Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1985

Spalte:

355-357

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Althann, Robert

Titel/Untertitel:

A philological analysis of Jeremiah 4-6 in the light of Northwest Semitic 1985

Rezensent:

Weippert, Helga

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

355

Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 5

356

concreto samt deren semantischen Folgerungen sowie die semantische
Metapher. Aus der Vielzahl der Beispiele sei wiederum eines wahllos
herausgegriffen: der Wandel des Plurals 'älohim. Von Hause aus wohl
polytheistisch zu verstehen, wird das Pluralmorphem in Parallele zu
JHWH zu einem Abstraktbegriff mit der Bedeutung .Gottheit'. Daneben
läßt sich noch eine Bedeutungsentwicklung in die andere Richtung
„eines Adjektivs mit der verblaßten Bedeutung ,göttlich; außergewöhnlich
'" (152) beobachten. Hier wäre ein Hinweis etwa auf die
Arbeiten von D. Winton Thomas angebracht gewesen.

Das vierte Kapitel trägt die Überschrift „Der Stellenwert des Wortes
" (181-190). Es erläutert den Wert des jeweiligen Wortfeldes für die
schärfere Konturicrung des Einzelwortes, setzt sich mit der Komponentenanalyse
kritisch auseinander und beschließt die Gesamtbetrachtung
über die Wortbedeutung mit dem Nachdenken über Wort
und Text. Im Anhang (191-214) finden sich das Abkürzungs- und
Literaturverzeichnis sowie die Anmerkungen und ein Register der
hebräischen Wörter.

Das Buch will eine Einführung in die biblische Semantik sein. Und
belehrend ist es schon für denjenigen, der sich über das Feld moderner
Linguistik unterrichten lassen will. Hilfreich ist es auch, daß trotz dieses
einführenden Charakters Spannungen und Differenzen innerhalb
der Linguistik nicht verdeckt werden. Und nicht zuletzt ist es schon
anregend, die die Bedeutung eines Wortes bestimmenden Momente
methodisch erfaßt und in ein System gebracht zu sehen. Alles das steht
außer Zweifel. Dennoch bleibt ein kleiner Rest von Unbehagen, weil
ein direkter, faßbarer Ertrag für das bessere Verständnis des hebräischen
Bibeltextes oftmals nicht recht sichtbar werden will. Oder ist
das eben doch wieder ein ungebührliches Desiderat eines Exegeten,
der etwas erwartet, was die Semantik gar nicht leisten will?

Greifswald Hans-Jürgen Zobel

Althann. Robert: A Philological Analysis of Jercmiah 4-6 in the Light
of Northwest Semitic. Rome: Biblical Institute Press 1983. XVI,
380 S. gr. 8' = Biblica et Orientalia (Sacra Scriptura Antiquitatibus
Orientalibus Illustrata) 38. Kart. L. 50.000.

Drei Gründe gibt Althann an, die ihn zur Untersuchung von gerade
Jer 4-6 bewogen haben: Bis auf wenige Prosaeinschübe beurteile man
die Kapitel allgemein als poetisch, sehe in Jeremia ihren Verfasser
und sei sich auch weitgehend darüber einig, daß zumindest 4,5-6,26
einen fortlaufenden Zusammenhang bildeten. Als Textgrundlage entscheidet
Althann sich für den Codex Leningradensis in der von
W. Rudolph in BHS publizierten Form, wobei er grundsätzlich den
Wert der jüngeren Vokalisation wesentlich geringer veranschlagt als
den der Konsonanten. Selbst da, wo die Masoreten dem überlieferten
Konsonantentext keinen Sinn mehr hätten abringen können, hätten
sie ihn beibehalten und ihre Lesevorschläge lediglich als Randnotizen
mitgeteilt. Das wecke Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Konsonantenüberlieferung
. Eine Entscheidung zwischen ihr und dem stark
abweichenden, sehr viel kürzeren griechischen Text der LXX sei erst
nach einer eingehenden grammatischen und formalen Analyse
möglich. Damit wird eine frühere Forderung M. Dahoods gleichsam
programmatisch zum Motto für die gesamte Untersuchung erhoben.
Auch methodisch bewegt sich der Vf. in von Dahood vorgezeichneten
Bahnen. Er wendet eine Stichometrie an, die den Text in minimal
zwei, maximal zwölf Silben zählende Kola einteilt und konsequenterweise
auch das S^wa mobile, das Q'wa compositum und das Palah
furtivum als silbenbildende Vokale berücksichtigt. Parallel gruppierten
sich die Kola zu Bikola, Trikola und Tetrakola, die ihrerseits als
Bausteine der nächstgrößeren Einheit, der Strophe, fungierten. Als
konstitutiv für Strophen gelten außer einem deutlichen Beginn und
Ende auch ihr inhaltlicher und formaler Zusammenhalt. Mit diesem
Konzept werden die mit akzentuierenden und inhaltlichen bzw.
syntaktischen Prinzipien arbeitenden metrischen Systeme abgelehnt.
Althann leitet die Silben zählende Kolometrie aus der ugaritischen

Poesie ab; denn über das allgemein vorderorientalische Stilmittel des
Parallelismus membrorum hinaus seien die ugaritische und die
hebräische Dichtkunst durch ein gemeinsames Repertoire von parallelen
Ausdrücken miteinander verbunden. Historisch bereite die
Beziehung zwischen beiden keine Schwierigkeiten, da sie sich zeitlich
überlappten: Die Zerstörung Ugarits sei um 1190 v. Chr. erfolgt und
die frühesten überkommenen hebräischen Gedichte seien mit
D. N. Freedman ins frühe 12. Jh. v. Chr. zu datieren. Ganz allgemein
bezeugten neuerdings auch die eblaitischen Texte des 3. Jt. v. Chr. die
Kontinuität literarischer Stilmittel im Alten Vorderen Orient.

