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Ausgabe:

1991

Spalte:

398-399

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Güsgen, Johannes

Titel/Untertitel:

Die katholische Militärseelsorge in Deutschland zwischen 1920 und 1945 1991

Rezensent:

Graf, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 5

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Rom danach, „sich den ersten Rang unter allen Kirchen zu si- Ökumenik: CathoÜCa

ehern, den man später als Jurisdiktionsprimat bezeichnete. Es ist

^merkenswert, daß sich als Name Tür die allegemeine und alles Gfi Jonannes: Die katholische Militärseelsorge in Deutsch-
umfassende bischöfliche Leitungsgewalt das Wort jurisdictio )and zWjschen 1920 und 1945. Ihre Praxis und Entwicklung in
durchsetzte, das einst die rechtsweisende Tätigkeit des römi- der RejcnSwehr der Weimarer Republik und der Wehrmacht
sehen Prätors in der ersten Phase des Zivilprozesses bezeichnet des nationalsozialistischen Deutschlands unter besonderer Behatte
" (20). Den römischen Bischöfen stand „im Reskriptions- rücksichtigung ihrer Rolle bei den Reichskonkor-
Prozeß, welcher die altrömische Form der Gewaltenteilung in die datsverhandlungen. Köln-Wien: Böhlau 1989. LXIX, 526 S.
sPätrömische Zeit hinüber gerettet hatte, und in der Technik, m. Abb. gr. ?- Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte.

mittels Rcskribierens überhaupt regieren zu können, ein Hilfs- __

mittel - das einzige leistungsfähige Hilfsmittel überhaupt - zur Es hat m.t der Aufarbeitung unserer deutschen Gesch.chtc zu

^fügung" (20). Reskripte sind „Schriftstücke der Unterord- tun, wenn während der letzten Jahre mehrfach Pubhkat.onen zur

"ung. mi, denen c.ne zur Gesetzgebung in der Rechtsprechung Militärseelsorge in ihrer Vergangenheit herausgebracht wurden,

befugte Instanz auf Eingaben. Klagen, Bitten untergeordneter In- Was die kathol.sche Seite betrifft, so ist d.e Entwicklung von

stanzen und Personen antwortet" (22). Die von GregorI. erhal- mehr als hundert Jahren durch das hier angezeigte Buch nun-

•enen 866 Briefe werden in 11 Gruppen unterteilt. mehr zusammenhangend repräsentiert (vgl. u. a. ThLZ 113, 530-

An 1. Stelle stehen 138 Fürschreiben", die sich die Petenten 532; 114, 533). Jetzt, auf dem Wegezu einem neuen Europa, sind

•neist selber in Rom geholt haben (53). Bestallungen betrafen solche „Fallstudien" besonders wichtig, wobei nicht nur an den

Mitarbeiter innerhalb und außerhalb des Lateranpalastes" (71), historischen Vergleich zu denken ist, sondern auch an jüngste

auch die päpstlichen Vikare in Gallien, auf dem Balkan und im kirchliche Diskussionen zur Ordnung der M.l.tärseelsorge an

Süden: mitunter war es nur eine „ Pflicht zur Bestätigung, die die sich.

Bischöfe und Vornehmen der betreffenden Städte mit ihren Bitt- Eines darf man freilich von vornherein in dieser Monographie

Schriften mehr oder weniger offen einklagten" (82). An 3. und 4. nicht erwarten, nämlich einen Bericht, der die praktische Arbeit

Stelle stehen Domanialsachen (83-104) und Domanial-Auf- der katholischen Militärseelsorge im genannten Zeitraum in ex-

S'chtssachen (104-113). Das Kapitel „Personalsachen der Bi- tenso vorstellt. Der Vf. meint, dies müsse Gegenstand weiterer

schöfe" zeigt, daß Gregors Einnuß „auf die Bischofswahlen spezieller Untersuchungen sein, und man stimmt ihm dann un-

selbst in dem seiner unmittelbaren Aufsicht unterstehenden sub- eingeschränkt zu, wenn man verfolgt, welcher Aufwand bereits

"rbikarischen Italien" nur gering war (123). Von 91 päpstlichen nötig ist, um den allgemeinen und äußeren Gang zu ermitteln.

