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Ausgabe:

1985

Spalte:

353-355

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ḳedar, Binyamin Zeʾev

Titel/Untertitel:

Biblische Semantik 1985

Rezensent:

Zobel, Hans-Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 1 10. Jahrgang 1985 Nr. 5

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Eine Übergangsperiode beschreibt das Schlußkapitel "From Prophet
to Scribc: Charismatic Authority in Early Judaism". Esra wird
überraschend nicht als Bevollmächtigter der persischen Administration
, sondern als charismatischer Reformer dargestellt. Jesus Sirach
als intellektueller Literat gekennzeichnet. Das Bindeglied zwischen
den Propheten und den späteren Lehrern und Schreibern bildet das
Charisma.

Die Beiträge des nicht ganz homogenen Bandes sind frisch und
anschaulich geschrieben. Mag man sich auch an manch einer zu unbekümmerten
Wendung stoßen und manch einen Gedankengang als zu
holzschnittartig empfinden und eingehendere Begründungen vermissen
- Langeweile kommt beim Lesen gewiß nicht auf. und anregend ist
die Lektüre allemal. Daß die Abhandlungen jetzt auch einem englischsprachigen
Leserkreis leichler zugänglich sind, wird sicher Beifall
finden.

Marburg(Lahn) Winfried Thiel

Aus: B. Lang [Hrsg.], Der einzige Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus
. München 1981. 47-83. Auf die Rcz. des Bandes durch S. Wagner in
ThLZ 107.1982.886-888, sei ausdrücklich verwiesen.

! Aus: B. Lang. Wie wird man Prophet in Israel?. Düsseldorf 1980. 1 1-30.
Kurzanzeige in ThLZ 106. 1981.8071'.

1 Aus: ThQ 161. 1981.275-280.

' Titelaufsatz des Bandes: B. Lang. Wie wird man Prophet in Israel?.
31-58.

' Aus: JSOT24, 1982. 47-63: indessen auch stark erweitert in Deutseh
erschienen: B. Lang. Prophctie und Ökonomie im alten Israel, in: G. Kehrer
[Hrsg.], „Vor Gott sind alle gleich". Düsseldorf 1983. 53-73. Die Kenntnis dieser
Veröffentlichung verdanke ich der Freundlichkeit des Vf.
Aus: B. Lang. Wie wird man Prophet in Israel?. 69-79.

Kedar. Benjamin: Biblische Semantik. Eine Einführung. Stuttgarl-
Bcrlin-Köln-Mainz: Kohlhammcr 1981. 214 S. gr. 8". Kart.
DM 36,-.

Der Vf.. Professor für Hebräisch und Direktor des AT-Seminars der
Universität Haifa sowie Mitarbeiter des Bibelinstituts der Hebräischen
Universität Jerusalem, hat sich wiederholt mit Problemen
einer sachgerechten Übersetzung des AT befaßt und damit Vorarbeiten
für dieses in die Semantik einführende Lehrbuch geleistet. K.
schließt damit eine empfindliche, allerdings von vielen Fachkollegen
kaum als solche oder gar als schmerzlich empfundene Lücke. Denn
wenn er im Vorwort feststellt, daß „die Freunde des Alten Testaments
•.. meist der Linguistik fern(stehen)". so trifft das ohne weiteres zu.
Daraus folgt, daß man jeden Versuch, die Semantik und die Hebrai-
stik einander näherzubringen, gemeinhin mit Skepsis oder auch
Zurückhaltung verfolgen wird, wenn man ihn nicht von vornherein
übersieht und überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt. Es soll hier nicht
danach gefragt werden, warum das so ist, auch wenn sich mancherlei
Gründe anführen ließen, die nicht nur bei den Alttestamcntlern liegen
. Um so erfreulicher erscheint der hier vorgelegte Versuch eines
Exegetcn des AT. die Semantik an Hand des hebräischen Bibcltextcs
vorzustellen und ihren Ertrag für die Interpretation anzudeuten.

Das geschieht in der Weise, daß K. in einem ersten Kapitel „Die
Sprache als Symbolsystem" (9-58) in die moderne Sprachphilosophie
und die Semantik einführt. Das bedeutet ja vornehmlich, das zur
Arbeit verwendete Begriffsinventar zu erläutern, den schrittweisen
Aulbau einer Sprache darzustellen und den von K. gewählten Mittelweg
hinsichtlich der Methode der Semantik zu beschreiben und zu
begründen. In Anwendung auf das Hebräische des AT hält es K. für
erforderlich, das Argument der Nicht-,.Homogenität der Daten" (z. B.
Texte aus einem Jahrtausend) damit zu relativieren, daß er auf den im
Zuge der Kanonisierung erfolgten Prozeß der sprachlichen Vereinheitlichung
und auf die bewußte, an Hand bestimmter theologischer
Prämissen planvolle Auswahl der in den Kanon aufgenommenen

Schriften verweist. Fragt man schon hiereinmal nach dem Ertrag solcher
Bemühungen, so könnten Sätze wie: ..Die oft vorgebrachte Behauptung
, im Hebräischen gäbe es weniger Abstrakta als z. B. im
Griechischen, ist in dieser ungenauen Formulierung zurückzuweisen"
(30). oder: „Die strukturalc Linguistik hat sich im Gegensatz zur älteren
Philologie, die das Sprachstudium größtenteils mit der Absicht
betrieb, zu einem besseren Verständnis literarischer Denkmäler zu
gelangen, vor allem um die methodische Erfassung der gesprochenen
Sprache bemüht" (43), angeführt werden.

