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Ausgabe: | 1988 |
Spalte: | 61-63 |
Kategorie: | Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik |
Autor/Hrsg.: | Leuenberger, Samuel |
Titel/Untertitel: | Cultus ancilla scripturae 1988 |
Rezensent: | Schmidt-Lauber, Hans-Christoph |
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Theologische Literaturzeitung 113. Jahrgang 1988 Nr. 1
62,
Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft
Die Arbeit hat das Verdienst, daß sie in der gegenwärtigen homileti- und noch stark von der „Römischen Meßstruktur" bestimmt sein soll
sehen Diskussion an den Beitrag der Predigtgeschichte erinnert. Sie (11). Bei der sehr summarischen Darstellung des (gereinigten) Kanons
ze'gt aber auch, daß ein von der Homiletik her bestimmter, spezifi- - der Begriff taucht im BCP nicht mehr auf - wird zwar die Absicht
scher Zugang zu ihr noch nicht gefunden ist. Zum einen erweist sich richtig erkannt, an die alte westliche Tradition anzuknüpfen, deren
der methodische Ansatz bei der Predigt als „Medium der Kirche" als reformatorische Umformung aber völlig übersehen: Die sieben Forunzulänglich
, und zum andern kann eine geschichtstheologisch ,auf- mein der Opferdarbringung sind eleminiert. Das Gedächtnis der
gehobene' Predigtgeschichte eben nur das als Ergebnis bieten, was sie Heiligen (Communicantes) ist umgeformt zur Danksagung im Sinne
schon voraussetzt, nämlich eine bestimmte geschichtstheologische von Hebr 12,1, wobei die Erwähnung der Jungfrau Maria aufgrund
Position, die als übergeordneter Maßstab fungiert. So bleibt der von Lk 1,48 in den reformatorischen Kirchen erst mit dem 30jährigen
Nutzen der Predigtgeschichte für die gegenwärtige Homiletik und Pre- Krieg problematisch wird. Das Gedächtnis der Verstorbenen (Com-
digt noch zu erschließen. municantes), und zwar derer, die "with the signe of faith" von uns
Haan HenningTheurich geschieden sind, wird hier sogleich angefügt mit einem eschatologi-
schen Ausblick, der uns einschließt. Gegen die römische Opferformel
(Quam oblationem) wird auf Christus, den einigen Mittler und Fürsprecher
, rekurriert. Die Bitte um Abnahme des Opfers (Hanc igitur)
wird im Sinne von Hebr 12,9 usw. geradezu zu einem reformatorischen
Bekenntnis umgewandelt. Die westliche (Rest-)Epiklese vor den
. verba testamenti ist in ihrer der östlichen Konsekrationsepiklese des
euenberger, Samuel: Cultus Ancilla Scripturae. Das Book of 4. Jh. polemisch entgegengesetzten Zielrichtung völlig verkannt: Sie
^ommon Prayer als erweckliche Liturgie - ein Vermächtnis des wejst f di verba testamenti als das eigentliche Zentrum. Christi
Humanismus. Basel: Reinhardt i. Komm. 1986. [8], 404 S. 8* = ... .,___, ... . ° „ _ .
Ths«i„„- t. t^- • ■-> i, k # , i Worte sind es, die das Abendmahl einsetzen, zur Gegenwart machen
'neologischeDissertationen, 17. Kart. DM 38,-. , .
und sein Testament verkundigen (Luther). Diese Zusammenhänge
Der Schweizerische reformierte Pfarrer Samuel Leuenberger legt hätte der Vf. bei einem genaueren Textvergleich unschwer erkennen
■n« dieser Arbeit seine 1984 von der Theologischen Fakultät der können. Gerade dieser Teil des BCP 1549 ist ein hervorragendes und
sudafrikanischen Universität Stellenbosch approbierte Dissertation seltenes Beispiel für die etwa von Martin Luther intendierte, ihm
v°r. Sie ist die Frucht einer intensiven Begegnung mit dem anglikani- selbst aber im Nahverhältnis zu seinen theologischen Gegnern nicht
sehen Gottesdienst und ihrem einzigartigen Book of Common Prayer mehr gelungene „Reinigung der Messe" im evangelischen Sinne.
(=ßCP). Dabei wird die Geschichte des BCP von den beiden ersten Auch wenn man - wieder mit Luther 1526 - die Reduktion der
Ausgaben Edwards VI. 1549 und 1552 (Cranmer) über die vom späte- IKorll,24par aufgetragenen Danksagung auf die Rezitation der
ren Puritanismus beeinflußte Revision von 1662, dann die anglo- Herrenworte theologisch vertritt, müßte eine Anerkennung dieser in
atnolischen Bestrebungen der (ersten) Oxford-Bewegung bis zum England vollbrachten reformatorischen Leistung möglich sein,
(am Parlament gescheiterten) Revisionsversuch von 1927/28 und Hier liegt dann auch wohl die Schwierigkeit begründet, die jüngste
schließlich dem Alternative Service Book von 1980 aufzuzeigen Liturgiereform des BCP, das Alternative Service Book 1980, zu vergesucht
. Dies ist ein Programm, das - erstmals in deutscher Sprache - stehen und kritisch zu würdigen (Kapitel 5, 323-378). Sie direkt aus
e'ne umfassende Liturgiegeschichte der anglikanischen Gottesdienst- dem Anglokatholizismus abzuleiten bedeutet eine radikale Verkür-
tradition erwarten läßt^und damit den Zugang zu „einer der schönsten zung der vielschichtigen Tendenzen und Einflüsse, die hier zum
und bedeutendsten Liturgien der ganzen Kirchengeschichte" (G. W. Tragen gekommen sind, und eine Verkennung der angelsächsischen
Locher/Bern im Geleitwort). Vorliebe für den Kompromiß.
