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Ausgabe:

1990

Spalte:

879-881

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Müller, Gerhard

Titel/Untertitel:

Causa reformationis 1990

Rezensent:

Rogge, Joachim

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879

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 12

880

Ansatzes bei der Rcich-Gottes-Idee und des daraus inspirierten Mutes
zu grundlegenden Reformen in Theologie und Kirche, die teilweise
immer noch auf ihre Einlösung warten.

Paderborn Norbert Mette

[Martyn, J. Louis:] Apocalyptie and the New Testament. Essays in
Honor of J. L. Martyn. Ed. by J. Marcus and M. L. Soards. Sheffield
: JSOT Press 1989. 351 S. 8' = Journal for the Study of the New
Testament, Suppl. Series, 24. Lw. £ 25.-. ,

Die Festschrift ehrt den zurückgetretenen Neutestamentier am traditionsreichen
Union Theological Seminary, New York, J. Louis
Martyn. Sie will selbst einen Forschungsbeitrag zum Problem der Bedeutung
der Apokalyptik für das Neue Testament leisten und ist daher
thematisch recht straff angelegt. Nur die drei letzten Beiträge fügen
sich diesem Rahmen nicht ein, der vorletzte zielt engagiert auf aktuelle
Probleme des Verhältnisses von Kirche und Gesellschaft, der
letzte stammt von der Frau des Geehrten und ist der Wiederabdruck
einer anregenden Studie zum Verhältnis zwischen moderner Psychotherapie
und apokalyptisch bestimmter paulinischer Anthropologie
von 1977.

Die übrigen Arbeiten, vornehmlich von Schülern Martyns, erörtern
Einzelfragen des im Titel der FS genannten Problemkreises; die erste
präsentiert die Diskussion um die Definition des Begriffes ..Apokalyptik
" seit seiner Einführung in die wissenschaftliche Debatte vor rund
150 Jahren und signalisiert damit sogleich eine grundlegende Schwierigkeit
des Themas insgesamt.

Eine sehr persönliche Würdigung seines Kollegen J. L. Martyn
durch R. E. Brown eröffnet, Indizes zur herangezogenen antiken und
modernen Literatur beschließen den Band, der diese Aufsätze enthält:

R. E. Sturm, Dcfining the Word "Apocalyptie": A Problem in Bibücal Criti-
eism. 17-48.-J. Marcus, "The time hasbeen fulfilled"(Mark 1.1$). 49-68.- J.
Schaberg, Mark 14.62: Early Christian Merkabah Imagery? 69-94. - S. H.
Brooks. Apocalyptie Paraenesis in Matthew 6.19-34. 95-112. - O. L. Cope,
"To the elose of the age": The Role of Apocalyptie Thought in the Gospel of
Matthew. 113-124. - R. Seroggs, F.sehatologieal Existence in Matthew and
Paul: Coincidentia Oppositorum. 125-146. - T. E. Boomershine, Epistemo-
logy at the Turn of the Ages in Paul. Jesus, and Mark: Rhetoric and Dialeetic in
Apocalyptie and the New Testament. 147-167. - M.C. de Boer. Paul and
Jcwish Apocalyptie Eschatology. 169-190. - R. B. Hays, "The Righteous One"
as Hschatological Deliverer: A Case Study in Paul's Apocalyptie Hermeneutics.
191-215. - J. L. Kovacs, The Arehons, the Spirit. and the Dealh of Christ: Do
we need the Hypothesis of Gnostic Opponents to Explain I Corinthians
2.6-16?

217-236. - M. L. Soards, Seeking (zetein) and Sinning (hamartolos and
hamartia) aecording to Galatians 2.17. 237-254. - C. P. Anderson, Who Are
the Heirs of the new Age in the Epistle to the Hebrews? 255-277. - N. J. DulT.
The Significance of Pauline Apocalyptie for Theological Ethies. 279-296. - P.
Lehmann. Barmen and the Church's Call to Faithl'ulness and Social Responsi-
bilit'y. 297-316. - D. W. Martyn, A Child and Adam: A Parable of the Two
Ages. 317-333. T. H.

Müller, Gerhard: Causa Reformationis. Beiträge zur Reformationsgeschichte
und zur Theologie Martin Luthers. Zum 60. Geburtstag
des Autors hg. von G. Maron u. G. Seebaß. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1989. 588 S. gr.8°. Kart. DM 68,-.

Am 10. Mai 1989 wurde der frühere Ordinarius für Kirchengeschichte
in Erlangen und jetzige Landesbischof der Evangelisch-
Lutherischen Landeskirche in Braunschweig 60 Jahre alt. Zu den mannigfachen
Ehrungen Müllers, der durch seine Biographie die „Zusammengehörigkeit
von wissenschaftlicher Theologie und Kirchenleitung
" (7) in überzeugender Weise dokumentiert hat, gehört die vorliegende
Festschrift, die ihm Schüler und Kollegen gewidmet haben.

