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Ausgabe:

1991

Spalte:

396-397

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Pitz, Ernst

Titel/Untertitel:

Papstreskripte im frühen Mittelalter 1991

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 116. Jahrgang 1991 Nr. 5

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jährigen Krieges" (B. II, 970-998) sowie die „theologisch juristischen
Probleme der reformierten Konfessionalisierung" (Bd. II,
999-1032) runden den Kreis von Heckeis rechtsgeschichtlichen
Arbeiten ab.

Eine zweite Gruppe von Aufsätzen, die allerdings in einer
theologischen Zeitschrift nur kurz angezeigt zu werden braucht,
widmet sich Fragen des geltenden Staatskirchenrechtes. Eine
auch rechtshistorisch ansetzende Abhandlung zur „Parität" besonders
im heutigen Staatskirchenrecht (Bd. I, 106-323) schreibt
diesem Begriff eine bedeutende hermeneutische Funktion für
eine Gleichheit in Freiheit zu (323). Erörtert werden weiterhin
Einzelfragen wie: „Die Kirchen unter dem Grundgesetz" (Bd. I,
402-446), ähnlich 501-538), „Menschenrecht im Spiegel der reformatorischen
Theologie" (Bd. II, 1122-1193) oder auch der
Denkmalsschutz an Sakralbauten (Bd. II, 1075-1098) sowie der
Status der Ev. theologischen Fakultäten in der Bundesrepublik
(Bd. II, 1033-1974; vgl. zu diesem 1985 gehaltenen Vortrag auch
die Monographie „Die theologischen Fakultäten im weltlichen
Verfassungsstaat" Tübingen 1986). Hier finden sich bereits die
später weiter ausgeführten Thesen über die Verbindlichkeit des
Votums der evangelischen Kirchen über Bekenntnis und Lehre
akademischer Lehrer vor und nach der Anstellung (1043ff) sowie
über die Unangemessenheit eines nach Pfarrerrecht geführten
Lehrbeanstandungsverfahrens gegen sie (1055f, vgl. sein Buch
darüber a.a.O. 84ff, 170ff). Neben diesen Abhandlungen ist
schließlich hinzuweisen auf wissenschaftliche Würdigungen von
Werken von Ulrich Scheuner (Bd. I, 574-586), Hans Erich Feine
(587-612) und Christoph Link (Bd. II, 955-969).

Die Reihe bedeutsamer grundsätzlicher Abhandlungen zum
eigentlichen, „inneren" evangelischen Kirchenrecht eröffnet
eine geistvolle Tübinger Ringvorlesung, welche das alte Juristenparadoxon
vom „Summum Ius - Summa Iniuria" als Problem
reformatorischen Kirchenrechts entfaltet (Bd. I, 82-105). Das
schon von Heckeis Vater aus Luthers Schriften belegte Wortspiel
(Johannes Heckel, Lex Charitatis, Köln u. Darmstadt 1973, Hg.
Martin Heckel, S. 113, 121, 165 jeweils in Anm.) wird zum roten
Faden für eine auf geschwisterlicher Freiheit, Gleichheit und
Liebe zielende Eigenordnung christlicher Gemeinschaft (lOOf;
zu dieser Trias vgl. auch bereits Johannes Heckel a.a.O. 48). Kirchenrecht
verliert seinen Sinn, wenn es die getauften Ungläubigen
in Schranken halten will, statt sich vom Christenstand der
Gläubigen bestimmen zu lassen (1020- Ohne diesen personalen
Bezug hat das menschliche Organisationsrecht in der Kirche keinen
Eigenwert (104f).

Eine in ihrer Konzinnität unübertroffene Gesamtdarstellung
der „ Rechtstheologie Luthers" bietet der aus dem Evangelischen
Staatslexikon (1. Aufl. 1966, inzwischen 31987, Bd. II, 2818-
2849) übernommene Stichwortartikel. Auch aus der Würdigung
der „rechtstheologischen Studien" des Freiburger reformierten
Kirchenrechtslehrers Erik Wolf (Bd. I, 563-573) arbeitet Heckel
heraus, welche Bedeutung dort „Christokratie und Bruderschaft
" (5700 in der dialektischen Zusammengehörigkeit von
Recht und Liebe dem Kirchenrecht (572) zukommen. Ein Synodalreferat
über „Evangelische Freiheit und kirchliche Ordnung
-kirchenrechtliche Perspektiven" (Bd. II, 1099-1121) schließlich
führt im Blick auf die heutige Situation zu der Feststellung:
„Die Ordnungsproblematik des evangelischen Kirchenrechts ist
charakterisiert durch die Spannung zwischen Normenflut und
Normenaversion" (1108). „Kirchenrecht als ein besonderes
Recht" aber ist qualifiziert durch „die theologische Notwendigkeit
der Ordnung aus der Notwendigkeit des Dienstes und der
Einheit in der Bruderliebe" (1120).

