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Ausgabe:

1984

Spalte:

538-540

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Seebass, Horst

Titel/Untertitel:

Der Gott der ganzen Bibel 1984

Rezensent:

Hübner, Hans

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literalur/eitiing 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

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Diese isl jedoch nicht so ganz leicht zu beantworten, denn direkte
Schlüsse sind kaum zu ziehen. Formale Schwierigkeiten treten hinzu.
Das Buch ist nicht unbedingt für einen weilen Leserkreis geschrieben.
Die Gedankengänge sind kompliziert - abstrakt, und die Spracht»,
mitunter schon die Wortwahl - möglicherweise ein wenig durch die
Übersetzung mitbedingt - auch nicht gerade alltaglich.

Nach einer Einleitung gliedert sieh das Werk in vier Teile: „Bewußtsein
und Wirktnacht", „Die ["ranszendenz der Person in der
Tat", ..Die Integration der Person in der Tat" und .. Teilhabe". Es folgen
mehrere Seiten Anmerkungen sowie als Anlagen ein Vorwort des
Autors zur englisch-amerikanischen Ausgabe, eine Einführung in
diese Ausgabe durch den Herausgeber und schließ lieh ein Nachwort
zur deutschen Ausgabe.

Das Ziel seiner Untersuchung beschreibt der Vf. mit folgenden
Worten: Die Studie sei ..in ganz, umfassender Weise auf die Explikation
derjenigen Wirklichkeit ausgerichtet, welche die Person ist. Die
Quelle aber, aus der wir die Erkenntnis dessen, was Rh" eine Wirklichkeit
die Person ist. schöpfen, wird die Tat sein, noch mehr aber die
Sittlichkeit unter dem dynamischen beziehungsweise existcntialen
Aspekt." (S. 21) M. a. W.: Es geht um das Wesen der menschlichen
Person, ja. überhaupt erst einmal darum, zu verstehen, daß der
Mensch eine Person ist, und /war dadurch, daß diese menschliche
Person sieh in ihrem Tun. in der qualifizierten Tat gleichsam trans-
zendiert oder, wie es auch heißt, in der Tal integriert.

Die philosophische Tragweile und Bedeutung des Werkes kann hier
nicht im einzelnen entfaltet und gewürdigt werden. Rez. gesteht hierfür
seine totale Inkompetenz. Er beschränkt sich deshalb hier auf zwei
'ragen. Zum einen sei es erlaubt, noch einmal darauf ZU verweisen,
daß der Autor Theologe und Bischofseiner Kirche ist. Nun braucht
dieses sicher nicht auf jeder Seite hindurchz.uschcincn. Im Gegenteil
verdient es allen Respekt, wenn die Grenzen der Bereiche nicht ständig
übersehritten werden. Dennoch wirkt es aber erstaunlieh, daß ein
Theologe und Bischof derart radikal von diesem seinem eigenen Personsein
abstrahieren und eine Arbeil vorlegen kann, die von lediglich
Philosophischen Voraussetzungen und Fragestellungen ausgehend
Mch ausschließlich philosophische Antworten zu geben versucht.
Man möchte meinen, als Theologe wüßte der Autor doch noch mehr
zu sagen über den Mensehen und sein Personsein. Aber eine theologische
Anthropologie legte er nicht vor. Liegt nicht unter diesen
Umständen der Schluß ziemlich nahe, daß hier gar kein Theologe,
sondern eben ein Philosoph am Werke war? Woran sich freilich sofort
die weitere Frage knüpft, wie weit nicht vielleicht dann auch in den
vielen Äußerungen des Papstes Johannes Paul IL zum Thema der
Philosoph und Ethiker Wojtyla sehr viel mehr federführend sein
könnte als der Theologe und ob nicht in der schon mehrfach bemängelten
Abstraktheit des Menschenbildes von Papst Johannes Paul II.
das abstrakte Menschenbild des Philosophen Wojtyla kräftig durchschlägt
.

