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Ausgabe:

1984

Spalte:

873-880

Autor/Hrsg.:

Grane, Leif

Titel/Untertitel:

Leben und Werk Martin Luthers von 1526 bis 1546 1984

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Theologische Literaturzeitung 109. Jahrgang 1984 Nr. 12

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.Einst-doch', das sehr bald sein, ja jeden Augenblick eintreten kann.
Tühren bestimmte Aussagen des berühmten Christushymnus aus
Phil 2 (hesonders die Vv. 9-11): Die nicht mehr rückgängig zu
machende Faktizität des Kyrios Jcsous Christos und seine endliche
Verwirklichung im Huldigungs- und Bekenntnisakt aller derer, die
.im Himmel und auf Erden und unter der Erde" sind, ein Geschehen,
das sich schon vollzieht und das sich doch noch erst vollendet
(vgl. Jes45. 23f)-14 Der davidische König hat (schon) Anteil an dem
Christusschicksal auf Erden. Jeder davidische König hat mit seinem
Königtum (so bescheiden und kümmerlich es auch gewesen sein
mochte) Anteil an dercschatologischen Verwirklichung der ihm übertragenen
Würde und Macht. Darum auch die Beibehaltung der Großreichsinstitutionen
selbst nach der Zusammenschrumplüng des
davidischen Herrschaftsgcbildcs. Im Glauben und in der Erwartung
der Zusageeinlösung durch Jahwe mußte er der Verwirklichung
gewärtig sein. Nur so konnte er König sein, anders nicht. Er war
jeweils (iottessohn in der Verhüllung, seine I lerrschaft war universal,
und sie war es noch nicht! Der Sohn hatte immer Ausschau zu halten
auf den Vater, auf die Zuteilung seines Erbes in jeder geschichtlich neu
gegebenen Situation. Er konnte sich immer auf sein Sohn-Vater-
Verhältnis stützen und er wußte darum, daß der Vater die Macht
behielt, selbst wenn er, der Sohn, sie verlor oder verspielte. Diese
schier unerträgliche Spannung, in welche das davidischc Königtum
gespannt ist, kann bei dem oben erwähnten und akzentuierten
Psalm 2 in dem merkwürdigen Aspekt-Wechsel von V. 6+7 zu V. 8+9
angedeutet gefunden werden. Der davidische König ist König aufdem
Zion und über den Zion eingesetzt, er ist Sohn Gottes peradoptionem.
er ist von Jahwe gezeugt perdeclarationem, er ist der Erbe, der Träger
der Verheißung - Aspekt der vollendeten Handlung - und doch muß
er auf Jahwe warten, von dem es heißt: ..ich will geben Völker zu
deinem Erbbesitz und zu deinem Grundbesitz die Enden der Erde. Du
sollst (oder du wirst) sie mit eisernem Stabe zerschlagen, wie Töpferware
sollst (bzw. wirst) du sie zerschmeißen." Von G. v. Rad ist die
Beschaffenheit dieses Königtums in einem früheren Aufsatz, treffender
noch als in seiner ..Theologie des Alten Testaments" umschrieben
worden, wenn er dazu sagen konnte: ..Die Königspsalmen zeigen das
Reich und das Amt des Gesalbten nach seiner - noch verborgenen -
göttlichen doxa, die es für sie schon jetzt hat und die jeden Augenblick
olfenbar werden kann."15 Wenn das so richtig ist. dann hatten die
Königspsalmcn nicht allein einen aktuellen kultischen Auftrag im
Thronbcsteigungszeremoniell zu erfüllen, sondern waren zugleich
Vergewissernder Orientierungspunkt für eine Wirklichkeit, die schon
begonnen hat und für eine Gegenwart, die weit in die Zukunft hinaus
aufgerissen ist und die Zukunft, die erst noch geschehen soll, bereits
eingeholt hat. Es wird verständlich, wie im Neuen Testament die
Prädikationen und Proklamationen der Königspsalmen (vornehmlich
der Psalmen 2 und I 10) auf Jesus haben übertragen werden können,
und zwar gerade in dem Doppelcharakter ihrer Kennzeichnung als
unumkehrbare Tatsächlichkeit des Vermeinten und seiner Verhül-
•ung, die der endgültigen Offenbarung unaufhaltsam entgegengeht.
Ließe sich im Alten Testament noch von der Religionsgcschichtc.
vom Kultus, von der Großreichsidee her die Berechtigung zu solchen

Aussagen einigermaßen einleuchtend herleiten und verständlich
machen, so ist im neutestamentlichen Christusgeschehen der Doppel-
charaktcr der Wirklichkeit im .Schon-jetzt' und .Noch-nicht' zu
einem Skandalon geworden, an dem sich die Geister scheiden."'

1 H.Gunkel, Einleitung in die Psalmen. Die Gattungen der religiösen
Lyrik Israels. Zu Ende geführt von Joachim Beglich, 1933:" 1966. S. 140IT. vgl.
ferner die einschlägigen Kommentare.

; z.. B.Jes9.l-6; I Kön 1.9.19.25.32.IT:2Kön I I.4IT.

' z. B. G. Widengrcn. Psalm 110 och det sakrala kungadömet i Israel.
UAA 7.1 (1941); ders.. Sakrales Königtum im Alten Testament und im Judentum
. 1955. dazu u.a. K.-H. Bernhardt. Das Problem der altorientalischen
Königsideologic im Alten Testament. 1961: H.-J. Kraus. Theologie der Psalmen
. l979.§4(=BKATXV/3).

