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Ausgabe:

1985

Spalte:

347-349

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Christliche Begegnung mit Judentum und Islam 1985

Rezensent:

Kirste, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 110. Jahrgang 1985 Nr. 5

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w Motive sind genannt, Motivationen kaum angedeutet worden; in letzterer
Hinsicht ist die oben Anm. 36 genannte Arbeit von G. W. E. Nickelsburg bahnbrechend
(vgl. auch H.-W. Kuhn, in seiner Rezension ThLZIOl, 1976,
351-355). Ich hoffe, in absehbarer Zeit etwas ausführlicher auf die Thematik
eingehen zu können.

Vgl. vorerst meinen Aufsatz „.Hellenistische Eschatologic' im Neuen
Testament", der in der Festschrift „Glaube und Eschatologic im Neuen Testament
" für W. G. Kümmel zum 80. Geburtstag am 16. Mai 1985 erscheinen
wird.

Allgemeines, Festschriften

Strolz, Walter: Heilswege der Weltreligionen. 1: Christliche Begegnung
mit Judentum und Islam. Freiburg-Basel-Wien: Herder
1984. 192 S., 1 Taf. 8". Veröffentlichungen der Stiftung Oratio
Dominica, geb. DM 28,-.

Die Stiftung Oratio Dominica hat eine Reihe von Gesprächen mit
verschiedenen Religionen durchgeführt. Eine systematisierende
Zusammenfassung für den Dialog zwischen Moslems, Christen und
Juden leistet der wissenschaftliche Leiter dieser Stiftung, Prof. Walter
Strolz, in dem vorliegenden Buch, dem Hans Waldenfels ein Geleitwort
voranstellte.

Der hier zusammengefaßte Dialog spiegelt Erfahrungen, die nicht
im Bereich der Grundlagenforschung, sondern im Feld der Praxis entstanden
sind. Das Buch nimmt den Charakter des Religionsgesprächs
in einer eher populärtheologischen Darstellung auf, wobei dies durchaus
positiv verstanden werden soll (vgl. z. B. S. 38).

Die Zielsetzung wird bereits am Anfang genannt: Die Einheit im
Gottesbekenntnis von Juden, Christen und Moslems könnte eine
Abrahamitische Ökumene möglich machen (vgl. S. 22,44,62).

Ausgehend vom gemeinsamen Monotheismus der drei Religionen
sieht Strolz die Dreiheit der Schöpfung, Offenbarung und Erlösung als
wesentlich an (44). Aus ihr entfalten sich die ersten drei eng zusammenhängenden
Kapitel. Abraham bildet für die theologische Systematik
die geschichtliche Wurzel. Schon hier zeigt sich das durchgehende
Beziehungsgeflecht von Schöpfungsorientiertheit und
mystischer Verwirklichung im Blick auf das Heil in und am Ende der
Zeit.

Daß es sich um eine katholische Darstellung handelt, wird nicht
besonders betont, ist aber durchgängig spürbar. Am Anfang gibt die
Konzilserklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen
Religionen (1965) die ermutigende Leitlinie ab, von der her
christlicherseits der Dialog mit großem Einfühlungsvermögen mit
Judentum und Islam geführt wird.

Im ersten Kapitel „Schöpfer und Schöpfung" geht der Weg von
Gottes Schöpfergüte über die Schöpfungsmittlerschaft Jesu im Christentum
bis zur mystischen Deutung der Schöpfung im Islam.

Das zweite Kapitel zeigt die verschiedenen OfTenbarungsvcrständ-
nisse auf und verweist auf das jüdische und islamische Nein zum Christusglauben
, sofern es um die fleischgewordene Offenbarung Gottes
und die Erlöserfunktion Christi geht. Das führt unmittelbar ins dritte
Kapitel der Erlösung, in dem zum einen der Zusammenhang von
Schöpfung, Offenbarung und Erlösung theologisch begründet wird,
um von daher die besondere Problematik des Schweigens Gottes in
Auschwitz im Blick auf das Judentum und die fehlende heilsgeschichtliche
Zeiterfahrung im Islam zu betonen.

Das vierte Kapitel „Offenbarung und Tradition" befaßt sich mit
einer sachgemäßen und autoritativen Schriftauslegung aller drei Religionen
. Strolz verweist dabei auf die hohe Auslegungsvariabilität des
Judentums, den Zusammenhang von historischer Kritik und kirchlichem
Lehramt im (katholischen) Christentum und die ins Fundamentalistische
neigende Koranauslegung, die von der Sache der
Offenbarung mit der historisch-kritischen Methode Schwierigkeiten
haben muß.

