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Ausgabe:

1988

Spalte:

543-545

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Klimek, Nicolaus

Titel/Untertitel:

Der Gott - der Liebe ist 1988

Rezensent:

Krötke, Wolf

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Theologische Literaturzeitung I 13. Jahrgang 1988 Nr. 7

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medienkompetenten, therapeutischen und mystischen Glauben biete.
Die „Glaubenswende" wendet sich an einen breiteren Leserkreis, fügt
aber den in der „Glaubensgeschichtlichen Wende" und an anderen
Stellen dargestellten Gedanken kaum neues hinzu (Glaube in dürftiger
Zeit - Vom Sinn gescheiterter Glaubensversuche - Der Anfang des
Glaubens - Wie kommt man zum Glauben? - Stehen wir vor einer
glaubensgeschichtlichen Wende? - Religiöse Spurensuche - Welcher
Zukunft geht die Kirche entgegen? - Welcher Zukunft geht die
Theologie entgegen?).

So überraschend diese Gedanken anmuten mögen, und so eklektisch
B. bisweilen argumentieren mag, ist immer wieder die kritische
Durchsicht der gegenwärtigen geistcsgeschichtlichen Situation ein
dringendes Desiderat theologischen Arbeitens.

R. M.

Systematische Theologie: Dogmatik

Klimek, Nicolaus: Der Gott - der Liebe ist. Zur trinitarischen Auslegung
des Begriffs „Liebe" bei Eberhard Jüngel. Essen: Die Blaue
Eule 1986. 123 S. 8" = Theologie in der Blauen Eule, I.DM 24,-.

Der Vf. beschäftigt sich vor allem mit E. Jüngels Buch: Gott als
Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten
im Streit zwischen Theismus und Atheismus, Tübingen 1986, 5. Aull.
Er will prüfen, ob Jüngels Versuch, Gott vom Kreuz Jesu Christi her
als Liebe zu denken, tragfähig ist. Diese Prüfung impliziert die Frage,
ob die Befreiung der Theologie und der Verkündigung von der Herrschaft
des metaphysischen Gottesgedankens, um die es Jüngel geht, gelungen
ist, ja ob sie überhaupt gelingen kann. Der Vf. geht so vor, daß er
zunächst den Begriff„Liebe" untersucht, den Jüngel verwendet (24-50),
dann in einem zweiten Teil Jüngels Sicht des metaphysischen Gottesgedankens
beleuchtet (51-76) und schließlich die Trinitarischc Explikation
des Verständnisses Gottes als Liebe hinterfragt (77-103).

Schon aus dieser Gliederung der Arbeit wird deutlich, worauf der
Vf. hinaus will. Er bestreitet nämlich, daß Jüngel das Verständnis der
Liebe, die Gott ist, wirklich vom Kreuz Jesu Christi her gedacht hat.
Die materiale Bestimmung der Liebe als „Einheit von Leben und
Tod zugunsten des Lebens" ist nach Ansicht des Vf. heimlich regiert
von einem anthropologischen „Vorverständnis" der Liebe, das dann
freilich erst in einer „nachgeschobenen phänomenologischen Betrachtung
" offen gelegt wird (49ff). Mit anderen Worten: die Überwindung
der „natürlichen Theologie" bei Jüngel ist nur scheinbar. Der
Vf. belegt diese Behauptung der „Zweideutigkeit" Jüngels in der
Methode und in der Sache (vgl. 107) mit folgenden Argumenten, die
zum größten Teil aus der katholischen Auseinandersetzung mit Jüngel
stammen:

1. Der Tod eines Menschen kann überhaupt nicht Ausgangspunkt
für eine Wesensbestimmung der Liebe sein. Denn „vom Phänomen
des Todes allein kommt man schwer auf die Liebe" (42). Ein „toter
Gott" kann nicht „die Liebe sein" (41).

2. Der Begriff der Liebe, den Jüngel vor allem im Anschluß an
J. Pieper („Über die Liebe", München 1972) erarbeitet, ist unzureichend
und „taugt" nicht als „Definition des göttlichen Wesens" (49).
Jüngel definiert die Liebe „als Ereignis einer inmitten noch so großer
und mit Recht noch so großer Selbstbezogenheit immer noch größeren
Selbstlosigkeit" (34). Faktisch wertet er nach Ansicht des Vf. aber
die „Eros-Struktur" der Liebe ab (47) und bringt die „Einheit", die die
Liebe schafft, nicht hinreichend zur Geltung. Das hat zur Folge, daß
die Anwendung dieses Liebesbegriffes auf Gott „lediglich reine Selbstlosigkeit
" aussagt, „aber niemals . . . einen Eros, der vom anderen fasziniert
ist" (108). .

3. Da Jüngel sich der „natürlichen Theologie" auf „verschleierte"
Weise bedient, kann er das Anliegen rationaler Darlegung des Glaubens
nicht wahrnehmen und steht so im Verdacht, „Unvernünftiges"
zu begründen (ebd.).