Das zweite Kapitel ..Das Wort als Element des Lexikons" (59-117)
befaßt sich mit den statischen Aspekten der Wortbedeutung. Bevor
die lexikalische Bedeutung untersucht werden kann, ist das Lexem
abzugrenzen. Das ist nicht ganz einfach, wie eine Reihe von Beispielen
(etwa die Komposita im Hebräischen) zeigt. Genauso kompliziert
erscheint die Eruierung der lexikalischen Bedeutung. Dabei ist zu
bedenken, „daß bei steigender Abstraktion die Extension zu-, die In-
tension abnimmt" (75), daß jedes Wort einen Stellenwert im hierarchisch
gegliederten Wortinventar hat, der in vertikaler Richtung
durch Supernymie und Hyponymic und in horizontaler Richtung
durch Synonymie und Antonymie bestimmt wird, daß die Etymologie
für die Wortbedeutung einen nicht eindeutig zu fixierenden Wert
besitzt, wohl aber ein „psychologisches Faktum im Bewußtsein der
Sprachbenutzer" (88) ist (Volksetymologie), daß die etwa ein Drittel
des AT-Wortschatzes ausmachenden Hapaxlegomena weiterreichende
Schwierigkeiten bereiten und daß der Wortbildungstyp (z. B.
Nomen. Verb etc.) einen Einfluß auf die Bedeutung des Lexems haben
kann. Wieder soll an einigen Beispielen der Ertrag angedeutet werden.
In der Antonymie sieht K. den Ursprung des Merismus. so daß solche
Wortpaare wie groß und klein, arm und reich usw. zum Ausdruck
einer Totalität werden konnten, wie das in Gen 8.22 an den Paaren
Saat und Ernte. Frost und Hitze. Sommer und Winter. Tag und Nacht
abgelesen werden kann. Und wie der Wortbildungstypus die Bedeutung
eines Lexems beeinflußt, wird an zahlreichen Beispielen aufgezeigt
: „rökch heißt jeder Reiter, rakkab ist einer der königlichen
Wagenlenker, der natürlich auch als Eilbote zu Pferde ausgeschickt
werden kann" (107); nahV bedeutet ursprünglich „den .(von der Gottheit
) Angerufenen, Berufenen*", später .jeder .Rufer. Künder'"
(1080: bei zikläq liegt der Akzent mehr „auf der einzelnen, rechtmäßigen
Handlung, bei Z*däqäh hingegen auf dem gesamten Verhalten
und der ihm zugrunde liegenden aufrechten Gesinnung" (1 lOf).

Das dritte Kapitel „Das Wort in Funktion" (I 18-180) trägt dem
funktionalen Aspekt der Wortbedeutung Rechnung und geht vom
sprachlichen und situativen Kontext aus. Es werden zunächst Homonymie
und Polysemie abgehandelt, wobei mit Recht der Polysemie in
der Semantik der Vorrang eingeräumt wird. Sodann stellt sich K. dem
Problem des Bedeutungswandels in einem umfangreichen Abschnitt.
Dabei ist die wesentliche Frage die nach den Veranlassungen zum
Bedeutungswandel. K. verweist auf den individuellen F.rlebniszusam-
menhang des Sprachbenutzers und die im Gefüge der Sprache angelegten
Gründe zum Wandel der Bedeutung. Ebensooft aber kommt
der Anstoß zu Bedeutungswandlungen von außen, besteht in den Veränderungen
der materiellen und geistigen Lebensumstände der
Sprachgemeinschaft und löst somit den historischen Bedeutungswandel
aus. Hinzu kommen auch viele psychologische Bedingungen wie
Anthropomorphismus und Anthropozentrismus. Hyperbel und
Meiosis sowie Euphemismus, die einen Bedeutungswandel einleiten
und befördern. In diesem Zusammenhang werden auch Deisidämonie
und Synästhesic. Ellipsen und Emotive behandelt. Zum Abschluß des
Abschnitts werden systematisierend die Ergebnisse zusammengefaßt:
Die Bedeutung hat sich erweitert oder verengt, „d. h. die Extension
und Intension des Wortes (veränderten) sich in umgekehrter Proportion
" (158). oder die Wortbedeutung hat eine ethische oder ästhetische
Verbesserung oder Verschlechterung erfahren. Daran wird
noch die Verwendung des Lexems auf eine außersprachliche Erscheinung
erörtert: die Metonymie mit ihren Unterkategorien pars pro
toto. genus pro specic. continens pro contento und abstractum pro