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Ausgabe:

1988

Spalte:

632-635

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Sobrino, Jon

Titel/Untertitel:

The true church and the poor 1988

Rezensent:

Gassmann, Günther

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 1 13. Jahrgang 1988 Nr. 8

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13fT, 322fi). Über die psychologischen Schwierigkeiten einer Beweiserhebung
darüber ist Flatten sich allerdings klar (S. 17 fT, 343 ff).

Dem evangelischen Leser scheint diese Subtilität schließlich erklärbar
aus dem immer wieder spürbaren Willen Flattens, den von ihm
deutlich erkannten und sichtlich einfühlend gewürdigten Härten des
katholischen Eherechts wenigstens in besonders belasteten Grenzlinien
mildernd zu begegnen (S. 123fT, 135fT, 268ff, mit lebensnahen
Beispielfallen). Flattens ausführlich begründete Forderung, in einer
Neuregelung die Fälle eines Irrtums oder einer Täuschung bei der
Eheschließung über wesentliche Gesichtspunkte zur Nichtigkeit genügen
zu lassen (S. 139ff), ist vom neuen Codex in can. 1097 § 2 und
can. 1098 neu und im Sinne seiner Zielsetzung geregelt worden (vgl.
Primetshofer a.a.O., S. 7710- Auch wenn die gewählten Lösungswege
Flattens dem evangelischen Leser nicht gangbar erscheinen, so
wird dieser doch seine Treue zum Leitbild der lebenslangen Ehe ebenso
hochachten wie seine seelsorgerliche Einfühlung anerkennen.

Karlsruhe Albert Stein

Müller, Ludger: Kirche, Staat, Kirchenrecht. Der Ingolstädter Kanonist
Franz Xaver Zech SJ (1692-1772). Regensburg: Pustet 1986.
192 S. gr. 8° = Eichstätter Studien, N. F. 22. Kart. DM 48,-.

Die katholische Kirchenrechtswissenschaft des 18. Jh. ist durch
zwei Denkbewegungen gekennzeichnet: durch den Episkopalismus,
der durch Nikolaus von Hontheim („Febronius") auf den Begriff gebracht
wurde, sowie die sukzessive Übernahme des Gedankengutes
der Aufklärung, wie es geradezu exemplarisch in der Würzburger
Kanonistenschule des Johann Kaspar Barthel (1697-1771) geschah.
Hier kann man sehr schön beobachten, welchen Rang das Naturrecht
beansprucht, das nun neben die Heilige Schrift und die Kirchenväter
tritt und den Inhalt der lex divina bestimmt. Die „katholische Aufklärung
" fand in Bayern im Staatsrechtslehrer Johann Adam von
Ickstatt, dem Ingolstädter Universitätsdirektor, ihre besondere Ausprägung
. Dieser stand der Würzburger Schule durchaus nahe, ähnlich
wie der Trierer Kanonist Georg Christoph Neiler (1709-1783), der
Verfasser eines späterhin auf den Index gesetzten Lehrbuchs des
Kirchenrechts.

Ist mit diesen Namen ein Ensemble vorsichtig bis entschieden aufklärerisch
argumentierender Kanonisten dieser Zeit genannt, so ist
zugleich der Bezugsrahmen angedeutet, in dem sich die vorliegende,
klug und überzeugend gegliederte (von Peter Krämer in Eichstätt angeregte
und betreute) theologische Dissertation bewegt. Sie befaßt sich
nun freilich nicht mit einem der erwähnten Persönlichkeiten, deren
wissenschaftsgeschichtliche Potenz längst gewürdigt wurde, sondern
mit einem anderen Fachkollegen, der streckenweise zu den Gegnern
der Genannten gehörte, dem aus der Jesuitenschule kommenden
Ingolstädter Kanonisten Franz Xaver Zech (1692-1772). Über diesen
hat der vorerwähnte Hontheim ein charakteristisches Urteil gefällt,
daß er, „ein Mann von gemäßigter Gesinnung", seinen Ordensbrüdern
, die bislang etwas zum Kirchenrecht publiziert hätten, „den
Siegespreis entrissen hat". „Aber", so heißt es dann weiter, „er ist ein
Jesuit, das heißt ein Mann seines, oder - um es richtiger zu sagen -
seiner Gesellschaft Geistes, der, wenn es um die absolute kirchliche
Monarchie des Papstes, um dessen Unfehlbarkeit, seine Überordnung
über das Konzil, sein ordentliches universales bischöfliches Amt und
alle übrigen Ansichten der Ultramontanen geht (. . .) weder anders
denken noch anders schreiben kann als der gesamte Jesuitenorden"
(zit. S 70).

