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Ausgabe:

1987

Spalte:

685-687

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Bühlmann, Walbert

Titel/Untertitel:

Leben, Sterben, Leben 1987

Rezensent:

Winter, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung I 12. Jahrgang 1987 Nr. 9

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mehr sein, vor allem nicht im Gespräch mit Naturwissenschaftlern.
Aber selbst Eccles sagt nur, daß seine Überlegungen zur natürlichen
Theologie nicht gegen das Christentum sprechen (II, 237). Dieser
..Schöpfer" ist noch nicht der Vater Jesu Christi, dieser „Geist" noch
nicht der Heilige Geist, diese unsterbliche Seele noch nicht das Ewige
Leben. Die Theologie braucht nicht in den Chor der Eccles-Kri-
tiker einzustimmen, sollte ihn aber ebensowenig voreilig als hilfreichen
Bundesgenossen gegen eine monistische Naturwissenschaft
Bejubeln.

Aachen Sigurd Martin Daccke

Bühlmann, Walbert: Leben - Sterben - Leben. Fragen um Tod und
Jenseits. Graz-Wien-Köln: Styria 1985.240 S. 8 Kart. öS 198.-.

Der Kapuziner und Theologe hat sich nach Jahren missionarischer
Aktivität und als Generalsekretär für missionarische Animation seines
Ordens in die Stille eines Schweizer Klosters zurückgezogen und
s,ch meditativ mit den Fragen nach Sterben und Leben des Menschen
befaßt. Auf einer Bergwanderung 1980 empfing er nach einer Zeit der
Leere die Intuition, „das Leben als eine lange Kette von Überraschun-
8en und den Tod als die große Überraschung zu verstehen" (211).
Neben mehr biblisch modern argumentierenden finden sich apologetische
Passagen, die mit systematisch-theologischen Überlegungen
und Ausflügen in Philosophie und Einzelwissenschaften, besonders
der Psychologie, versetzt sind. Das Ganze enthält auch meditativ
Behaltene Überlegungen zur Sinnfrage vom Tod und Leben. Karl
Rahner wird besonders gern neben einer Fülle von anderen Autoren
z,t|ert. Ein reiches Literaturverzeichnis (219-224) und viele Anmerkungen
(225-240) zieren das Buch. Es ist nicht leicht einzuordnen.

In „Ausklang?" (9.10) erklärt Vf. seine Absicht, durch Erfahrung,
■n einer „Art Mystagogie" (10) Menschen rechtzeitig an den Tod als
Problem heranzuführen, durch den sie auch vor Gott hindurchgeführt
Verden sollen.

nl. Die Frage auf Leben und Tod" (11 -26) trägt jeder in sich. Die
e'nen leben unbewußt in traditionellen Kulturen geborgen, andere in
der Welt des Absurden voller Heimweh. Angesichts der aufkommenden
Sinnkrise religiöser Nomaden und Leere, die mit der Gotteskrisc
zusammenfallt, muß die Kirche das aufgekommene religiöse Interesse
Beachten und immer neu sagen, daß Gott alle Menschen liebt und'sie
Angenommene sind, ohne daß sie den Katechismus kennen müssen.
Gerichtspredigt hat zurückzutreten.

»2. Zwei extreme Antworten" (27-50) auf die Frage nach Leben
und Tod gab es in der Vergangenheit. Mit Hilfe des mythischen Weltbildes
wurde dem Christen Himmel und Hölle dramatisch vorgeführt;
aber er fühlte sich dabei mehr bedroht als befreit, weil die Kernbot-
•Cbafl vom liebenden Vater zurücktrat. Jenseits der Kirchenmauern
Wlrkte andererseits das wissenschaftliche Weltbild des Evolutionis-
^us, Positivismus, Marxismus und Psychologismus und versuchte die
Menschen, auf ihre Weise mit dem Sinngehalt von Leben und Tod
^kanntzumachen, ohne daß das voll gelungen wäre.

>.3. Die Pisten der Menschheit" (51-122) sind Denk- und Lebenswege
der Menschen, die sie zu gehen versuchen, um Lebens- und
Todessinn zu finden. Vf. möchte diese Wege mitgehen, beschreibt ihre
Grenzen und Chancen und setzt ihnen dann „transzendierend" eine
theologische Antwort auf. Die Natur wird durch die Gnade vollendet:
dieser Satz wird gegenwartsbezogen variiert. Die sogenannte wissenschaftliche
(d. h. naturwissenschaftliche) Piste, die der Mensch im
M-akro- und Mikrokosmos beschreitet, führt den Menschen zum Stau-
nen. Ihr Telos und Sinn wird aus dem Fragen in die „Atmosphäre des
Glaubens" versetzt (70). Ebenso ist es. wenn man die psychologische.
Parapsychologische und religiöse Piste durchwandert. Immer kommt
der Mensch an einen toten Punkt, wo er, ohne daß es direkte Gottes-
°eweise gäbe, die Erfahrung machen kann, wie die offenen Wege der
Lehren vom Menschen „überhöht und vollendet (werden) durch den
christlichen Glauben" (122).

