Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1991

Spalte:

459-462

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Huber, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Konflikt und Konsens 1991

Rezensent:

Kreß, Hartmut

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

459

Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 6

460

Hintzen, Georg: Die Sclbstbezeugung des Wortes Gottes. Gedanken zu
Schrift. Tradition und kirchlichem Lehramt (Cath 44, 1990, 1-25).

Honecker, Martin: Rechtfertigung und Gerechtigkeit in der Perspektive
evangelischer Theologie (In: Rechtfertigung und Gerechtigkeit. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht 1990. S. 41-60).

Julio de Santa Ana: Die politische Ökonomie des Heiligen Geistes. Aus
dem Engl, übers, von M. Heider. Hg. von U. Duchrow (Sonderdruck der
Junge Kirche 12/1990, 62 S.)

Kirche - Gemeinschaft in Konflikten (Themaheft BiKi 45, 1990, Heft 2):
Weiser, Alfons: Basis und Führung in kirchlicher Communio (66-71) -
Hoffmann, Paul: Das paulinische Konzept einer charismatischen Gemeinde
(72-79) - Suhl, Alfred: Ein Konfliktlösungsmodell der Urkirche
und seine Geschichte (80-86) - Oberlinner, Lorenz: Zwischen Anpassung
und Konflikt (87-93) - Schuchart, Alfred: Vielfalt und Einheit (94-99) -
Dangl, Oskar: Gewalt und Gewaltlosigkeit im Alten Testament (100-
106).

Knauer, Peter: Die Korrelation von Glaubensgegenstand und Glaubensakt
(Cath 44, 1990, 49-63).

Mahlmann, Theodor: Ist der Glaube keine Weltanschauung? Eine Bemerkung
zu Rudolf Bultmanns „Theologische Enzyklopädie" (NZSTh 32,
1990, 134-142).

Menken, M. J. J.: De christologie van het vierdeevangelie. Een overzicht
van resultaten van recent onderzoek (NedThT 45, 1991, 16-33).

Mildenberger, Friedrich: Die Verhältnisbestimmung von Theologie und
Ökonomie als grundlegendes Strukturproblem einer modernen Dogmatik
(ZThK 87, 1990, 340-358).

Moltmann-Wendel, Elisabeth: Wenn Gott und Körper sich begegnen.
Feministische Perspektiven zur Leiblichkeit. Gütersloh: Mohn 1989. 158
S.8- GTB/Siebenstern, 496. Kart. DM 24,80.

Müller, Gerhard Ludwig: Heiligung und Rechtfertigung (Cath 44, 1990,
169-186).

Systematische Theologie: Ethik

Huber, Wolfgang: Konflikt und Konsens. Studien zur Ethik der
Verantwortung. München: Kaiser 1990. 362 S. 8. Kart. DM
54,-.

Wenn Hubers Aufsatzsammlung im Untertitel auf den ethischen
Verantwortungsbegriff Bezug nimmt, wird ein in der
gegenwärtigen Ethikdiskussion dominierender Leitgedanke aufgenommen
. V.a. Hubers Beitrag „Sozialethik als Verantwortungsethik
" (135-157) orientiert über den Gehalt des Verantwortungsbegriffs
, indem unterschiedliche Fassungen ethischer Verantwortung
bei Max Weber, Dietrich Bonhoeffer und Hans Jonas
herausgearbeitet werden. Dem Vf. zufolge sollen in einem umfassenden
Konzept von Verantwortung normative Ansprüche,
Aspekte der auf subjektive Wahrhaftigkeit bezogenen Gesinnungsethik
und die Frage der äußeren Handlungsbedingungen
und -folgen integriert werden (1560- Es wird sichtbar gemacht
(139), daß schon Weber selbst Ethik nicht auf ein pragmatisches
Kalkül von Handlungsfolgen reduziert hat, sondern Gesinnungsund
Verantwortungsethik einander zuordnete. Für Bonhoeffer
wird eine Sicht der Verantwortungs- als Soz/a/ethik und eine stärker
theologische Fassung von Verantwortung betont (143Q-
Jonas freilich habe einen ideologieverdächtigen, elitären Verantwortungsbegriff
vorgetragen, weil er von herausgehobenen Ver-
antwortungsro/Ve« ausgehe und die Verantwortung vor Gott ausblende
(1460-

