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Ausgabe:

1990

Spalte:

380-382

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Neuner, Peter

Titel/Untertitel:

Geeint im Leben - getrennt im Bekenntnis? 1990

Rezensent:

Bäumler, Christof

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379

Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 5

380

sen (M. Schnatmann/W. Born, Transaktionsanalyse und appellative
Verkündigung, in: F. Kamphaus/R. Zerfaß [Hg.], Ethische Predigt
und Alltagsverhalten, München - Mainz 1977, 129-137). Die TA
wirklich systematisch für homiletische Fragestellungen heranzuziehen
, blieb W. Engemann in seiner Rostocker Dissertation von 1984
vorbehalten (Die Verkündigung als transaktionales Ereignis zwischen
Prediger und Hörer. Eine Studie zur Anwendbarkeit der Transaktionsanalyse
auf homiletische Fragehinsichten. Relevanzen und
Probleme; Selbstanzeige: ThLZ 111, 1986, 478f). Nunmehr ist die
Buchfassung dieser Arbeit erschienen; sie wurde gegenüber der
ursprünglichen Fassung stark verändert und hat sehr gewonnen: War
die Dissertationsfassung trotz oder gerade wegen der Fülle an fruchtbaren
Einzeleinsichten im Aufbau recht verwirrend, so ist es dem
Autor jetzt gelungen, seine Ausführungen zu straffen und lesbarer zu
machen. Dabei könnten der konzise Schreibstil Engemanns (er
kommt mit lediglich 86 Textseiten aus) und die bescheidene editorische
Aufmachung des Buches darüber hinwegtäuschen, daß hier
eine wirklich großartige Leistung vorliegt: Bisher ließ sich vieles von
den komplizierten Prediger-Hörer-Interaktionen nur dumpf erahnen,
d. h., man bekam z. B. „instinktiv" mit, wenn etwas in der Interaktion
„nicht stimmte"; nun aber liegt eine begriffliche Ausformulierung der
Gesetzmäßigkeiten für geglückte und mißglückte Prediger-Hörer-
Interaktionen vor, und man kann nur hoffen, daß der Ansatz von
Engemann, der einen so entscheidenden Durchbruch bringt, in der
homiletischen Diskussion die gebührende Beachtung finden wird.

Sympathisch ist die große Sachlichkeit, mit der Engemann seinen
Ansatz darbietet. Er begeht nicht den Fehler, sein psychologisches
Instrumentarium absolut zu setzen und als umfassende Heilslehre
anzupreisen, im Gegenteil, er weist die TA in ihre Grenzen: „Die
Popularität der TA, die zu erheblichem Teil auf eine eingängige Terminologie
und methodisch durchschaubare Stringenz zurückzuführen
ist, hat in nicht wenigen Fällen zu doktrin-euphorischen Ver-
irrungen, zu einer Art transaktionaler Ontologie geführt, die mehr
Probleme schafft, als sie zu lösen vorgibt" (6).

Wie sieht nun der Ansatz Engemanns im einzelnen aus? Es geht im
wesentlichen darum, daß „Ich-Zustände" aufgezeigt werden, sowohl
beim Prediger als auch beim Hörer, und diese Ich-Zustände (von Prediger
und Hörer) dann in ihrer Interaktion analysiert werden.

Die TA unterscheidet drei Ich-Zustände: Eltern-Ich, Erwachsenen-
Ich und Kind-Ich. Das Eltern-Ich beinhaltet nicht hinterfragbare
Normen und Wertvorstellungen, im Kind-Ich stecken Intuition und
spontane Antriebskraft, aber auch irrationale Ängste und servile Verhaltenstendenzen
; dem Erwachsenen-Ich fällt die Aufgabe zu, sich
konstruktiv mit der Umwelt auseinanderzusetzen, wobei es die Reaktionen
der anderen beiden Ich-Zustände zu registrieren und zu steuern
hat. Gehandelt werden kann aus allen drei Ich-Zuständen heraus. So
können Menschen z. B. primär als kritisches und starres Eltern-Ich
agieren, in einer Krise kann das trotzige und beleidigte Kind-Ich auf
den Plan treten usw.

Zur Analyse der Ich-Zustände von Predigern genügen meist schon
wenige Sätze der Predigt. Hierein Beispiel: „Geistliche Armut ist eine
Not. Es geht nicht an, diese Tatsache hurtig fromm zu verharmlosen
... Es ist uns gerade auch hier nicht erlaubt, sauer süß zu nennen"
(34). Dieser Prediger ist vom Eltern-Ich bestimmt, und zwar von
einem autoritären, maßgebenden. Er macht von Anfang an deutlich,
daß er keinen Protest duldet. In seinen weiteren Ausführungen wird
dann erkennbar, daß er sozusagen nichts zu verschenken hat. Wenn
etwas den Hörern zukommen soll, dann nur per Verordnung. - Das
Eltern-Ich kann aber auch ganz anders geartet sein als autoritativ und
maßgebend, es kann auch „nährenden" Charakter haben. Ein Prediger
, der von einem solchen Eltern-Ich bestimmt ist, möchte jeden satt
machen, der ihn in seiner Autorität anerkennt. Ferner kann das
Eltern-Ich des Predigers „strafend" sein, und damit sind die Akzente
in der Predigt wiederum anders gesetzt. Das Erwachsenen-Ich des Predigers
kann „objektiv" sein und produziert dann eine sehr rational
angelegte Predigt, es kann aber auch „autonom" sein, d. h. dem Ideal