Briefen in Personalangclegenheiten waren 90 Reskripte (130). Mehrere Etappen und Bereiche, in der Rezension nur paraphra-

Dazu kommen 22 Reskripte als „Personalsachen der Kleriker" siert, sind dabei festzuhalten:

(130-134) Weitere 31 Schreiben betreffen „Kirchweihsachen" Natürlich wollte man sich der seelsorgerlichen Betreuung der
034-140). Der 8. Abschnitt „Privilegiensachen" betrifft primär Reichswehr nicht versagen, aber - offenbar ein Trauma aus der
d'e Klosterpolitik, in der Gregor „häufig in Konflikten zwischen Vergangenheit - an der Spitze sollte nicht mehr, wie 1868 eingelöstem
und Bischöfen um richterliche Entscheidungen angeru- führt, ein Feldpropst stehen, der als Staatsbeamter in politische
fen wurde" (146) Als Privilegien oder Privilegiensachen" wer- Abhängigkeit gerate. Angezeigt sah man statt dessen eine Juns-
den 24 Schreiben eingeordnet. Das längste Kapitel betrifft „ Pro- diktion durch die Ortsbischöfe. Doch diese Überlegung war für
zeßangelcgcnheiten" (158-203)' es geht um 154 Schreiben. Es die Reichswehrführung u. a. schon deshalb nicht akzeptabel, weil
folgen 15 Reskripte als,. Responsa" und weitere 17 als „Internes auf diese Weise auch „ausländische" Bischöfe, so in Kulm.
Schriftwerk" Besonders wichtig sind die „Mitteilungsschrei- Posen. Olmütz oder Prag, ein Mitspracherecht erhielten. Um das
ben - das sind alle Schreiben, die Gregor an die kaiserlichen Für und Wider dieses episkopalen Systems wurde auf beiden Sei-
personen in Konstantinopel gerichtet hat, die im Range eindeu- ten durch Jahre in vielen Varianten zäh gerungen. Auch d.e E.n-
tig über ihm standen " (213). also auch solche an die Königin Bru- Schaltung der Kurie brachte zunächst keinen Fortschritt. Er deu-
nichilde und andere Frankenherrscher; auch Briefe an die 4 östli- tele sich erst an, als Nuntius Pacelli nach Rom wechselte. Man
ehen Patriarchen werden als Mitteilungsschreiben bezeichnet hoffte, daß jetzt die bislang praktizierten interimistischen Rege-
(228). Insgesamt kann man von den 866 „überlieferten Schrei- lungen ein Ende hätten. Tatsächlich wurde so aber nur eine neue
ben oder Schriftstücken 536, also weit mehr als die Hälfte Phase der Auseinandersetzung eingeleitet, denn die Ordnung der
(61.9%). als Reskripte bestimmen" (241). Militärseelsorge wurde nunmehr von der Kurie mit dem abzu-
Zwei abschließende Kapitel beleuchten den „Geschäftsgang" schließenden Rcichskonkordat verkoppelt. Es bedurfte der ein-
(241-287) und die Rechtsbildung" (288-342). Sicher war Vie- schneidenden Veränderungen des Jahres 1933. daß schließlich
'es „erst uncntfaltet und ineinander verfließend" (338); aber aus nun doch noch eine grundsätzliche Einigung erfolgte.
v'elen Reskripten konnte doch neues Recht entstehen. „Wenn Befriedigend war die Lösung nicht. Zum einen konnte man
sich im gerichtlichen Alltag eine per Reskript aufgestellte Norm sich bis 1938 nicht auf die Person des Feldbischofes einigen. Zum
bewährte konnte man erkennen, daß das Reskript wirklich neues anderen ging es allmählich überhaupt um die Möglichkeiten der
und geltendes Recht geschaffen hatte" (339). Gregors Briefe bie- Militärseelsorge. Im Heer und auch in der Manne hatte man an-
ten„ Einblick in das Funktionieren des gesellschaftlichen Mecha- fangs noch Rückhalt im Traditionsbewußtsein des Offiziers-
nismus" (340) Man wird .auf eine frühe From der Gewalten- korps. Andererseits gewann zunehmend ein feindseliges natio-
teilung aufmerksam, die den antiken und mittelalterlichen Inha- nalsozialistisches Weltbild Einfluß, und zwar am stärksten in
bern eines Jurisdiktionsprimats in ihrem Machtstreben höchst Görings neuer Schöpfung, der Luftwaffe.

Wirksame Schranken setzte" (342). Das Buch zeigt, „wie Macht Eine besondere Bedeutung im Kampf um den Fortbestand der

und Recht in alter Zeit ineinandergegriffen haben" (342). Aus- katholischen Militärseelsorge erlangte die Person des Feldbi-

fthrliche Register - allein der Index der Gregor-Briefe füllt die schofs Rarkowski. Seine Rolle ist nur schwer zu werten, zumin-

Seiten 350-366-machen dieses Buch nützlich für jeden Histori- dest sorgte seine Loyalität dem Staate gegenüber dafür, daß

ker. der künftig über Gregor I. arbeiten möchte. gleichsam im Windschatten sein Generalvikar Werthmann intensiv
für die notwendige Arbeit tätig werden konnte.

Der Krieg sah dann eine aktive Militärseelsorge, die allerdings

Rostock Gert Haendler durch den Wechsel in hohen Kommandostellen bzw. deren Uber-