Der dickleibige Band enthält 25 Beiträge aus der Feder Müllers, 1 7
davon zur Reformationsgeschichte, 8 davon spezifisch zur Theologie
Luthers. Darüber hinaus findet man ein Verzeichnis der Erstveröffentlichungen
der Aufsätze und eine (ohne Rezensionen gerechnete)

257 Titel umfassende Bibliographie des Verfassers aus den Jahren von
1955-1988. Völlig zu Recht weisen die Herausgeber der Festgabe darauf
hin, daß hier nur ein Ausschnitt der wissenschaftlichen Arbeitsleistung
des Jubilars ,,und nicht einmal ein repräsentativer" aufgezeichnet
ist, weil Beiträge „zur neueren Kirchengeschichte, zum neuzeitlichen
Katholizismus und zur hessischen und fränkischen Territo-
rialgcschichte" fehlen, aber der cantus llrmus im Forschungstrend des
Reformationshistorikers kommt deutlich zum Ausdruck.

Eine Rezension muß keine Fortsetzung der Laudatio für den Jubilar
enthalten, sie dient der Sache der Ehrung Müllers und dem Gesamttitel
entsprechend der „Sache der Reformation" wohl am besten,
wenn in der hier gebotenen Kürze die Forschungsschwerpunkte, zu
denen der Leser profunde Arbeiten vorfindet, noch einmal rekapituliert
werden. Die Festgabe ist in der Tat über die personengebundene
Ehrung hinaus ein Summarium wichtiger Teile der Reformationsgeschichte
und der Theologie des Reformators, und zwar zu folgenden
Themen:

1. Das Italien der Reformationszeit mit seinen prägenden Persönlichkeiten
und der Rolle der Kurie im Blick auf den Gang der europäischen
Reformationsgeschichte.

2. Das Umfeld der Reichstage von 1521 und 1530, die für die Reformation
von entscheidender Bedeutung waren.

3. Ein Blick auf die Vorgeschichte des von römisch-katholischer
Seite die Beurteilung der Reformation relativ abschließenden Tridcn-
tinums, das seit I 545 sich durch fast zwei Jahrzehnte hinschleppte.

4. Die spezielle Untersuchung von Gestalten der ReTormationszeit
und ihren Funktionen zur Wirkung auf das Gesamlgcschehen (Kardinal
LorenzoCampeggio, Papst Clemens VII., Lazarus Spengler).

5. Beiträge zur Theologie Luthers zum Aufweis seiner Weltbedeutung
im Blick auf die ganze Reformation und ihre ekklesiologischc
Wirkung bis zur Gegenwart (Stichworte Für die Aufsatzthemen:
Christologie, Luther und Papsttum, Zwei-Reiche-Lehre, Stellung /u
den Fürsten, Ekklesiologie, Reich und Rom).

Themenstellungen und Forschungstrends, wie sie in obiger Aufzählung
deutlich sind, setzen sich fort in den verhandelten Problemkreisen
, zu denen abgeschlossene Dissertationen bei Gerhard Müller, insgesamt
9, vorliegen (588).

Es kann schwerlich gelingen, die Gelehrsamkeit, große Vielfalt und
das Geflecht der aufgezeigten Problemkrcisc, die im Dargebotenen zum
Ausdruck kommen, formelhaft anzusprechen und zu würdigen. Es können
nur Beobachtungen sein, die als besonders auffällig dem Leser des
Sammelbandes zur Prüfung und gewissermaßen als Leseimpuls angeboten
werden. Müller reiht in seinen Forschungen nicht nur Thema an
Thema, sondern läßt sein Eigenengagement, sein Involviertsein in der
Lutherischen Kirche unentwegt durchblicken, sodaßjede Rede vom Elfenbeinturm
der Wissenschart abwegig wäre. Vielleicht ist der im Berufungsjahr
zum Landesbischof (1982) erschienene Aufsatz zu „Martin
Luther als Autorität für die lutherische Kirche?" symptomatisch Tür
Müllers Interesse an lutherischer Theologie und Kirchcnleitung. Vielleicht
auch ist sein letzter Satz im Aufsatz zu einem zentralen (iedanken
reformatorischcr Theologie, nämlich zum Schriftprinzip, ein Zeichen dafür
, daß der Autor Luther nicht als verehrungswürdiges Denkmal seiner
Kirche, sondern als bleibenden Denkanstoß versteht: „Wir können ...
heute nicht mehr naiv die Bibel der Kirche gegenüberstellen, weil wir über
den Zusammenhang von Kanonbildung und Kirche zu viel gelernt haben.
Aber es war auch nicht das Buch als solches, was Luther zur Norm der
Theologie erhob! Er konnte gegenüber einzelnen Schriften und Ausstigen
der Bibel sehr kritisch sein! Aber zugleich wußte er hier doch jenes Prinzip
zum Ausdruck gebracht, das zuletzt allein kirchliches Leben gestalten
darf: Gott selbst, der sich in Jesus Christus geoffenbart hat und der durch
seinen Geist Leben schafft. So hilfreich es sein könnte, wenn die lutherische
Kirche stärker auf Luther hörte, so sehr wird sie zugleich die Aufgabe
haben, ihr Denken und Handeln auszurichten nach dem, der da ist
und der da war und derda kommt." (566)

Dem Jubilar und den Herausgebern der Testgabe ist herzlich zu
danken, daß hier ein Buch angeboten worden ist, das in die Mitte der