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Ausgabe:

1988

Spalte:

101-102

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Meade, David G.

Titel/Untertitel:

Pseudonymity and canon 1988

Rezensent:

Pokorný, Petr

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Seite 1

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Theologische Litcraturzcitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 2

Hexaplaric signs are prcserved for Gen, Exod. Jos, Judg. Sam-Ki. Job, auch den Inhalt, nicht nur die Form der Tradition. In drei Kapiteln

Isa. Jer, and Ezek. Lesser numbers are prcserved for Lcv, Num, Deut, analysiert er die prophetische Tradition, die Tradition der Weisheit

Ruth, and Prov. Only one sign is preserved for Esth, Chron, and the und die apokalyptische Tradition, die für das Alte Testament typisch

Minor Prophcts; none is prcserved for Ezra, Neri. Pss, Eccl, Cant, sind oder im Alten Testament wurzeln. Zum Beispiel der Verfasser

Lam, or Dan. Altogethcr the Armenian version preserves signs for von Jes 40-55 hat unter dem Namen des Propheten geschrieben, um

•227 Hexaplaric plusses, uniquely I 14 times; it preserves signs for die Zugehörigkeit zur autoritativen jesaianischen Tradition auszu-

234 passages which Origcn placedsubob, uniquely on 47 occasions." drücken, nicht um über den literarischen Ursprung zu informieren.

(S. 4) Die Hauptmenge stammt wohl aus den Anfängen der arme- Ein ahnliches Verhältnis zur Tradition stellt M. im Bereich der Weis-

ru»chen Bibel, manche vielleicht auch aus Kollation mit griechischen heitsliteratur und der Apokalyptik fest.

Handschriften im Mittelalter (S. 9). Die Frequenz schwankt vielleicht Aufgrund der Analyse der Jesus,tradition des Neuen Testaments

entsprechend der Stärke des hexaplarischcn Einflusses (S. 222). stellt er drei Hauptmerkmale der christlichen Offenbarung fest, die für

Dies ist kein Lesebuch Tür die langen Winterabende, sondern ein die Entfaltung urchristlicher Traditionen verantwortlich sind: die

textkritisches Hilfsmittel. Es ist eins der Bücher, deren Knappheit sich Autonomie der Offenbarung im Sinne ihrer Unableitbarkeit, ihre

umgekehrt zur aufgewandten Mühe verhält. Wie genau es ist. läßt sich Kohärenz, weil Jesus Christus das Zentrum bildet, und ihre deutende

nur an den Handschriften nachprüfen, aber Cox' Dissertation bürgt Funktion, die zu weiteren Neuinterpretationen führt. Die Autorität

wQualität. der neutestamentlichen Schriften, deren Verfasserschaft heute strittig

Das Ganze nützt der Erforschung des armenischen Bibeltextesund ist, besteht also in ihrer Fähigkeit, die ältere Tradition durch Neu-

sciner Geschichte einschließlich der Kodikologic. Cox' Buch belegt gestaltung als lebendig zu erweisen. In den Pastoralbriefen tritt mehr

schön, daß die Forschung an der armenischen Bibel, die in den letzten die praktische Anpassung an neue Probleme hervor, im Kolosser- und

Jahren wieder in Schwung gekommen ist (vgl. C. Cox, Biblical Studies Ephcserbrief eher die theologische Entfaltung der paulinischen Tradi-

and the Armenian Bible, 1955-1980, RB89, 1982, 99-113). weiter- tion. Das gilt auch für die Schriften der petrinischen Tradition, von

geht. Aber das ist nicht alles. Der Text der Hexapla ist ja fast nicht er- denen der erste Petrusbrief vielleicht von Petrus selbst stammen kann,

halten, die Zeichen der LXX-Spalte nur fragmentarisch und fehler- Auch in ihm wird jedoch die Tradition Für spätere Generationen

halt. Die armenische Tradition bestätigt, korrigiert und ergänzt neuinterpretiert.

Wesentlich, was wir sonst wissen. Sie hilft so, Origenes' LXX- In den Neuinterpretationen sieht M. einen legitimen Anlaß zur AbBearbeitung
zu rekonstruieren, und das wiederum ist ein Beitrag zur lässung pseudonymer Schriften, so daß er, im Gegensatz zur landlüufi-
FeststellungdesLXX-Textes, den er benutzte. gen Meinung den „unschädlichen" Laodizenerbrief z. B., der ja nur
Es gibt übrigens in armenischen Bibelhandschriften auch Rand- eine Katene paulinischer Sätze darstellt, gerade deswegen für eine
'esarten aus Aquila. Symmachus, Theodotion und Ähnliches, einige illegitime Pseudonyme Schrift hält. Den Begriffder interpretierenden
schon in Oskans Erstdruck der armenischen Bibel (Amsterdam 1666) Tradition hat M. vor allem aus dem alttestamentlichen Bereich
und bei Zohrapcan (weiter A. Zanolli, Lezioni marginali ai quattro übernommen, wobei er z. T. an die Arbeiten von B. S. Childs und
libri dei Re. In un codice armeno dell' anno 1328, Atti del Reale P. R. Ackroyd anknüpft. Die Idee des geistigen Eigentums, die dei alt-
Istituto Venetodi scienze, lettere ed arti 87, 1927-28,11, 1217-1235; testamentlichen Zeit fremd war, stammte, so M.. aus der griechischen
I* Johnson, Some Remarks on the Marginal Notes in Armenian Kultur. Da das griechische Denken ja auch das Urchristentum beein-
' Samuel, in: M. E. Stone ed., Armenian and Biblical Studies, Jerusa- llußte, bedienten sich demnach die christlichen interpretierenden
'em 1976, 17-20; M. E. Stone. Additional Note on the Marginalia in Traditionen einer Praxis, die als Fälschung betrachtet werden mußte
4 Kingdoms. a.a.O., 21 f; vgl. J. N. Birdsall. Traces of the Jewish (S. 2160-