Hubers instruktive Typologie ethischer Verantwortung vermag
zu einer noch weitergehenden Entfaltung anzuregen, die etwa das
- problematische! - Modell einer vereinseitigten Situationsverantwortung
(z. B. J. Fletcher) oder den tiefgreifenden Denkansatz
der dialogisch-personalen Verantwortungsethik (M.
Buber) zu bedenken hätte. Überraschend an Hubers Darlegung
sind aber die überaus kritische Sicht Jonas' und die Ausblendung
von Jonas' Pointe eines neuen, axiologisch qualifizierten Verantwortungsbegriffs
, der sich auf eine normative Wert-Verantwortung
, d. h. konkret auf Leben, Individualität, Natur, Zukunft als
fundamentale, heute vertieft herauszuarbeitende Wertbegrifft
bezieht. Überhaupt wird der ethische A'o/wbegriff bei Huber
zwar nicht einfach beiseitegeschoben (vgl. 156), jedoch schon
einleitend eher pejorativ in den Blick genommen, insofern normative
Ethik in der Nähe formaler Gesetzesethik wahrgenommen
wird (136; 153). Ist jedoch in der heutigen ethischen Orientierungskrise
und angesichts der Einsicht in die Grenze der
Reichweite von Folgenverantwortung nicht gerade ein theologischer
Beitrag zur Normreflexion und, insofern an Jonas anknüpfend
, zur Wertverantwortung gefordert? -

Mit dem Aufsatz „Sozialethik als Verantwortungsethik" wird
der II. Teil von Hubers Aufsatzsammlung eingeleitet, der mit
„Ethik der Verantwortung" überschrieben ist und sich auch noch
materialethischen Fragen zuwendet. Der I. Teil, „Theologie im
Konflikt", erörtert Themen von der evangelischen Lehrbeanstandung
bis zum Glaubensbegriff und der Gotteslehre (anhand
des Theodizeeproblems). In Teil III, „ Hoffnung für die Kirche",
sind Beiträge zum Begriff des Prophetischen, zum Kirchentag
und zum Kirchenrecht (Kirchenfreiheit; Kirchenmitgliedschaft)
zusammengestellt.

Obwohl die Beiträge also auf recht unterschiedliche Themenfelder
eingehen, treten Leitgedanken prägnant heraus. Hierzu
zählt die Absage an einen starren, doktrinalen Lehr-, Dogmatik-
oder Bekenntnisbegriff. Diese zeigt sich bereits in dem ersten
Aufsatz, „Die Spannung zwischen Glauben und Lehre als Problem
der Theologie" (15-43), sowie in der den Fall Schulz diskutierenden
, das preußische Irrlehregesetz von 1910 und den Fall
Jatho nochmals beleuchtenden Überlegung zur „Schwierigkeit
evangelischer Lehrbeanstandung" (44-66). Als evangelisch
grundlegend wird Luthers Ablehnung eines rein noetischen und
autoritativen Glaubensverständnisses betont: „der Glaube ist
zuallererst Vertrauen, fiducia, nicht eine besondere Erkenntnisweise
" (24). Diese Selbstdeutung des christlichen Glaubens
könnte zu einer erneuten und vertieften Auseinandersetzung mit
der christentumskritischen These in M. Bubers Buch „Zwei
Glaubensweisen" (1950) reizen, das von Huber am Rand (250
erwähnt wird. Es entspricht jedenfalls dem Selbstverständnis
evangelischer Theologie, wenn ein überzeitlicher, statischer
Lehrbegriff ebenso kritisiert wird (30f, 41) wie eine autoritative
Berufung auf dicta probantia der Bekenntnisschriften (64); statt
auf einen starren Lehr-,,Bestand" wird „auf den verantwortlichen
Vollzug kirchlicher Lehre" verwiesen (46).

Es liegt nahe, daß dann auch eine lehrhafte Fixierung und „eindeutige
" Lösung in dem Aufsatz „Theodizee" vermieden wird
(99-132). Als neuzeitliche Fassungen des Theodizeeproblems
werden typisierend dargestellt: Leibniz' Rechtfertigung des
Schöpfer-Gottes („ätiologische" Theodizee); Kants Hoffnung
auf Fortschritt der Welt zum sittlich Besseren („teleologische"
Theodizee); und Max Webers These, die Theodizee bilde für die
Religionen eine Grundfrage schlechthin, auf die Dualismus, Prä-
destinatianismus und Karmalehre solche Antworten boten, die
das Leiden und Unrecht in der Welt, d. h. ihre Irrationalität, religiös
-,, rational" bewältigen sollten. Webers Erwägung lenkt zu der
kritischen Frage hin, ob sich die Theodizee durch religiöse Rationalität
, z.B. eine „Vergeltungsrationalität" (122), tatsächlich
überzeugend und eindeutig „auflösen" läßt. Für Weber selbst untermauerte
das Scheitern der religiösen Rationalität ja die Unausweichlichkeit
profan ethischer Rationalität in Gestalt der
„Verantwortungsethik"! Huber stellt nun heraus, daß eine eindeutige
„Überwindung" oder doktrinale Eliminierung der Irrationalität
der Welt vom Christentum jedoch gerade nicht geleistet
wird (125), da es einen Gottesbegriff entfaltet, in dem Gott selbst
dem Tod und dem Leiden ausgesetzt ist (132). Statt eine religiöse
Rationalisierung der Theodizee (im Sinn von Webers Religionsdeutung
) zu intendieren, macht Huber daher, unter Berufung aut