Diese Erwartungen werden nun aber - um es vorweg zu sagen - nur Im vierten Kapitel, bei der Darstellung des BCP von 1662, dem das
zum Teil erfüllt. Der Vf. gibt schon im Titel zu erkennen, daß er die Herz des Vf. zugewandt ist, zeigt er, daß er das „Kräftespiel" unter-
P-Tradition unter dem Gesichtspunkt einer erwecklichen Liturgie schiedlicher theologischer Strömungen sehr wohl zu würdigen ver-
Und vom englischen Puritanismus her darstellen will. In seiner Einlei- steht, nämlich „puritanische Mentalität" und „royalistisch-episko-
tUr>g erklärt er ganz offen seine Absicht, „dem Ursprung d(ies)er palistisch hochkirchliche Spiritualität", aus denen „ein im besten
erwecklichen Elemente nachzuspüren und aufzuzeigen, durch welche Sinn ausgeglichenes Book of Common Prayer entstand, in dem die
anale sie schließlich ins BCP 1662 gelangt sind . . . Höhepunkt (ist) legitimen Anliegen beider Hauptfronten berücksichtigt sind, ohne die
35 .kanonische' Gebetbuch von 1662". Er will „den Promotor Reformatorischen Anliegen preiszugeben" (171). Warum nicht auch
erwecklicher Spiritualität, nämlich den Puritanismus, auf den Leuch- bei der Darstellung der jüngsten Entwicklung?
• • stellen". Damit verbindet er den „Auftrag, (die) negative Seite Ausführlich wird im zweiten Kapitel das Vordringen reformierter
aufzuzeigen", nämlich die Kräfte, „die das genuin Reformatorische und oberdeutscher Einflüsse durch Petrus Martyr Vermigli, Martin
e des erwecklichen BCP zugunsten einer .Complexio Opposito- Bucer und John Hooper dargestellt, die Cranmer in der kurzen Zeitig01
aufgeben durch ein Sympathisieren mit Römisch-Katholischen spanne von drei Jahren zu einer Revision seines BCP veranlaßten-im
raditionen" (I). Man kann der Anglikanischen Kirche wohl keinen Sinne reformierter Theologie (Ablehnung der Realpräsenz und der
größeren Tort antun, als eine der in ihr behausten Richtungen zum manducatio impiorum - hierbei verwendet der Vf. den Terminus
gens einer Gesamtdarstellung der Entwicklung zu erklären; denn „character indelebilis" statt für die priesterliche Weihevollmacht für
Sle hat wie keine andere in allen Phasen ihrer Entwicklung evangelisch die bleibende sakramentale Qualität der Elemente, 22). Aber auch
j^d katholisch (in Distanz zu Rom) zu verbinden gesucht, auch in der Bucers Vermittlungstheologie kommt zur Geltung (99). Daß dem Vf.
ase des Puritanismus. Daß das spätere BCP 1662 weitestgehend der dogmen- und liturgiegeschichtliche Bezug nicht immer gelingen
rrnal wie inhaltlich an die BCP-Tradition anknüpfte und dieses will, zeigen seine terminologische Unsicherheit (Der character indele-
n,cht abschaffte, wie der spätere deutsche Pietismus die reformatori- bilis wird von der Weihevollmacht des Priesters auf die bleibende
^hen Kirchenordnungen, ist ein nicht zu übersehender Beweis. Wenn sakramentale Qualität der Elemente übertragen, 22), die unscharfe
man die durch die Fragestellung vorgenommene methodische Ein- Begriffsbestimmung von „erwecklich" (iif, solche Kriterien könnten
grenzung dieser Darstellung der anglikanischen Gottesdiensttradition selbst Luther zum Promotor des Puritanismus werden lassen) sowie
j'Uch bedauern mag, so wird man die Entscheidung des Autors respek- eine unbekümmerte Vereinnahmungstendenz (auch konfessionelle
ren und mit ihm in einen Dialog eintreten können. Lutheraner wie W.Löhe und C.Harms werden Kronzeugen des
'm ersten-recht knappen-Kapitel wird das erste BCP 1549 vorge- erwecklichen Puritanismus, iv). Trotzdem hat der Vf. sicher die
ste'lt, dessen „Hauptakzent auf der Abendmahlsliturgie" liegen (9) Grundzüge der Entwicklung gut erfaßt und dokumentiert. DaßCran-