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Ausgabe:

1991

Spalte:

614-615

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Jüngel, Eberhard

Titel/Untertitel:

Karl Barth, a theological legacy 1991

Rezensent:

Fischer, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 8

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erheben trachtet (der. sog. „Fall"; von hier aus wird das Problem und die mit „De usu sacramentorum" in CA XIII vollzogene

der Sündlosigkeit Jesu der religiösen Moral entnommen und Weichenstellung, die wie jene Identifikation in den Gehorsam

P'ausibel gelöst). Indem er unter uns Gottes Gnade bedingungs- statt in die definitorische Bemächtigung (und mit dieser in ab-

los Ereignis werden läßt, ist er für die adamitische Menschheit strakte Allgemeinheit!) leitet, übergangen; da wird der im zwei-

"nerträglich. Man kann ihn nur beseitigen - oder man hätte sei- ten Hauptstück des Kleinen Katechismus vorgegebene konkrete

ber zu sterben, was wir von uns aus nicht wollen können. Mit der (und F. ist es ausgesprochen ums Konkrete zu tun) Weg vom

jWerweckung aber hat Gott nicht nur ihn bestätigt und seine Werk des Sohnes zu dessen Person und von hier aus zum Vater

Liebe zu uns bewährt; er hat uns damit auch unser letztes Mittel, vernachlässigt zugunsten abstrakter Erörterungen über Gott (bes.

Liquidation des Unerwünschten, als unwirksam aus der 140). Zudem wird der contrapunctus der Katechismen Luthers
Hand geschlagen. Wir sind nun endgültig dazu verurteilt, klein gegen die Augsburgische Konfession im Konkordienbuch überzugeben
und zu sterben: "I repent, you are my Lord." (107) gangen: Dem Heiligen Geist wird in der Reflexion kein Raumge-
Aus diesem Vergehen werden wir im Glauben und in der Freiheit währt; was über ihn gesagt wird (bes. 138,146), trägt nichts aus.
ln Christus neu geschaffen (vgl. 117). "Thus Jesus ist the repeti- Strukturell ist die Pneumatologie hier allenfalls als annex zur
tlon of Godto us, because... he isthe absolute end oftheold..." Christologie angelegt, wenn nicht ganz entbehrlich. Immerhin
Und "... because he is... the new beginning... "(103). Das ist Ver- etwa scheinen Gesetz und Evangelium als hermeneutisches Prin-
söhnung; und sie kommt uns in der Tat allein aus Tod und Leben zip die Wirkung des Geistes bei der Verkündigung schier ersetzen
Tod und Leben Jesu Christi wie unserer selbst. Damit ist die zu sollen (vgl. 155); überhaupt hat hier - einmal mehr in der Ge-
Neuakzentuierung des „pro nobis" nun prägnant: "... not in- schichte - die Konzentration auf den, der der Logos ist, jene
stead of us but in our stead, not in place of us but in our place ... merkliche Präponderanz des Logischen zur Konsequenz, die der
n°tinsteadofus,butaheadofus"( 130). Der Bogen rundet sich: orthodoxe Vorwurf des „Filioquismus" nicht ohne Recht aus-
Die Verkündigung dieses Lebens und Todes vollzieht ihren Inhalt stellt.

am Hörer. Damit ist in der Tat das allgemeine raisonnement Kurzum, die Einseitigkeit schlägt um in eine anhebende Infra-

uberwunden und hat die Theologie ihre genuine, weil aus dem gestellung der theologia crucis, wie sie hier so energisch, wuchtig

Gegenstand sich ergebende Grundlage und entsprechend ihr im- und in vielen Details und Beiläufigkeiten erhellend und orientie-

manent als notwendig erwiesenes Ziel. Wie das Ausgeführte dann rend vorgetragen wird. So wurde zur Schwäche, was die Stärke

lrn Vollzug „funktioniert", wird in den zwei Schlußkapiteln über dieses Buches ausmacht: Jenes.....occupet uero sese cum Deo

das Hören und über Verkündigung, Sakramente und Kirche im incarnato..." (BoA 3, 182,14) zusammen mit dem.....quatenus

einzelnen dargelegt igitur Deus sese abscondit et ignorari a nobis vult. nihil ad nos

Das alles wird ebenso konzentriert wie aufs äußerste konse- ..." (ebd. 177,150 so klar, konsequent und herausfordernd aus-

3uent ausgeführt: Sprache und Gedankenführung sind holz- zuführen.

**nittaitig einfach bis an die Grenze des Platten. Doch man täu- Güttingen Klaus SchwarzwSlIer
iC<ie sich nicht. Dahinter sind eingehende Reflexion wie auch
theologische Phantasie erkennbar: und die Darstellungsform hat

jjethode: F. will herausfordern, ins Stolpern bringen, er will zur Jünge, Eberhard. Kar, Barth, aTheological Legacy. Transl. by G.