..4. Das christliche Menschenbild" (123-176) wird nun ohne Dek-
kung, ausgehend von Tod und Auferweckung Jesu Christi, besonders
unter dem Todesaspekt entfaltet. Das christologische Zeugnis - nicht
so sehr sein Ereignis, sondern seine Wirkung - ist heute zu aktualisieren
angesichts des Todesvorganges, der menschlich gesehen vielfältig
und nicht zu verhindern ist. In Christus ist der „Heilsuniversalismus"
(142) angelegt. Alle Menschen werden im Reich Gottes leben, Christen
wie NichtChristen:.....mit Recht erhoffen wir für jeden Menschen
in seiner Hingabe ins Todesgeheimnis seine Aufnahme bei
Gott" (143). NichtChristen, nichtkirchliche Christen, traditionell
praktizierende oder prophetisch lebende Christen machen da letztlich
keinen Unterschied. Der Vorgang der Auferweckung wird unter Aufnahme
einer bestimmten Lehre von der Unsterblichkeit der Seele,
einer Anlehnung der Wiedergeburt des Menschen im Sinne der
Seelen Wanderung und einer bestimmten Prozeßtheologie durchdiskutiert
. Dann führt Vf. seine zentrale Kategorie der „großen Überraschung
" (166) aus. Der Mensch, der eine unbestimmte Sehnsucht
nach Vollendung in sich trägt, wird von Gott überrascht und gelangt
zur vollen Gemeinschaft mit ihm.

„5. Christlich leben" (117-203) angesichts dieser universal
menschlichen und theologischen Schau versetzt die Christen in die
Lage, bewußter als bisher Freude und Leid eschatologisch zu nehmen,
frohgemut zu altern und mutig auf das Leben und die großen Fragen
der Menschheit um Friede, Hunger, Menschenrechte und Umwelt zuzugchen
.

„Anhang: Das große Welttheater 2001" (204-209) bietet einen
Neuentwurf, eine Art Drehbuch für den alten Calderonschen Titel.
Der Vf. möchte in Stich Worten die Fragen der heutigen Welt in Gott
darstellen. Die Welt des heutigen Menschen im Alltag, der Wissenschaft
, des Todes, der Psyche und des religiösen Interesses der Gegenwart
wird durch eine kerygmatische Interpretation dem übereignet,
der genannt wird: „Gott alles in allem".

Zu diesem mystischen Grundsatz bekennt sich der Vf. dann noch
einmal im Nachwort „Einklang" (210-218): „Da viele Menschen und
Strukturen in Welt und Kirche so hart sind, daß sie nicht in direkter
Konfrontation erschüttert werden können, und da nur einer stärker ist
als sie, der Heilige Geist, der Hauptregisseur des Welttheaters, ist es
sinnvoll, über ihn zu gehen, zu beten und zu hoffen, daß er durch seine
göttliche Inspiration die Herzen jener Menschen erleuchte und umwandle
" (2160-

Es ist ein reiches Buch, das das Studium lohnt; aber oft wirkt es zu
reich, zu gemacht harmonisch: 1. Ob auch die ideologischen Gegner
immer lange genug angehört werden? Besonders wird der Marxismus
an manchen Stellen unwirsch abgetan, ohne ausreichende theologische
Deckung. Ob die zitierten Einzelwissenschaften und Philosophien
sich ausreichend verstanden fühlen, mögen im übrigen ihre
Vertreter entscheiden. 2. Tod und Leben als menschliche Existcntiale
werden vielfältig durchbuchstabiert; aber manchmal kommt die
Todesinterpretation zu kurz, vielfach die des Lebens. Im Grunde versucht
Vf. nur bestimmte Seiten des Lebensgefuhls säkularer Menschen
besonders in Westeuropa anzusprechen und mit einem etwas
weniger deutlichen Todesgefühl zu verbinden. So schlägt dann das
Pendel zwischen Natur und Gnade manchmal überraschend aus.
Freilich zieht der Leser, wenn er darum weiß, daraus dann auch homiletischen
und seelsorgerlichen Gewinn. Meditationen müssen nicht
umfassend sein. 3. Der theologische Ansatz im engeren Sinn wird
trinitarisch umfassend gesucht (167). Dennoch wirkt am klarsten die
christologisch angesetzte Eschatologie, weniger deutlich wird die
Schöpfungslehre erläutert. Unabhängig davon bricht an verschiedenen
Stellen eine mystische Geistlehre durch, der man nur mit Widerspruch
begegnen kann. Der Geist wirkt in vier Stufen: NichtChristen
tun Gutes; Getaufte leben durchschnittlich aus religiösen Pflichten,
Ergriffene dringen durch die Leere hindurch zum Geheimnis Gottes
vor; endlich gibt es die vierte Stufe der Mystik, die von paramystischen
, parapsychologischen Phänomenen wie Visionen, Elcvationen,
Stigmatisation begleitet wird (1140- Um diese Stufe zu erlangen.