Aus dieser Grundhaltung heraus nehmen schließlich auch einige
Beiträge des Doppelbandes zu eher praktischen Fragen des
Faches Stellung. „Die Situation des Kirchenrechts an den deutschen
Universitäten" (Bd. I, 539-562) stellt sich ihm als die

eines, ständig auf Anknüpfung an den benachbarten Fächern
auch über die Fakultätsgrenzen hinaus angewiesenen „Kleinen
Faches" dar, welches durch die Ungunst der äußeren Entwicklung
der letzten vierzig Jahre von der Gefahr der Isolierung und
Verdrängung bedroht ist (540). Heckel fordert dringend, „daß die
wenigen gut eingerichteten traditionellen Lehrstühle und Institute
mit kirchenrechtlicher Hauptprägung durch Gelehrte besetzt
bleiben, die nach ihren wissenschaftlichen Leistungen und
Absichten ihre Hauptkraft den kirchenrechtlichen Fragen zu
widmen bereit sind" (553). Dem muß ebenso zugestimmt werden
wie auch der anschließenden Warnung davor, Kirchenrecht
an den Evangelisch-theologischen Fakultäten durch Nur-
Juristen, zumal reine Praktiker, wahrnehmen zu lassen (534-
557). Zu dem von Heckel selbst in Tübingen vorbildlich beschrit-
tenen Weg einer „fachlichen Kooperation zwischen Theologie
und Jurisprudenz" (555) böte sich allerdings die Alternative an,
für die Wahrnehmung des Kirchenrechts neben einem theologischen
Fach, etwa der Praktischen Theologie, theologisch wie juristisch
voll ausgebildete Wissenschaftler zu gewinnen; das ließe
sich, zumindest unter entsprechender Förderung durch die Kirchen
, wohl leichter verwirklichen als der Vorschlag einer Forschungsprofessur
oder eines Max-Planck-Institutes für Kirchenrecht
(557). Freilich müßte dann das insoweit gegebene
katholische Vorbild bis hin zum Prüfungsbetrieb übernommen
werden (553). „Zur zeitlichen Begrenzung des Bischofsamtes"
(Bd. II, 934-954) erstattete Heckel 1982 der Evangelischen Landessynode
von Württemberg in einem ebenfalls abgedruckten
Referat sein Gutachten dahin, zur Wahl auf Lebenszeit mit einer
Altersgrenze entsprechend dem Pfarrerrecht zurückzukehren.
Dabei differenziert er zwischen den verschiedenen Bestandteilen
des Bischofsamtes, nämlich dem göttlich-rechtlichen Element
des Predigtamtes und den menschlich-rechtlichen äußeren Leitungsbefugnissen
(946) und sieht im System der Kirchenverfassung
den Bischof gegenüber der Synode als „Pfeiler der Kontinuität
" (949). So führen dann unter anderem das Argument der
Unabhängigkeit des Bischofsamtes mittels Freiheit von Wiederwahl
(950) und des drohenden Effizienzverlustes infolge einer
Verkürzung der Amtszeit (951) zu dem eingangs genannten, von
der Synode dann auch übernommenen Vorschlag. Mit Recht
weist Heckel beiläufig darauf hin, daß es für den evangelischen
Landesbischof zweifellos ein „Entlastungsproblem" gibt (953).
Die theoretisch immer gegebene Rücktrittsmöglichkeit freilich
wird gerade dem gewissenhaften Amtsträger kaum der geeignete
Ausweg sein können: vielmehr gilt es, die Aufgabenbeschreibungen
der Kirchenverfassungen auf ein verantwortbares Maß zurückzunehmen
, damit das Amtsgelöbnis des Bischofs ohne
„Seufzen" (vgl. Hebräer 13,17) erfüllbar bleibt.

Karlsruhe Albert Stein

Pitz, Ernst: Papstreskripte im frühen Mittelalter. Diplomatische
und rechtsgeschichtliche Studien zum Brief-Corpus Gregors
des Großen. Sigmaringen: Thorbecke 1990. 382 S. gr. 8°= Beiträge
zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, 14.
Lw. DM 108,-.

Die Einleitung greift rechtsgeschichtliche Fragen auf. Gregors
I. Briefe sind eine wichtige Quelle, um „über die Geschichte der
Rechtsbildung in der Frühzeit Europas Klarheit zu gewinnen"
(13). Damals waren „ die Normen und Regeln, welche die Kirche
für christliches Handeln und christliche Lebensweisen verkündete
, erst im Begriffe ..., den Charakter bloßer Empfehlungen an
Gläubige abzustreifen und das rechtliche Wesen von Gesetzen
anzunehmen" (13). Das kirchliche Recht war „im wesentlichen
immer noch ungeschriebenes Recht" (14). Seit den Päpsten Damasus
(t 384) und Siricius (t 399) strebte die Kirche von