Die gemeinsame Sorge um die Bewohnbarkeit der Erde prägt das
fünfte Kapitel „Weltverantwortung". Hier zeichnen sich die größten
Gemeinsamkeiten in allen drei Religionen ab, auch wenn Strolz das
Zeit- und Geschichtsverständnis des Islam als zu unbeweglich
ansieht.

Konkretionen der Frömmigkeit und des Gottesverhältnisses führt
der Verfasser im sechsten Kapitel „Beten in den monotheistischen
Religionen" vor. Hier muß sich die Effektivität jeder Theologie
erweisen.

Die Fülle der abgedruckten Gebete aus allen drei Religionen ist auf
dereinen Seite beeindruckend, auf der anderen Seite aber doch zu sehr
in die bloße Aufzählung gehend, so daß die systematisierende Bündelung
fehlt und die Gebete zur Textsammlung werden.

Dies ist darum schade, weil sich das siebente Kapitel mit der mystischen
Gotteserfahrung beschäftigt und die Chancen, aber auch
Gefahren im Blick aufdie Ökumene der Religionen aufzeigt (153).

Das achte Kapitel ist aufdie eschatologischc Weggemeinschaft der
drei Religionen ausgerichtet. Dabei kommt Strolz zur Herausarbeitung
einer messianischen Weggemeinschaft von Juden und Christen,
die wesentliche Unterschiede und Differenzen im Blick auf das Heilsziel
beseitigt. Der Islam gerät dadurch allerdings eher in eine Randposition
und wird nur noch im Zusammenhang von Schöpfung und
Auferstehung positiv gewürdigt.

Das neunte Kapitel „Der Glaube und das Schweigen aus der Tiefe"
betont die Vorläufigkeit aller Dinge und damit auch allen theologischen
Redens. In Konsequenz des biblischen und islamischen Bilderverbots
heißt die Rückkehr ins Schweigen auch das Ablegen jedes
Absolutheitsanspruches einer Religion über die andere. Denn das
Schweigen ist die Garantie für die Einhaltung des Bilderverbots (183).
Um der Geheimnisse Gottes willen gilt darum: „Keine Religion ist
befugt, einer anderen mit einem Absolutheitsanspruch feindlich
gegenüberzutreten. Alle Religionen sind Heilswege innerhalb der
unabgeschlossenen Pilgerschaft der Menschheit mit allen Kennzeichen
des Vorläufigen" (1830- Hier gewinnt das Buch seine größte
rcligionsökumenische Weite und wird damit seinem Gesamttitel
gerecht: Heilswege der Religionen.

Von diesem Schlußkapitel her erfahrt der Leser, wie bei einer sachgemäßen
Betonung der Unterschiede und der Gemeinsamkeiten in
den Religionen sich eine Abrahamitische Ökumene anbahnen kann,
ohne daß der eigene Glaube aufgegeben werden muß. Es ist vielmehr
notwendig, den eigenen Glauben noch intensiver zu bedenken, um
von den Anfragen der anderen Religionen her eine heutige sachgemäße
und dem Dialog forderliche Antwort zu geben.

Man kann in einer solchen Übersicht nicht erwarten, daß Positionen
bis ins Detail ausgelotet werden; das muß notwendigerweise
manchmal zu Verkürzungen oder Auslassungen führen. So kann über
die Auswirkungen des kirchlichen Lehramts auf die theologische Entwicklung
und etwaige Hemmnisse von dorther nicht gesprochen werden
; im Blick auf die Darstellung evangelischen und katholischen
Schriftverständnisses führt das zu einer Verschiebung des differenzierten
Sachverhalts (88). Ich bin mir auch nicht sicher, ob man ohne weiteres
sagen kann, daß der Islam keine Erlösungsreligion ist (76). Auch
kann man natürlich fragen, ob die zitierten Zeugen der Darstellung die
Sachgemäßheit durchweg garantieren.

Im Blick aufdie im Text zitierten Autoren und das Literaturverzeichnis
fällt auf, daß manche Namen, die für den Dialog bedeutsam
sind, nicht genannt werden. Selbst wenn die Literatur nur eine Auswahl
zeigt, fallt auf, daß z. B. P. Lapide fürdie jüdische, H. Hagemann
und H. Küng für die christliche und M. S. Abdullah und S. Balic für
die deutsch sprechende islamische Seite überhaupt nicht auftauchen
.

Schließlich ist zu fragen, ob es bei der deutlichen Betonung des
einen Gottes in den drei Religionen hilfreich ist, beim Islam immer
von Allah zu reden; damit fällt allein vom Gottesbegriff der Islam
gegenüber Judentum und Christentum heraus.