der Selbstbestimmung verpflichtet; eine Predigt aus diesem Ich-
Zustand heraus will auch den Hörer in die Lage versetzen, ein eigenes
Urteil zu haben. Die Kind-lch-Zuständc können nach Engemann
„frei", „gebrochen, angepaßt" und „rebellierend" sein. Gehen wir
hier nur auf den dritten Zustand ein; er ist geprägt von Trotz, Provokation
und Resignation. So begann ein Prediger, bei dem das rebellierende
Kind-Ich dominierte, eine Predigt mit den Worten: „Herzliches
Beileid, ihr geistlich Armen, denn ihr habt in unserer Gesellschaft
nichts zu melden" (42).

Man kann sich vorstellen, welche Kämpfe während des Gottesdienstes
ausgetragen werden, wenn die „richtigen" Ich-Zustände von
Prediger und Hörer aufeinanderprallen, wenn z. B. ein Prediger mit
einem strafenden Eltern-Ich auf Hörer mit einem rebellierenden
Kind-Ich stößt! Für solche Interaktionen den Blick geschärft zu haben
und ein Analyse-Instrumentarium bereitgestellt zu haben, ist das
große Verdienst Engemanns. Als Therapie für homiletisches Fehlverhalten
dient nach Engemann bereits die Bewußtmachung als solche:
„Derjenige, der sich über seine Veranlagung, seine Prägung in diesem
oder jenem Ichzustand, über seine Lieblingsthemen usw. im klaren ist,
wird sich als Prediger eher davor hüten können, seine Probleme der
Gemeinde als Anfragen Gottes unterzuschieben; und als Hörer wird
er eher in der Lage sein, die gute Botschaft (die durchaus auch Kritik
beinhalten kann) von den Ängsten oder Aggressionen eines Predigers
zu unterscheiden" (31: im Original kursiv).

Siegen Walter Rebell

Praktische Theologie:
Seelsorge/Psychologie

Neuner, Peter: Geeint im Leben - getrennt im Bekenntnis? Die konfessionsverschiedene
Ehe. Lehre - Probleme - Chancen. Düsseldorf
: Patmos 1989. IIIS. 8". Kart. DM 19,80.

Das gut lesbar geschriebene Buch ist klar aufgebaut. Zunächst wird
ein höchst informativer historischer Überblick (S. 12-34) gegeben:
Die Entwicklung in der abendländischen Kirche lief im Blick auf die
Ehe darauf hinaus, daß der Konsens der Eheleute für eine rechte,
sakramentale Ehe genügte; eine rechtliche Form war nicht verbindlich
vorgeschrieben. Dieser Umstand führte zu großer Unsicherheit in
den familiären Verhältnissen. Das Konzil von Trient forderte 1563 in
dem Dekret „Tametsi" die „Formpflicht": der Austausch der Ehewillenserklärung
hatte fortan vor dem eigenen Pfarrer in Gegenwart
von mindestens zwei Zeugen zu erfolgen. Bindend war die Formpflicht
nur für Katholiken. Anhänger der Reformation konnten ohne
kirchliche Form gültig heiraten. Da die Kirchenspaltung keine
Episode blieb, kollidierte die Einführung der Formpflicht mit der
kirchlichen Realität. Aufgrund von Konflikten in den Niederlanden
im 16. und 17. Jh. verfügt Papst Benedikt XIV. im Jahre 1741, daß
rein nichtkatholische und konfessionsverschiedene Ehen von der tri-
dentinischen Formpflicht befreit sind. Der Kölner Mischehenstreit
wird detailliert geschildert und als Auftakt für eine Entwicklung
benannt, die im Mischehenrecht des Kodex von 1917 ihren rechtlichen
Ausdruck findet: „Für jede Ehe, die ein Katholik eingehen will,
sei es mit einem Katholiken, sei es mit einem Nichtkatholiken, ist die
Einhaltung der vom Konzil von Trient vorgeschriebenen Form für die
Gültigkeit vorausgesetzt." (S. 33)

Im zweiten Kapitel (S. 35-47) wird der Kampf der Kirchen gegen
die konfessionsverschiedene Ehe dargestellt: einerseits erfolgte deren
Abwehr, effektiver in der katholischen als in der evangelischen
Kirche, mit den Mitteln des Kirchenrechts; andererseits bemühten
sich beide Kirchen, durch seelsorgcrliche Begleitung von Jugendlichen
und jungen Erwachsenen konfessionsverschiedene Ehen möglichst
zu verhindern.