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Ausgabe:

1985

Spalte:

531-534

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Findeis, Hans-Jürgen

Titel/Untertitel:

Versöhnung - Apostolat - Kirche 1985

Rezensent:

Roloff, Jürgen

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.Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 7

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chenden Sinnfrage des Menschen, über die eigene transzendentale
Auferstehungshoffnung, durch das Werk des irdischen Jesus selbst,
kraft der Vermittlung des Heiligen Geistes, vermittels der kirchlichen
Gemeinschaft, über das Wort der Überlieferung und durch die Sakramente
(2630- Es erübrigt sich, die Erläuterung dieser einzelnen
Zugänge hier zu referieren.

Die Arbeit ist in hohem Maße durchsichtig und informativ. Daß W.
trotz seiner mehrfach betonten Offenheit für Peschs historisch-herme-
neutisches Anliegen sich dogmatisch letztlich von „der kirchlichen
Tradition adäquaten Antworten" leiten läßt, räumt er im Schlußwort
ausdrücklich ein (323). Gerade von daher bleibt zu fragen, ob ihm
wirklich eine überzeugende „integrative Synthese" gelungen ist. Noch
mehr: es bleibt ernstlich zu fragen, ob die gleichzeitige Herleitung des
Osterglaubens aus den Ostererscheinungen und aus dem irdischen
Sein und Wirken Jesu tatsächlich diskutabel ist. Zumindest müßte
hier weiter differenziert werden. W. sieht überhaupt nicht, daß der
Auferweckungsglaube offensichtlich nur ein Interpretament neben
anderen für das Ostergeschehen gewesen ist. Die hinter Q stehende
Menschensohn-Erwartung, das Johannes-Evangelium, Phil 2,9 und
der Hebräerbrief setzen eine unmittelbare Erhöhung Jesu vom Kreuz
voraus, die ursprünglich mit Auferweckung nichts zu tun hat. Desgleichen
ist zu fragen, ob nicht Jesu Botschaft auch unabhängig von seinem
umstrittenen Messiasanspruch Elemente enthielt (Anbruch des
Reiches Gottes, Kommen des Menschensohnes), die sich den Jüngern
als eschatologische Deutungshorizonte für ihre Ostererfahrungen
geradezu aufdrängen mußten. Endlich sollte erkundet werden, was es
hermeneutisch bedeutet, daß die neutestamentliche Überlieferung
insgesamt kein Interesse an einer Schilderung des Auferweckungsvor-
gangs zeigt. Nicht, was dem toten Jesus widerfährt, wird erzählt, sondern
was den Jüngern widerfährt. Das heißt: nicht das Ostergeschehen
an Jesus, sondern Jesus selbst ist der primäre Glaubensgrund, in den
die Jünger durch das ihnen widerfahrende Ostergeschehen neu eingewiesen
werden. Wo das Buch von W. zu solchen oder ähnlichen weitergehenden
Überlegungen Anstoß gibt, hat es einen wichtigen Dienst
getan.

Greifswald Günter Haufe

Findeis, Hans-Jürgen: Versöhnung - Apostoiat - Kirche. Eine exegetisch
-theologische und rezeptionsgeschichtliche Studie zu den Versöhnungsaussagen
des Neuen Testaments (2Kor, Rom, Kol, Eph).
Würzburg: Echter 1983. XI, 610 S. gr. 8* = Forschung zur Bibel, 40.
Kart. DM 64,-.

Bereits Martin Kähler(Zur Lehre von der Versöhnung, 1898) hatte
beklagt, daß der Begriff der Versöhnung in der theologischen Sprache
keineswegs inhaltlich eindeutig bestimmt sei. Inzwischen ist die Unklarheit
noch um ein Erhebliches gewachsen. Das gilt zunächst für
den Bereich der Systematischen Theologie. Auf der einen Seite ist es
hier besonders im Zusammenhang mit der Reflexion der Relevanz der
christlichen Botschaft für den politischen und gesellschaftlichen Bereich
zu einer Ausweitung des Begriffsinhaltes gekommen: Versöhnung
ist hier das positive Korrelat von Entfremdung, Konflikt,
Aggression, Krieg und Kampf. Auf der anderen Seite steht in der traditionell
geprägten Dogmatik die Versöhnungslehre noch ganz im
Schatten der Satisfaktionstheorie, wobei Versöhnung mehr oder weniger
direkt mit der Sühne, die der Gottessohn am Kreuz für die schuldige
Menschheit und an deren Stelle Gott dargebracht hat, gleichgesetzt
wird. Was die Exegese betrifft, so hat sie zwar die Eigenständigkeit
der neutestamentlichen Versöhnungs-Aussagen gegenüber den
Sühntod- und Rechtfertigungsaussagen längst erkannt, jedoch ist sie
hinsichtlich der Beurteilung von deren Stellenwert von einem Konsensus
noch weit entfernt: Während auf der einen Seite z. B. Ernst
Käsemann die Versöhnungsthematik unter Hinweis auf ihr nur vereinzeltes
Vorkommen bei Paulus und in den Deuteropaulinen als eine
lediglich marginale Variation der soteriologischen Thematik des

Paulus und seiner Schüler beurteilt, will auf der anderen Seite Peter
Stuhlmacher in der Versöhnungstheologie den übergreifenden Leitgedanken
erkennen, von dem her sich die Einheit neutestamentlicher
und - darüber hinaus - gesamtbiblischer Theologie aufweisen läßt.