^eubesinnung provozieren. Dafür wird Einseitigkeit nicht nur in E Pau, Philadelphia: Westminster Press 1986. 168 S. gr. 8 .

"^•aufgenommen, sondern nachgerade gepflegt. In dieser Einsei- Kart. £ 10.50.
''gkeit hat das Buch klare Kontur.

Freilich hat diese Einseitigkeit auch ihren Preis. Es ist, wie Mit dem vorliegenden Band wird dem englischsprachigen Pu-

wenn man um der Stabilität willen eine Schraube zu fest anzieht: blikum eine Auswahl der „ Barth-Studien " E. Jüngels aus dem

'^m Ende hat man sie überdreht, und „es hält nicht". So kommt Jahre 1982 zur Kenntnis gebracht (Vgl. dazu meine Besprechung

es zum Umschlag: Aus der bloßen, im Konkreten festhaltenden in dieser Zeitschrift Jg. 110, 1985, 549-552). Außer dem „Vor-

Beschreibung dessen, was in Weg und Werk Jesu Christi ge- wort" des ursprünglichen Buches (11-15: Introduction) bietet

Schieht. wird unter der Hand faktisch eine weitere Versöhnungs- der Band die Vorlesung, die Jüngel einen Tag nach Barths Tod im

'heorie. und zwar eine insgesamt einfach konstruierte, die an Rahmen seines Dogmatik-Kollegs am 11. Dezember 1968gehal-

Gehalt und Vorgaben für die Reflexion den „klassischen" nach- ten hat (16-21: Karl Barth: A Tribute at His Death), sodann den

steht. die insbesondere dem nicht genügend gerecht wird, daß mit erweiterten TRE-Artikel Jüngels über Barth (22-52: Barth's Life

Karfreitag und Ostern eschatologisches Geschehen nicht nur in and Work), den Aufsatz über die theologischen Anfänge Barths

^er Geschichte statthatte, sondern diese auch affizierte. Tod und (53-104: Barth's Theological Beginnings), über "Gospel and

Leben verwandeln sich unter der Hand zum Prinzip des Evange- Law: The Relationship of Dogmatics to Ethics" (105-126) und

'ums. und entsprechend werden Verkündigung und Sakrament schließlich den thematisch zugespitzten Überblick über die Chri-

"'erauf reduziert. Mit dem Prinzip aber ist Abstraktheit und All- stologie der Versöhnungslehre (127-139: The Royal Man: A

Semeinheit durch die Hintertür wieder hereingekommen und Christological Reflection on Human Dignity in Barth's Theo-

damit die Deduktion. logy). Die Anmerkungen finden sich am Schluß des Bandes (139-

M.a. W.. F. ist zu entschieden einseitig und konsequent; Th. 166).

'ommsens dictum, daß man auch dadurch vom rechten Weg ab- Der Übersetzer, Garrett E. Paul, hat sich damit auf die mehr

Rommen könne, daß man zu lange auf dem geraden Pfade bleibt, einführenden Artikel Jüngels, in denen die großen Themen der

ekommt hier Anschauung. Entsprechend fühlt man sich unver- Theologie Barths zur Sprache kommen, und auf den im angel-

sehens an Namen erinnert, die der ductus nicht vermuten ließ: an sächsisch-amerikanischen Bereich vermutlich besonders interes-

°ultmann und sein Entmythologisierungsprogramm in der Kri- sierenden Aufsatz über das Verhältnis von Dogmatik und Ethik

'■k der Christus-victor-Theorie (vgl. 120), an Albrecht Ritsehl in (mit den entsprechenden Differenzen im Verständnis von Gesetz

"er Versöhnung (vgl. 1300, an Calvin bei den Sakramenten (vgl. und Evangelium bei Luther und Calvin) konzentriert. Im Vor-

50ff). an Karl Barth bei Gesetz und Evangelium (vgl. 1540. wort schreibt er in solchem Sinne: "The result isa strong and per-

Auch der so energisch zur Geltung gebrachte Weg reformatori- suasive restatement of major themes in Barth's theology: the

Schen Theologisierens wird nicht durchgehalten. CA VII wird zu otherness of God, the humanity of God, gospel and law" (7). Im-

e'ner „Definition" von Kirche(186), statt als Identifikation rea- merhin fehlt damit in dem neuen Buch mehr als die Hälfte aus

'Sien zu sein: da wird von den Sakramenten allgemein gehandelt dem Originalband! So wurde neben der großen Abhandlung über