliums immer auch zum
Tragen kommen will.

Eine Zusammenfassung der Disscrtationscrgcbnissc in Bahasa
Indonesia und sehr nützliche Appendiccs mit instruktiven missionsgeschichtlichen
Dokumenten, eine Karte Zcntral-Javas, ein
Glossar und ein Stichwortverzeichnis steigern den Wert dieser instruktiven
Fallstudic.

Hamburg Theodor Ahrens

Renck, Günther: Contextualization of Christianity and Christia-
nization of Language. A Case Study from the Highlands of
Papua New Guinea. Erlangen: Ev.-Luth. Mission 1990. XVI m
4 Ktn. 316 S. 8 = Erlanger Monographien aus Mission und
Ökumene. 5. Kart. DM 35.-.

„Redend spricht sich Dasein aus". Mit diesem Zitat aus „Sein
und Zeit" von M. Heidegger hatte Renck einen früheren Aufsatz
(Theolog. Beiträge aus Papua Neuguinea. H. Bürklc Hg., Erlangen
1978, 222ff) überschrieben und damit die philosophische
Prämisse benannt, die ja in der Theologiegeschichtc Europas so
entscheidend nachgewirkt hat. Im Rückgriff auf die neuere theolog
. Diskussion bezieht sich R. vor allem auf J. Track: „Wir
haben Welt nicht außerhalb von Sprache" (Sprachkritische Untersuchungen
zum christlichen Reden von Gott. Göttingen 1977:
18).

Aus diesen Voraussetzungen leitet der Missionar (seit 1957 mit
Unterbrechungen in Papua Neuguinea, >PNG<. tätig) und ausgewiesene
Linguist Renck (vgl. Zusammenstellung seiner Arbeiten.
291) die Feststellung ab. daß die aktuelle Diskussion der Kontcxtualisierung
Defizite aufweist im Blick auf die zentrale Rolle von
Sprache (183). So will er mit seinem Beitrag, einer etwas überarbeiteten
Fassung seiner Dissertation, einen wichtigen Aspekt zur
Thematik der Kontcxtualisierung darstellen.

Es geht - auch wenn Sprache nicht der einzige Ausdruck des
Wandels ist, der sich in PNG vollzogen hat und noch vollzieht -

um die „Bekehrung der Sprache" (86). Und noch einmal: Dieser
Wandel ist „in einem deutlich wahrnehmbaren Ausmaß e'n
sprachlicher Prozeß" (85).

Diese These entfaltet R., indem er zunächst in einem 1. Teil die
Lebensumstände, die Weltsicht und die tragenden Institutionen
der Yagaria, eines kleinen Stammes im Hochland von PNG. an'
hand von zahlreichen Beispielen aus ihrer Sprache, bcsclnd11
entsprechend seiner Grundthese: „Language rellecting Lite
(18). Diese Darstellung liest sich nicht nur für den Kenner der Situation
interessant, sie kann auch den literarisch und vor alle*1
den beruflich an PNG Interessierten. Zugänge öffnen.

Was unter den Begriffen „Kulturkontakt und Missionierung
im 2. Teil (53-79) geschildert wird, ist bemerkenswert durch die
Darstellung der zentralen Rolle, die Evangelisten aus PNG (aus
dem Küstengebiet der Kate- und der benachbarten Kafegrupf*»
bei der Missionierung gespielt haben. So war der „kulturelle
Abstand" zwischen den Yagaria und ihren Evangelisten viel ge"
ringer (73). Die Yagaria partizipierten an den Früchten (und
Mißverständnissen?) der Rezeption des Evangeliums und dL'r
theologischen Reflexion, die besonders intensiv bei den Kate*
stammen geschehen war. Wieweit sich dieser Vorgang in sprachlichen
Kategorien äußert, wird von Renck durchgängig auch an
der Katcsprachc (die er selbst auch spricht) exemplifiziert.

Organisch schließt sich der entscheidend wichtige 3. Teil (85'
144): „Das Evangelium im Rahmen einer papuanischen Spi"3'
che" an. In ihm wird, wieder mit vielen sprachlichen Beispielender
bekannte Vorgang der wechselseitigen Beeinflussung und
Durchdringung lokaler Denk- und Wertvorstellungen und der
„fremden" (67) Botschaft des Evangeliums entfaltet. Dabei wil*
es m. E. hilfreich gewesen, den Sitz im Leben der zentralen Frage
der Reziprozität schon unter Teil I darzustellen. (Das Stichwort-
„Beziehungen und Verpflichtungen" drängt sich geradezu auf tur
das Ausleuchten dieser zentralen Matrix zwischenmenschlicher
Beziehungen und ihre Übertragung auf den metaphysischen Bereich
.) Dann hätte R. bei der Behandlung von Sünde und Rechtfertigung
(1390 nicht auf den theologischen Teil zurückverweisen
müssen für die Erklärung des zentralen Begriffes in der
Yagariasprache für „Belohnung. Vergeltung. Strafe, Wiedergutmachung
, Zahlung und Ersatz" (III).

Daß der Vf. im entscheidenden theolog. Teil (102-116) bei der
Darstellung der Übertragung biblischer Grundbegriffe in die lokale
Sprache den klassischen loci christlicher Dogmatik folg1-
wird einerseits vertieft durch die Fülle der sprachlichen Paradigmen
, wird aber auch in seiner systematischen Strenge gemilder1
durch die Anwendung des Prinzips der „dynamisch äquivalenten
Übersetzung", die für die Symbol und Metaphersprache in
PNG Ausdrucks- und Vcrstchensmöglichkeiten öffnet.

Unter diesem Prinzip wird allerdings der Beitrag des europäischen
Übersetzers sehr eingeschränkt (138).

Entscheidend ist in dem Hauptteil, daß R. dem Leser Zugang
möglich macht zu einigen lokalen Liedern (11 7ff). In diesen Liedern
muß Kontextualisation nicht dargestellt oder gefordert werden
. Hier ist sie vollzogen. Das zeigt auch die sprachliche Form-
die nicht in gestelzten Nominalkonstruktioncn einhergeht, sondern
in der „profanen" Alltagssprache mit einfachen, kräftigen
Verben (1300-

Erfrischend pragmatisch geht R. mit der Frage des Synkretismus
um. wenn er feststellt, daß "some measure of syncretisrfl
unvermeidlich ist im Prozeß der Kontextualisierung. Die unerwünschten
Alternativen wären, eine totale Ablehnung oder ein*
totale Auflösung des Evangeliums im traditionellen System
(144).

Im Schlußabschnitt (149-178) stellt R. vor allem die inkonsistente
und umstrittene Sprachpolitik des Staates und der Kirchen
dar und ihre Konsequenzen für die Arbeit auf der Gemeinde-
ebene und in der theologischen Ausbildung. Vor allem auf diesen