Von dieser fundamentalen Infragestellungdes ganzen theologischen
Ansatzes Jüngels her moniert der Vf. weiter, daß auch die trinitarische
Explikation des Verständnisses des Wesens Gottes als Liebe nicht gelungen
sei. Denn „für den Gedanken der Trinität ist nicht eigentlich
das Kreuz ausschlaggebend", wie Jüngel meint, „weil es nur vom Leben
Jesu her verstanden werden kann und die Trinität erst in der Auferstehung
als solche .erfahrbar' wird" (93). Gottes Liebe kann man als
„interpersonales Ereignis" nur von der Beziehung des Lebens Jesu auf
Gott her denken. Sie wird als „göttlich" deshalb nicht aufgrund des
Leidens und Sterben Christi verstanden, sondern trotz dieses Leidens
und Sterbens. Der Vf. meint, sich mit dieser Behauptung gegen die
Konsequenz schützen zu müssen, „Gott sei vorder Menschwerdung,
also vor dem Leben Jesu nicht Gott gewesen" (99). Denn diese Konsequenz
vermutet er als Folge dessen, daß Jüngel die Trinität in der
Einheit von immanenter und ökonomischer Trinität versteht. Demgegenüber
möchte er durch „metaphysische Wesensbestimmungen"
den ewigen und schlechthin vorangehenden Charakter des Seins Gottes
gewahrt sehen, während Jüngel vorgeworfen wird, er habe mit dem
„gänzlichen Verzicht auf eine traditionelle metaphysische Wesensbestimmung
Gottes ,das Kind mit dem Bade ausgeschüttet'" (109).

In Summa ergibt sich: „Die Behauptung, das Wesen Gottes sei
Liebe und könne ausschließlich nur als Liebe beschrieben werden",
ist „weder vom biblischen Zeugnis noch von der Bestimmung der
Liebe herzu begründen" (ebd.).

Die Schwierigkeil der Beurteilung dieser Totalkritik an Jüngels
Versuch, eine eindeutige Alternative zu dem tief in die Krise geratenen
metaphysischen Gottesgedanken zu erarbeiten, liegt darin, daß
der Vf. Jüngel Positionen unterstellt, die sich bei Jüngel gar nicht
nachweisen lassen. Es ist falsch, daß Jüngel vom Tode Jesu Christi
redet, ohne die Aulerstehung zu berücksichtigen. Es ist nicht richtig,
daß er den Charakter der Liebe als „Selbstbezogenheit" in der Analyse
des Phänomens der Liebe und in der Trinitätslchrc abwertet. Es ist
unzutreffend, daß dasT;ben Jesu und seine Verkündigung nicht fundamental
wichtig für die Präzisierung des biblischen Gottesgedankens
sind. Es stimmt nicht, daß Jüngel den Gesichtspunkt der Freiheit Gottes
unterschlägt, in der er als Liebe allem Menschsein, auch dem
Menschscin Jesu zuvorkommt. Insofern dürfte auch hier die Klage am
Platze sein, „daß einem Aufbrechenden allerlei nachgerufen wird",
das sich schwer mit dem verträgt, was schwarz auf weiß geschrieben
steht (vgl. „Gott als Geheimnis", Vorwort zur 5. Aufl., VI).

Noch bedenklicher als dieses Bedenkliche stimmt freilich, daß der
Vf. sich ganz unempfindlich zeigt für die Aporie, die bei Jüngel detailliert
bedacht wird und auf deren Hintergrund allererst verstchbar
wird, was das Verständnis Gottes als Liebe heute für die Verkündigung
der Kirche und die auf sie bezogene Theologie leistet. Jüngels
Analyse des metaphysischen Gottesgedankens läuft ja darauf hinaus,
daß dieser Gedanke sich in der Neuzeit notwendig zersetzt, wenn die
Existenz Gottes im Unterschied zu Gottes Wesen durch den Menschen
sichergestellt werden muß. Der Gott, dessen Existenz erst vom
Menschen Notwendigkeit und Funktion bekommt, ist gerade nicht
der freie Gott, der von sich her begegnend verkündigt und geglaubt
werden kann. Der Gedanke eines solchen Gottes wird darum ja auch
ein billiges Opfer der neuzeitlichen Religionskritik. Demgegenüber ist
das Verständnis Gottes in der Einheit von Existenz und Wesen ein
theologischer Schritt ins Freie, der es ermöglicht, Gott der Verwechslung
mit einem Produkt des Menschen zu entziehen und ihn doch
ganz als zum Menschen kommenden Gott zu verstehen. Wenn der Vf.
nun unterstellt, daß Jüngel hierbei einen vorgefaßten BcgrifTder Liebe
auf Gottes freies trinitarisches Sein überträgt, dann unterschlägt er,
daß Jüngel sich der Frage des unausweichlichen menschlichen Redens
von Gott in seiner Analogiclehre ausführlich gestellt hat. Es ist gaf
nicht möglich, zu verstehen, worum es Jüngel geht, wenn man - wie
der Vf. - die Frage ausklammert, wie Gott als Liebe im menschlichen
Wort unverwechselbar zur Sprache kommen kann. Gerade die von
Jüngel so genannte „Analogie des Advent" schließt ja auch aus. was
der Vf. gegen Jüngel meint einwenden zu müssen: nämlich die Abhän-