Über diese allgemeinen Voraussetzungen seiner Untersuchung
informiert Althann in einer Einleitung (S. 1-20), die mit kurzen
Bemerkungen zur Zeitgeschichte und Theologie Jeremias endet. Es
schließen sich im „Analysis" überschriebenen Haupttei! (S. 21-272)
dreizehn Kapitel mit einer strophenweisen Textauslcgung an (4,1-8.
9-18. 19-31; 5,1-9. 10-17. 18-25. 26-31; 6,1-7. 8-12. 13-15.
16-21. 22-26. 27-30). Von ihrem Inhalt und ihrer Struktur her
zusammengehörige Strophen werden jeweils gemeinsam in einem
Kapitel behandelt. Die Textbehandlung im Hauptteil folgt einem
gleichbleibenden Schema. Jeden Abschnitt eröffnet ein kolometri-
scher Abdruck des masoretischen Textes. Wo Althann von der
masoretischen Lesart abweicht, ist sie in Klammern im Text angegeben
. Zwei rechts neben den hebräischen Text gesetzte Spalten numerieren
die Kola strophenweise und vermerken ihre Silbenzahl; Zeilen
umfassende Klammern markieren die Einteilung in Bikola, Trikola
und Tetrakola. Dank dieser graphisch übersichtlichen Textdarbietung
kann sich die folgende deskriptive Stichometrie kurz halten.
Ausführlicher bespricht Althann sodann in „Analysen" die angewandten
Stil- und Strukturmittcl. In diesen Abschnitten findet man
jeweils auch die auf dem Hintergrund der nordwestsemitischen
Sprachen erarbeiteten, oft originellen Wortdeutungen und Vorschläge
zur Erklärung grammatischer Phänomene. Interpretationshilfen
steuern vor allem die ugaritischen, in geringerem Umfang auch die
eblaitischen und phönizischen Texte bei. Erst nach den „Analysen"
bietet Althann eine englische Textübersetzung und eine kurze Zusammenfassung
der Ergebnisse. Die Resultate der Untersuchung lassen
sich auch leicht dem parallel auf je zwei gegenüberliegenden Seiten
fortlaufend abgedruckten hebräischen Text und seiner englischen
Übersetzung entnehmen (S. 271-301). Hier sind die Kola nicht nur
strophenweise, sondern auch entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu
umfassenderen Texteinheiten durchnumeriert.

Erwägungen über den Autor von Jer 4-6 (S. 302-307) und ein allgemeines
Fazit (S. 308-311) runden die Untersuchung ab. Daß
Jeremia am ehesten als Verfasser in Frage komme, begründet Althann
mit der formalen und inhaltlichen Einheitlichkeit der Kapitel. Anders
als die meisten Exegeten kann er keine längeren Prosaeinschübe entdecken
, die als Zutaten jüngerer Hände zu verdächtigen wären. Paradigmatisch
verweist er dafür auf Jer 5,18 f, das sich mit Hilfe der angewandten
Stichometrie als Strophe bestehend aus einem Trikolon
(8 + 5 + 8), einem Tetrakolon (7 + 5 + 6 + 6), einem Trikolon
(7 + 8 + 10) und einem Bikolon (9 + 8) entpuppt habe. Stichometrische
Gründe veranlassen Althann, in V. 18 /'nicht als Negation, sondern
als Gottestitel („Allmächtiger") zu deuten; unter Berufung auf das
Ugaritische erklärt er in V. 19 das tö'nfrü als 3. P. PI. mask., das 'OU
unter Berufung auf das Phönizische als Pronomen der 3. P. Sg. mask.
Dieses Vorgehen ist symptomatisch für die Arbeitsweise Althanns:
Der masoretische Konsonantentext bleibt unangetastet (Althann
kommt mit vier Änderungen des Konsonantentextes in 5,17;
6,4.10.22 aus), Vokalisationsändcrungen sind häufig (Allhann selbst
zählt 76 Fälle, die Vokalisation für „Jerusalem" nicht mitgerechnet)
und führen allein zu vierzehn, von den Masoreten nicht als solche
erkannten Gottestiteln, häufig sind auch die zumeist den Text inhaltlich
glättenden Neuinterpretationen grammatischer Formen mit Hilfe
nordwestsemitischer Dialckteigcntümlichkeiten. An der Behandlung
von Jer 5,18f zeigt sich auch beispielhaft, mit welchen Argumenten
Althann die Alternative zwischen dem griechischen LXX-Text und