^reek Biblical Versions in Gcorgian Manuscript Sources, JSS 17, Erst im Nachwort stellt sich M. die prinzipielle Frage nach dem

"^2, 83-92). Sie sind womöglich erst mittelalterlich (Johnson 20). Verhältnis von Traditionsprozeß zur Wirklichkeit des abgeschlos*

arjer untersucht sollten sie werden. Cox schrieb mir. er habe Material senen Kanons (S. 2160- Hat die Bildung des Kanons nicht den Prozeß

a!ur- der Aktualisierung unterbrochen? Die Prozeßtheologic. die die

li„: , ., . Untersuchung des alttestamentlichen Traditionsprozesses gelordert

nuoclbcrg Christoph Burchard "

hat, muß hier mit Ja antworten. M. ist anderer Meinung. Für ihn ist

der Kanon die autoritative Sammlung der Traditionen, die jeder

M„.,j r-> • . . ... späteren inspirierten Neuinterpretation als Norm gegenübersteht. Das

■<-.HK'. Uavid G.: Pseudonvnutv and Canon. An Investigation into , . , . . . . , . . . , „_„

the Relationship of Authorship and Authon.y in Jewish and '"^nerte deckt sich also nicht mit dem Kanonischen (S. 209 u. a.).

Earliest Christian Tradition. Tübingen: Mohr 1986. VII, 257 S. gr. Zum Scnluß w,rd auch erahnt, daß die Abgeschlossenheit des

8' = W(JNT, 39 Lw DM 98 - Kanons die Einmaligkeit der von ihm retlektierten Ereignisse wider-

1 spiegelt. Nicht alle Studien über die Pseudonymität in der Bibel haben
'n den letzten fünfzehn Jahren haben sich mehrere Forscher mit diesen spezifischen Zug der kanonischen Pseudonymität erkannt,
'lern Problem der Anonymität und Pseudonymität in der Literatur des Nun stellt gerade diese Beobachtung einige Zwischenergebnisse der
^'lertums beschäftigt - z. B. K. Aland. H. R. Balz, N. Brox. vorliegenden Arbeit in Frage. Es bedeutet nämlich, daß das Haupt-
•-M. Fischer, D. Guthrie. M. Hcngel. W. Speyer und J. Zmijewski - motiv für die Pseudonyme Abfassung einiger Schriften des Neuen
Urn nur einige im neutestamentlichen Bereich zu nennen. M. bietet Testaments die äußere Unterstützung durch Verbindung mit den
zunächst eine verläßliche Übersicht der bisherigen Forschung. Kri- Zeugen der Inkarnation war. was z. B. m. E. im zweiten Petrusbrief
''sch beurteilt er vor allem die religionsphänomenologische Ableitung der Fall ist. Dann gewinnt auch die Frage der moralischen Beurteilung
der Pseudepigraphie (ekstatische Identifizierung mit dem angeblichen solcher Praktiken größere Bedeutung und ist nicht nur mit den Miterfasser
), die mit schwer verifizierbaren Kategorien arbeitet. Seine teln der Bibelwissenschaft zu lösen. Man muß sich mit ihr auch auf-
ntik beläßt sich auch mit der Theorie von Kurt Aland über die pseu- grund systematischer Überlegungen auseinandersetzen. Schade, daß
tymen Schriften des neutestamentlichen Kanons, deren Autoren M. die parallel erschienene Studie von L. R. Donelson, Pseudepi-
für Sprecher des Heiligen Geistes hielten. Er kann sich auch nicht graphy and Ethical Argument in the Pastoral Epistles! Tübingen
r -Schultheorie" anschließen, denn im Rahmen der vergleichbaren 1986. nicht berücksichtigen konnte.
antikcn Schulen gibt es keinen eindeutigen Beweis Für das Schreiben M. sind wir trotzdem sowohl Für den Forschungsbericht als auch Für
n|crdeni Namen des Lehrers. die sorgfältige Untersuchung der autoritativen Traditionen des Alten
"i untersucht vor allem die Funktion der Pseudonymen Schriften und des Neuen Testaments sehr dankbar.
m Dienste der Entfaltung einer Tradition. Er berücksichtigt dabei Prag PetrPokornv