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Ausgabe:

1990

Spalte:

236-237

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Gier, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Geistlicher Führer seiner Chinamissionare 1990

Rezensent:

Glüer, Winfried

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Theologische Literaturzeitung 115. Jahrgang 1990 Nr. 3

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auf die Lehre vom gerechten Krieg zurückgreifen, bringen die Methodisten
darüber hinaus ein breites Spektrum von vernunftgemäßen
Argumenten zur Geltung, die gegen das Abschreckungssystem
sprechen. Aber von einer für alle verbindlichen Theologie des Friedens
kann noch nicht die Rede sein. Der orthodoxe Beitrag zum
Thema basiert auf einem Text der III. Panorthodoxen Vorkonziliaren
Konferenz (Chambesy 1986), der auf die Bewahrung der Schöpfung
ausgerichtet ist. Würde und Recht des Menschen ergeben sich aus der
orthodoxen Anthropologie: „Das sichere Fundament für den Frieden
ist nach Auffassung der orthodoxen Kirche die Achtung der Würde
der menschlichen Person" (116).

Zum Thema der Ekklesiologie (Lehre und Gestalt der Kirche)
referierte kritisch H. Zeddies (DDR) die Diskussion im Bund der
evangelischen Kirchen in der DDR über ..Absage an Geist, Logik und
Praxis der Abschreckung" als Beitrag zu einer Theologie des Friedens
(119-147). Er stellt als Schwerpunkt der Diskussion die Frage nach
dem Bekennen in der Friedensfrage heraus. Dabei spielt die Kategorie
des Gehorsams (Barmen II) eine hervorragende Rolle. In diesem Zusammenhang
berichtet Z. auch von den Bemühungen um eine Neuinterpretation
von CA 16 in den lutherischen Kirchen in der DDR
(141 ff). Schließlich ging der katholische Theologe Heinz-Günther
Stobbe (Münster) der Frage des Zusammenhangs von Frieden,
Gerechtigkeit und Kirchenstruktur (148-170) nach. Er stellt die
..dringliche und selbstkritische Frage nach der Friedensfähigkeit der
Kirche" (148) an den Anfang. In einer von der Systemtheorie entlehnten
Sprache begründet er die Verwurzelung einer glaubwürdigen
Theologie des Friedens in der Kirche als eucharistischer Gemeinschaft
, die sich gerade nicht von der sie umgebenden Gesellschaft
distanziert. So definiert er Kirche als Koinonia. die dazu berufen ist,
als weltweite solidarische Gemeinschaft im Teilen ein ..Ursymbol des
Lebens" (K. Raiser) darzustellen. Indem sie wesenhaft Kirche ist. verändert
sie die Gesellschaft ..als Sauerteig und Salz der Erde" (I 70).

Abschließend folgt der auswertende Bericht des Hg. einschließlich
der drei Gruppenberichte unter dem Thema: „Konfessionalität und
Kontextualität" (171 ff)- In dem theologischen Konstrukt „gerechter
Friede" war versucht worden, den Zusammenhang von Frieden und
Gerechtigkeit auf den Begriff zu bringen. Im Verlauf der Konsultation
hat sich erwiesen, daß sich Konfessionalität und Kontextualität
wechselseitig umspielen. Es läßt sich belegen, daß die kontcxtuelle
Herausforderung oft stärker als die konfessionelle Tradition die Profilierung
einer Theologie des Friedens bestimmt. Anderseits bedarf
diese eines Bezugsrahmens, der ihre Rezeption in den Kirchen sichert.
Der ökumenische Dialog könnte zur Schaffung eines gemeinsamen
Bezugssystems beitragen, in dem Frieden und Gerechtigkeit nicht
gegeneinander ausgespielt werden müßten.

Die abschließenden und weiterfuhrenden Überlegungen des Hg.
könnten m. E. modellhaft für die Rezeption ökumenischer Arbeitsergebnisse
werden, ist es doch eine häufig wiederkehrende Erfahrung,
daß ökumenische Tagungen, kaum daß sie stattgefunden haben, bald
der Vergessenheit anheimfallen, weil niemand sich der Mühe unterzieht
, von Ausnahmen, wie Ernst Langes geistvoller Auswertung der
Faith and Order-Konferenz von Löwen 1971 „Die ökumenische
Utopie oder Was bewegt die ökumenische Bewegung?", einmal abgesehen
, den Ertrag zu sichten und Akzente für die Weiterarbeit zu
setzen. Dadurch könnte die oft feststellbare Redundanz ökumenischer
Dokumente drastisch reduziert werden. Und das wäre auch ein Beitrag
zur Bewahrung der Schöpfung.

Berlin Günter Kruse he

Raiser, Konrad [Hg.]: Ökumenische Diakonie - eine Option für das
Leben. Berträge aus der Arbeit des ORK zur theologischen Begründung
ökumenischer Diakonie. Mit einem Vorwort von K. H. Neukamm
. Frankfurt/M.: Lembeck 1988. 156 S. 8° = Beiheft zur Ökumenischen
Rundschau. 57. Kart. DM 24.80.

