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Ausgabe:

1989

Spalte:

619-620

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Volk, Hermann

Titel/Untertitel:

Erneuert euren Geist und Sinn 1989

Rezensent:

Wolff, Gottfried

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Seite 1

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619

Theologische Literaturzeitung 114. Jahrgang 1989 Nr. 8

620

nach Sinnstiftung für menschliches Leben in der Vergegenwärtigung
Jesu als des grundlegenden Sinn-Bildes (6 ff). Dann wird nach der
Begründung dieses christlich-jesuanischen Sinnentwurfes gefragt
(23 ff), was gleichzeitig die Rückfrage an die alten Normen einschließt
(44ff) und zur Diskussion des Menschen-Bildes führt (61 ff).

In Kap. 5 bis 9 werden konkrete Brennpunkte erörtert: Schöpfung
als das Feld ethischer Entscheidungen (85ff); Gentechnologie (109ff);
Sexualität (126 ff); Tod als Lebens-Frage (150ff); Aids (172ff).

Da wir täglich versagen, überfordert werden, Verantwortung abschieben
, schuldlos leben wollen, müssen wir mit unserem Schuldigwerden
leben: „Ehrfurcht vor dem Leben" als Ambivalenz von
Schuld und Vergebung, von Versagen und Heilung in unserem Leben
(184ff). Ist dieses Bewußtsein bei Politikern wach? An fünf Fällen
(Niedersachsen-Wahl 1975; Ostverträge; Kalkar-Abstimmung; Imperatives
Mandat für Studentenvertreter; Wahlkampf 1976) zeigt Vf.,
daß Politiker die „Mündigkeit des Bürgers" als Grundlage unserer
Demokratie zu wenig achten. Acht Thesen zur Diskussion über das
Gewissen von Politikern schließen diesen Rundgang ab (212 0-

Am Ende war ich doch ein wenig enttäuscht, daß wichtige brennende
Fragen fehlen: z. B. Arbeit als einerseits ausgehende und
andererseits Spezialisten/innen bis zum 65. Lebensjahr fordernde
Leistungspflicht dem „System" gegenüber; z. B. Informationstechnologie
, die binnen einiger Jahre unsere Gesellschaft, die Organisation
unserer Produktion, Verteilung und des Konsumierens und unseren
völlig privatisierten Lebensstil grundlegend verändern wird; z. B. eine
Diskussion mit den wichtigsten Anliegen feministischer Emanzipationsbewegung
(Stellung der Frauen in unserer „dualistischen"
Gesellschaft, § 218, In-Vitro-Fertilisation usw.); z. B. die für Kirchen
wichtige Frage nach der Homosexualität und der Einstellung von lesbischen
Pfarrerinnen und schwulen Pfarrern in den Gemeindedienst;
z. B. die theologische Frage nach dem Verständnis von Natur, nach
der Schöpfung als unserer Aufgabe „als ob es Gott nicht gäbe", nach
dem Verhältnis von Schöpfung, Christologie und Eschatologie usw.
Manches hat der Vf. zweifellos kurz angerissen; ich hätte mir dabei
auch allgemeinverständliche Diskussionen mit den Anliegen etwa
von H. Jonas, U. Beck (Risiko-Gesellschaft) bzw. mit Gesellschaftstheoretikern
und sei es Max Webers Sicht der Moderne bzw. J. Molt-
mann, E. Moltmann-Wendel, R. Ructher u. a. gewünscht. Ich will
hiermit lediglich andeuten, daß Benutzer/innen dieses Buches in
Schule, Studium, Gemeindearbeit Zuspitzungen vornehmen sollten.
Die von H. Grewel klar gestellte und in Teilgebieten entfaltete Aufgabe
einer „neuen Ethik" müssen wir gemeinsam weiterführen.

Darmstadt Uwe Gerber

Praktische Theologie: Allgemeines

Volk, Hermann Kardinal: Erneuert euren Geist und Sinn. Exerzitien
nach dem Epheserbrief. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1988.
288 S. 8". geb. DM 24,80.

Das Buch ist aus Niederschriften von Exerzitien entstanden, die der
Kardinal gehalten hat. Das Vorwort schrieb er wenige Wochen vor
seinem Tod im Juli 1988. Manches ist offensichtlich wörtliche Nachschrift
, einiges sicher nachträglich erweitert, vor allem die dogmatischen
Abhandlungen. In zehn Kapiteln werden Grundwahrheiten des
Glaubens behandelt, zu deren Auswahl der Vf. vom Epheserbrief
angeregt worden ist. Entsprechend beginnt er mit dem Dank, es folgen
in der Betrachtungsreihe Schöpfung, Sünde, Erlösung, Geistmitteilung
. Diesen Stadien des Heilsweges wird noch eine Theologie des
Gebetes angefügt. Das Thema der Schlußbetrachtungen sind die
sakramentalen Mysterien von Kirche und Ehe.