Es gelingt der Arbeit recht gut, nach einem mehr biographisch
orientierten und Zechs wissenschaftliches (Evre umrißartig darstellenden
ersten Teil dieses Urteil im großen und ganzen zu verifizieren,
ihn also in der Tradition seines Ordens zu sehen und vor dem Hintergrund
seiner Amtsvorgänger Franz Schmalzgrueber und Vitus Pichler
systematisch zu analysieren. Das geschieht anhand der Grundlagenfragen
zum Kirchenrecht, etwa dem Gesetzesbegriff und Kirchenbegriff
, ebenso wie den Grundfragen zur Kirchenrcchtslehre und
Kirchenrechtstheorie. Hier fließt auch gelegentlich ein Vergleich mit
der protestantischen Kirchenrechtswissenschaft (S. 106f, 1180 ein.
Und das geschieht namentlich im dritten Teil, der „die Kirche in ihrer
inneren und äußeren Verfaßtheit" (S. 134ff) thematisiert. Besonderes
Interesse verdient hier der Abschnitt über das Verhältnis der Kirche
zum Staat (S. 165ff), insbesondere die Frage, wie sich Zech zur
Geltung der Religionsfricdensschlüsse von 1555 und 1648 stellt. Bekanntlich
hatten die Päpste deren Geltung verworfen und damit eine
schwierige Pflichten- und Loyalitätskollision bewirkt, aus der sich der
Jesuit P. Laymann als erster dadurch befreite, daß er vom Vertragscharakter
der Religionsfriedensnorm ausging und sie solcherart der
päpstlichen Einflußnahme entzog. Zech argumentierte nun anders, er
anerkennt die Friedensvereinbarungen ausdrücklich als Gesetz, die
trotz Widerspruchs zum kanonischen Recht gelten, weil sie größere
Übel verhüten (S. 177). In enger sachlicher Nähe dazu steht dann die
Erörterung des Reformationsrechts und des Verhältnisses zu den
nichtkatholisch_en Christen. Diese bezeichnet Zech als Häretiker und
Schismatiker, ohne freilich den geschäftlichen Umgang oder die Eheschließung
mit ihnen (sofern nicht ein anderes Ehehindernis, etwa die
Gefahr des Glaubensabfalls, vorliegt) zu verbieten. Zechs grundsätzliche
(nicht widerspruchsfreie) Einstellung zum Kirche-Staat-Verhältnis
wird abschließend noch am Beispiel der Concordata Nationis
Germanicae entfaltet, wobei der Vf. eine zwiespältige Linie, keine
konsequente und schlüssige Theorie, konstatiert.

Wien Karl Schwarz

Ökumenik: 'Allgemeines

Sobrino, Jon: The True Church and the Poor. Transl. from the
Spanish by M. J. O'Connell. Maryknoll: Orbis Books 1984. X, 374
S.8*. Kart.S 13.95.

Jon Sobrino lehrt Philosophie und Theologie an der Universität
Jose Simeon Canas in El Salvador. Der aus Spanien stammende
Jesuit, der 1975 an der Hochschule St. Georgen in Frankfurt promoviert
hat, zählt heute zu den wichtigsten Vertretern der Theologie der
Befreiung in Lateinamerika. Der vorliegende Band enthält zehn Vorträge
und Aufsätze, die nun in englischer Übersetzung vorliegen: 1)
Theological Understanding in European and Latin American Theo-
logy, 2) The Promotion of Justice asan Essential Requirement ofthe
.Gospel Message, 3) The Service of Faith and the Promotion of Justice.
4) The Church ofthe Poor: Resurrection ofthe True Church, 5) The
Experience ofGod in the Church ofthe Poor, 6) The Witness ofthe
Church in Latin America: Between Life and Death, 7) Unity and
Conflicts in the Church, 8) Theological Signiticance of "Persccution
ofthe Church" Apropos the Archidiocese of San Salvador, 9) Evange-
lization as Mission of the Church, 10) Religious Life in the Third
World. Wir können die in den zehn Beiträgen entfaltete Fülle der
Aspekte und theologischen Perspektiven nicht referieren und müssen
uns auf Hinweise zu einigen Ausführungen beschränken, die allerdings
exemplarisch für das Denken Sobrinos sind.

In einer kurzen Einleitung zu den Beiträgen erläutert Sobrino
seinen ekklesiologischcn Ansatz. Er will nicht von einer Theorie über
die Kirche ausgehen, sondern von deren gegenwärtiger historischer
Wirklichkeit, insofern Gott sich in ihr manifestiert. „Die Geschichte
der Kirche ist Teil des Wesens der Kirche" (S. 3). Was in der Kirche
geschieht, muß daher Quelle theologischen Vcrstehens sein. Die
Manifestierung Gottes in der Kirche hier und jetzt in Lateinamerika
zeigt sich „in seiner skandalösen und parteiischen Liebe für die
Armen und in seinem Willen, daß diese Armen Leben empfangen
sollen und so sein Reich inaugurieren" (S. 2). Die dieser Manifestierung
Gottes gemäße Antwort des Glaubens der Kirche und in der
Kirche besteht darin, sich aktiv für die Gerechtigkeit des Reiches