Der Hg. macht deutlich, daß seit 1975 (Nairobi) das Verständnis der
Diakonie von koinonia erschlossen werden kann. Dazu haben orthodoxe
Theologen wegweisende Anregungen gegeben, die im letzten
Teil des Buches dokumentiert sind. Um diesen Gedankengang mitzu-
vollziehen, empfiehlt sich eine durchgehende Lektüre. Konrad
Raiser, kundig in den theologischen Entwicklungen der Ökumene, hat
die Beiträge so zueinander geordnet, daß mit einem geschichtlichen
Uberblick die Quellen freigelegt werden, die zu den Durchbrüchen der
vertiefenden Sicht diakonischen Handelns der Kirchen geführt haben.
Ebenso verfährt er im zweiten Teil, in dem sich Philip Potter u. a. zur
Geschichte des ökumenischen Austausches äußert. Es folgen Berichte
aus Arbeitsgruppen. Konsultationen und biblisch-theologischen
Überzeugungen, die in den letzten 20 Jahren gereift sind. Hierzu
gehört vor allem die Einsicht, daß der Einsatz für soziale Gerechtigkeit
als konstitutive Dimension ökumenischer Diakonie anerkannt
ist. Diesen Prozeß dokumentieren einzelne Beiträge. Der Neuansatz
wird jedoch in der Übersicht, die der Hg. anbietet, zu wenig ersichtlich
. So wäre zu fragen, ob es nicht sachgemäßer wäre, nach dem
Teil 1, der mit „Solidarität" überschrieben ist, den folgenden Teil II
mit „Teilen der Gerechtigkeit" (anstatt „Ökumenisches Mfteinander-
tcilen") zu überschreiben, um die Intention des Hg. aufzunehmen und
den Schwerpunkt theologischer Auseinandersetzungen deutlicher zu
markieren.

Die vorliegenden Beiträge signalisieren, daß die Situation herangereift
ist. um nach den vorliegenden ökumenischen Erklärungen über
„Taufe, Eucharistie und Amt" und zu „Mission und Evangelisation"
eine ökumenische Erklärung zu „Zeugnis und Dienst" zu erarbeiten,
die dem nach „Internationalen Missionsrat" und „Glaube und
Kirchenverfassung" dritten Traditionsträger der Ökumenischen Bewegung
zustände. Die ökumenische Bewegung, die mit ihrem 40jähri-
gen Bestehen sich anschickt, in das dritte Jahrtausend zu gehen, sollte
wegen ihrer Tradition aus der „Bewegung für Praktisches Christentum
" ihren Mitgliedskirchen eine solche Positionsbeschreibung wie
einen Katechismus mit auf den Weg geben.

Die Beiträge in diesem Buch zeigen, daß die Vorarbeiten dafür
geleistet worden sind.

Berlin . Klaus Rocbcr

Ökumenik: Missionswissenschaft

Hartwich, Richard [Hg.]: Steyler Missionare in China. IV: Geistlicher
Führer seiner Chinamissionarc Rev.mus P. Wilhelm Gier SVD
1922. Beiträge zu einer Geschichte. Nettetal: Steyler 1988. I10S-.
1 Taf. gr. 8° = Studia Instituti Missiologici Societatis Verbi Divini
Sankt Augustin, 42. Kart. DM 20.-.

P. Wilhelm Gier wurde 1920 Generalsuperior des Steyler Missionsordens
und hat dieses Amt bis 1932 ausgeübt. In diesen Jahren führte
er eine vor allem seelsorgerliche Korrespondenz mit den Steyler
Missionaren in China. Auszüge aus diesen Briefen werden hier vorgelegt
. Sie sind nach thematischen Schwerpunkten und in chronologischer
Reihenfolge angeordnet.

Die Korrespondenz begleitet die einzelnen Missionare in ihren
zumeist trivialen Alltagsproblemen. Es fällt auf, daß die großen zeitgeschichtlichen
Themen der zwanziger Jahre, in denen die chinesische
geistige Welt vehement den Aufbruch in die Neuzeit unternahm
, überhaupt nicht angesprochen werden. Eine theologische Diskussion
, etwa über die Auseinandersetzung mit chinesischer Religiosität
, liegt außerhalb des Horizonts dieses Schriftwechsels.

Dagegen erhält man einen Einblick in die Spiritualität des Ordens,
die in gut gemeinten, jedoch hölzern und altväterlichen Ermahnungen
Giers gepflegt werden soll. Da geht es um die Einhaltung der Ordensregeln
über Armut (aus konkretem Anlaß des Ärgernis der Einführung
getrennter Eßräume), Keuschheit (der „Kampf gegen das Böse")
und Gehorsam („Kadavergehorsam ist am Platze, wenn der Obere