Die Besonderheit des Buches liegt in seinen überaus zahlreichen
biblischen Zitaten. Sie sind alle im Wortlaut ausgedruckt, bis zur
Hälfte einer Seite jeweils. Das erleichtert dem Leser den Gebrauch
und lädt zu eigener Exegese und Zuordnung ein. Der jeweilige biblische
Befund im AT und NT ist sorgfältig zusammengestellt und
erschließt dem Laien Begründungen und Zusammenhänge. Auch die
sich anschließenden Ausführungen sind bibelbezogen.

Weitere Quellen sind Konzilskonstitutionen und die Meßliturgie.
Im Kapitel von der Kirche bildet die Konstitution des Vatikanum II
den wesentlichen Inhalt. Unmißverständlich wird daran erinnert, daß
es sich um die Kirche handelt, die vom Nachfolger Petri geleitet wird.
Die Betonung des sakramentalen Charakters der Kirche fügt sich ein
in die Herausarbeitung der sakramentalen Bezüge der jeweiligen Themen
. Es ist eine lebendige Sakramentsunterweisung, die ein vertieftes
Verständnis von Taufe, Firmung, Ehe, Priesterweihe und Salbung
vermitteln möchte.

Die Ausführlichkeit des Inhaltsverzeichnisses ist beabsichtigt. Bis
zu 16 Unterthemen einer Betrachtung enthält die Gliederung. Dies
hilft bei einer Einordnung des Buches. Denn der Titel allein weckt
gewiß Erwartungen, die so nicht erfüllt werden. Es ist sicher kein
Exerzitienbuch. Dafür sind die einzelnen Vorträge viel zu umfangreich
und zu dogmatischjapologetisch. Ebensowenig will es eine Auslegung
des Epheserbriefs sein. Dazu treten dessen Zitate hinter der
Fülle anderer biblischer Belegstellen zurück. Es ist vielmehr eine Art
Gemeindekatechismus, verbunden mit pastoralen Impulsen, die aus
langen Erfahrungen erwachsen sind. Allerdings ist auch unübersehbar
, daß der Vf. lange Zeit Dogmatikcr war und ebensolang Mitglied
und Vorsitzender in Glaubenskongregationen und Kommissionen.

Die Vorzüge der klaren Gliederung und dogmatischen Schlüssigkeit
sind aber zugleich auch Grenzen seiner Anwendbarkeit. Sicher müssen
Exerzitien klare Lehrüberzeugungen zugrunde liegen. Doch erörtert
werden sie nicht dort. Was sollte auch ein Teilnehmer mit
„überethischer Qualifikation der Urstandsgnade" anfangen? Kaum
ein anderer Exerzitienbegleiter wird die Zweinaturenlehre ausführlich
darlegen. Natürlich bietet die „Theorie des Gebetes" die Möglichkeit,
über Sprachenwunder und Heiligenvcrehrung zu sprechen, doch
sollte das Gebet in Exerzitien nicht so sehr dogmatischen Reflexionen
ausgesetzt werden, die dann der Kürze wegen mehr Fragen auslösen
als beantworten. Werden alle zustimmen, daß das Wirken der Priester
Gemeinde ermöglicht, und ein Gleichheitszeichen zwischen den Heiligen
und der katholischen Kirche sehen? Ist für alle die Fürbitte der
Heiligen daraus abzuleiten, daß Heiligkeit im Gegensatz zur Sünde
OlTcnheit nach überall hin ist? Ist die Logik zwingend, daß die Anbetung
Christi stärker ist als die Marienverehrung, wenn am Marienaltar
viel mehr Kerzen brennen, die Anbetung aber strengeren Maßstäben
folgt?

Die pastoralen Impulse sind deutlich und bewegend, die Mahnung,
in einem Sakramentalismus nicht persönliches Gebet zu kurz kommen
zu lassen, die Ermutigung zu Ganzheitsentscheidungen, die
Furcht, daß lauer Glaube nicht mehr lange Bestand haben wird.
Sicher ist vieles in den Exerzitien persönlicher gesagt worden als im
Buch, in dem manches unerwartet blaß formuliert ist. Der Hinweis:
„immer christlicher zu werden" muß ja gerade in Exerzitien präziser
gefaßt sein. Demgegenüber könnten etliche dogmatische Ausführungen
weit kürzer gefaßt werden. Den Wechsel von gut verständlichen
schlichten Gedankengängen für Laien mit komplizierten Spezial-
erörterungen kann man nicht immer leicht nachvollziehen.

In dem Buch wird der katholische Leser eine ausführliche Darstellung
der modernen kirchlichen Lehre finden, in die Vielfalt der biblischen
Zusammenhänge eingeführt werden und pastoralen Rat eines
Bischofs erfahren, der den Herausforderungen der Zeit mit ungebrochener
Überzeugung gegenübersteht.

Moser Gottfried Wolff

Bromm, Gerhard, in Zusammenarb. mit U. Baumann: Die Arbeit der
Kammer der EKI) für Bildung und Erziehung von 1979 bis 1985.
Hauschild, Wolf-Dieter: Kirchliches Leben. Nieolaisen, Carsten:
Bibliographie zur kirchlichen Zeitgeschichte. Braun, Hannelore:
Personen und Ereignisse. Gütersloh: Gütersloher VerlagshaUl