4 R. Smcnd. Die Entstehung des Alten Testaments. 1978. S. 200: s auch
(E. Sellin und) G. Föhrer. Einleitung in das Alte Testament. I01965. S. 308 IT.

5 s. BUK1 und BUS und die einschlägigen Kommentare zu Ps 2.

" S. Mowinckcl. Psalmenstudien II. Das Thronbesteigungsfest Jahwäs und
der Ursprung der Eschatologie. 1922. S. 299IT; ders.. The Psalms in Israel's
Worship I. II.. 1962 [=OlfersangogSangofTer. 1951].

' z. B. H. Schmidt. Die Psalmen. 1934 (= HAT 1/ 15). z. Stelle.

* H.-J. Kraus. Die Königsherrschaft Gottes im Alten Testament. 1951.
S. 50ff; ders.. Gottesdienst in Israel.21962. S. 215 IT.

* H.Gunkel. Die Psalmen übersetzt und erklärt. '1926 (Göttinger Handkommentar
z. AT 11/2). z. Stelle; H. Gunkel (u. J. Begrich). Einleitung in die
Psalmen. 1933. S. 140IT. bes. 160. 163-165: H.Greßmann. Ursprung der
israelitisch-jüdischen Eschatologie. 1905. S. 250IT.bes. 2531'.

"' G.v.Rad. Das judäischc Königsritual, in: ThLZ72. 1947 Sp. 211-216
(=Gcsammeltc Studien z. AT. 1958. S. 205-213): W.Thiel. Der W'cllhcrr-
schaflsanspruch des judäischen Königs nach Psalm 2. in: Theol. Versuche III.
197LS. 53-63.

" s. Anm. 2: A. Bentzen. Messias. Moses redivivus. Menschensohn. 1948.
S. Illl'(= AThANT 17); I. Engnell. Studies in Divine Kingship. 1943; zur
Kritik an dieser Forschungsrichtung vor K.-H. Bernhardt, a. a. O.. schon
M. Noth.Gott. König. Volk im Alten Testament, in: ZThK 47. 1950. 157-191
(=GesammelteStudienz. AT. 1957.S. 188-229).

l: A. Alt, Das Großreich Davids. inThLZ 75. 1950 Sp. 213-220 (= Kleine
Schriften zur Geschichte des Volkes Israel. 2. Band, 1953. S. 66-75): Zitat:
Sp. 219f (= Kl. Sehr.. S. 741); ders.. Gedanken über das Königtum Jahwes
(unvcrölTcntlicht 1945). in: Kleine Schriften.... I.Band. 1953. S. 345-357.
bes. 356f; ders.. Die Deutung der Weltgeschichte im Allen Testament (unveröffentlicht
1945). in: ZThK 56. 1959.129-137. bes. 131 £

" G. v. Rad. Theologie des Alten Testaments. Band I. 1957. 4. bearb. Aufl.
1962.S. 333f.336.

14 Auch in anderen neutestamentlichen Zusammenhängen kann dieser Sachverhalt
beobachtet und reflektiert werden. z.B. in Jon 5.25; Eph 2.5-7;
Uoh 3.2.

15 G.v.Rad. Erwägungen zu den Königspsalmen, in: ZAW 58. 1940/41.
216-222.

Zur Gesamtproblematik der Königspsalmen s. auch S. S. Patro. Royal
Psalms in modern Scholarship. Theol. Diss. Kiel 1976; W. H. Schmidt. Alt-
tcstamcntlicher Glaube in seiner Geschichte. (Berlin) '1981 (=4. Überarb. Aufl.
der Originalausgabe). § 12. S. 190-215; H.-J. Kraus. Theologie der Psalmen.
1979. §4. S. 134-155 (= BKAT XV/3) sowie die einschlägigen Kapitel bzw.
Passagen in den .Theologien des Alten Testaments' und alttestamentlichen
Religionsgeschichtcn.

Leben und Werk Martin Luthers von 1526 bis 1546*

Von Leif Grane, Kopenhagen

Es ist ein in Umfang und Ausstattung monumentales Werk, womit
der Theologische Arbeitskreis für Rcformationsgeschichtliche Forschung
in der DDR des 500. Geburtstags Martin Luthers gedenkt:

* Junghans. Helmar [Hrsg.]: Leben und Werk Martin Luthers von 1526 bis
1546. Festgabe zu seinem 500. Cicburtstag. Im Auftrag des Theologischen
Arbeitskreises für Rcformationsgeschichtliche Forschung hrsg. Bd. I und II.
Berlin: Evang. Verlagsanstalt; zugleich Göltingen: Vandcnhoeck & Ruprecht
|Q83.zsm. 1089 S. m. 20 Abb. gr. 8'.

zwei Bände. 1089 Seiten, 41 Aufsätze, alle mit ausführlichem Anmerkungsapparat
, und dazu noch 61 Bildtafeln (außer den Illustrationen,
die den Aufsätzen beigegeben sind), Autoren- und Abkürzungsverzeichnis
. Abbildungsverzeichnis und Orts-, Personen- und Sachregister
. In formaler Hinsicht also ein Werk, das allen denkbaren Ansprüchen
entspricht. Im Vorwort legt der Herausgeber. Helmar Junghans
, dar. was mit diesem Werk erstrebt wird, aber auch, was es nicht
erreichen kann. Man wolle Beiträge leisten, die einigermaßen die