Die Untersuchung von Findeis, die 1979 vom Fachbereich Katholische
Theologie der Universität Münster als Dissertation angenommen
wurde, versucht zur Klärung dieser schwierigen Diskussionslage
beizutragen, und zwar sowohl auf systematischem wie auf exegetischem
Gebiet. Allerdings ist in der vorliegenden, für die Veröffentlichung
bearbeiteten Fassung der wesentliche dogmatische Teil,
nämlich eine Auseinandersetzung mit der Versöhnungstheologie Karl
Barths, gestrichen worden. Geblieben sind jedoch der breite systematisch
-theologische Unterbau in den Einführungskapiteln sowie
eine Fülle von systematischen Zwischenerwägungen, ganz abgesehen
davon, daß Sprache und Denkformen ganz stark systematisch-theologisch
geprägt sind. Das gibt dem Buch eine gewisse Unausgeglichenheit
, wenn nicht gar Torsohaftigkeit.

Als einigermaßen abgerundet kann jedoch der exegetische Teil gelten
. Mit großer methodischer Sorgfalt behandelt der Vf. die von ihm
mit Recht als zentral erkannten Versöhnungsaussagen 2Kor5,18ff;
Röm5,10f; 11,15; Kol 1,20.22 und Eph 2,16. Nach der Kontextanalyse
und der Frage nach den jeweils verwendeten Traditionen
schenkt er den theologischen Sprachproblemen der apostolatstheo-
logischen bzw. ekklesiologischen Implikationen seine Aufmerksamkeit
. In welchem Sinn ist der Apostoiat, den Paulus 2Kor5,18 als
Dienst der Versöhnung bezeichnet, in das Versöhnungsgeschehen eingebunden
? Und ist die Kirche - etwa durch den Apostel - selbst Subjekt
der Versöhnung, oder wird sie als Empfängerin eines ausschließlich
von Gott als dem handelnden Subjekt ausgehenden Versöhnungsgeschehens
beschrieben? Breiten Raum nimmt schließlich die rezeptionsgeschichtliche
Fragestellung ein, die die jeweilige Textaussage in
den übergreifenden Rahmen einer Vor- und Nachgeschichte stellt:
Wie setzt sich der Autor mit den traditionsgeschichtlichen Vorgaben
auseinander, welche Wirkabsicht auf seine Leser verfolgt er, und was
ist die tatsächlich erreichte Wirkung auf diese?

Den breitesten Raum nimmt die Analyse von 2Kor 5,18ff ein. Vf.
hat sicher recht, wenn er hier Ansatz und Skopus des paulinischen
Redens von Versöhnung am klarsten ausgedrückt sieht. Und zwar ist
Versöhnung hier als ein personales Geschehen zwischen Gott und
Menschen gefaßt, das allein auf einer Initiative Gottes beruht: Durch
Gottes Handeln wird „eine neue... Gemeinschaftsbeziehung zwischen
der Menschheit (5,19a), dem einzelnen Menschen (5,18b), aber
auch noch der Gemeinde (V. 20) und Gott hergestellt" (228f). Weder
geht es um ein Handeln der Menschen bzw. des diese repräsentierenden
Christus, dessen Ziel es wäre, den zürnenden Gott umzustimmen
(176), noch sind für den Versöhnungsgedanken das Motiv der Feindschaft
der Menschen wider Gott oder die Vorstellung vom Versöhnung
erschließenden Opfertod konstitutiv (191). Die Versöhnung
geschieht zwar konkret durch den Kreuzestod Jesu; aber dieser wird
dabei nicht vom Kontext kultischer Sühnevorstellungen, sondern von
dem der umfassenden, ihn zur Solidarisierung mit den der Herrschaft
der Sündenmacht unterstehenden Menschen drängenden Liebe Gottes
her verstanden. Indem der Vf. die Bedeutung der christologischen
Dimension des Wirkens des Erhöhten stark betont, plädiert er noch in
einer weiteren Hinsicht gegen eine einseitig kreuzestheologische Interpretation
. Zwar ist der Kreuzestod Jesu das „Grundereignis für die
Herstellung der Versöhnungsgemeinschaft mit Gott" (230), doch ist
der „Kontext der expliziten Versöhnungsaussagen" - vor allem
2Kor 5,15b. 18b. - erhöhungstheologisch geprägt. Denn es ist der
Erhöhte, der die Versöhnungsgemeinschaft in der Gegenwart durch
das Wort seines Boten vermittelt, indem er die „von Gott her Versöhnten
in seine Lebensgemeinschaft und d. h. in das Leben der ProExistenz
hineinzieht" (232). Dies ist m. E. eine höchst anfechtbare
Interpretation, denn sie nivelliert die von Paulus klar intendierte
Unterscheidung zwischen dem in der Vergangenheit liegenden Versöhnungsgeschehen
, nämlich dem Kreuzestod Jesu, und seinem