Und damit nun noch einmal zu der Frage, inwieweit sieh sagen läßt,
das Buch sei „die Grundlage des weltweiten Kampfes" des Papstes
»für die Würde und die Rechte der menschlichen Person." Im Klappentext
wird das noch einmal unterstrichen: Das Werk ..liest sich wie
Cln Philosophischer Kommentar zu der vielleicht brennendsten Frage
der Menschheit heute, nämlich der Frage des wahren Mensehseins.
Andererseits erscheint es als das große philosophische Präludium zum
Programm Johannes Pauls IL. wie er es in seiner Antrittsenzyklika
über die Würde des Menschen in Christus begründet und seither in
unzähligen Ansprachen und mit dem ganzen Einsatz, seiner Person
verkündet hat. So bildet das Werk .Person und Tat' den authentischen
Schlüssel zu den philosophischen Grundlagen der Gedankenwelt, zu
den Intentionen und der Denkweise von Papst Johannes Paul II." Dafür
wäre natürlich auch erst noch der Beweis anzutreten, der hier nicht
geführt werden kann. Hingewiesen sei aber immerhin besonders auf
den vierten Teil, überschrieben mit „Teilhabe". Denn hier geht es
dem Autor um die rechte Einordnung der menschlichen Person mit
'ürer Tat in die Gemeinschaft in Abgrenzung vom Totalitarismus auf

dereinen Seile und Individualismus auf der anderen als zwei Formen,
die die rechte Teilhabe einschränken. Hier kündigen sieh in der Tat
Themen an. die in späteren päpstlichen Verlautbarungen immer wiederkehren
, so wie also auch von hier aus umgekehrt zu sehen ist. wo
deren eigentliche Wurzeln liegen.

Schöneicheb. Berlin Hubert Kirchner

Systematische Theologie: Allgemeines

Seebaß. Horst: Der Gott der ganzen Bibel. Biblisehe Theologie zur
Orientierung im Glauben. Freihurg-Basel-Wien. Herder 1982.
256 S. 8". geb. DM 38.-.

Zum Thema Biblisehe Theologie (B. Th.) hat sieh nun auch der
Mainzer Altlestamentler Horst Seebaß mit einem eigenen Entwurf
geäußert. Das Buch sei nicht aus der Distanz des Studierzimmers entstanden
, sondern aus der existentiellen Betroffenheit durch die Bibel,
auch und gerade in der Situation nach Auschwitz. Im Anschluß an
Gerhard Eßeling läßt S. die B. Th. als in der Bibel enthaltene Th. Die
Struktur dieses Entwurfs läßt sieb gut an den Kapitelüberschriften ablesen
: I. B. Th. als Programm; 2. Grundlegung: Gott war in Christus
(2Kor5.19): 3. Der Apostel Paulus als Kcrnzeugc des NT: 4. Auferstehung
. Weltzeil und Messianisnuis: 5. Gottesvolk und Gottesreich
: 6. Gott der Schöpfer: 7. Das Leiden am einzigartigen Gott; 8.
B. Th. als Weg der Erkenntnis Gottes. Jedes dieser Kap. fordert zum
(iespräch, zur Auseinandersetzung und oft zum Widerspruch heraus.
In ihnen wird aber immer wieder eine so weite Perspektive - bis hin
zur Mystik und zum Hinduismus - anvisiert, daß in einer Rezension
auch nicht ansatzweise auf die Fülle der behandelten, angerissenen
und gestreiften Themen eingegangen werden kann. Ich greife deshalb
einige zentrale Punkte des Buches heraus, an denen sieh symptomatisch
zeigen läßt, wie S. die Aufgabe einer B. Th. versteht und von vvel- 1
ehen Voraussetzungen er sie zu entwerfen versucht. Zuvor aber erst
einige Bemerkungen zur formalen Gestaltung dieser B. Th.

Bemerkenswert ist der Ansatz, die komplizierten Sachverhalte der
B. Th. so darzustellen, daß der theologische Laie den Entwurf versteht
und sich mit ihm identifizieren kann. Es ist aber zu fragen, ob nicht
vor dieser Aufgabe die andere, wesentlich notwendigere gestanden
hätte, nämlich erst einmal ohne Blick auf breitere I eserschichten alle
Kräfte darauf ZU konzentrieren, angesichts der fast totalen Uneinigkeit
der Exegesen über Anliegen und Sache der B. Th. sieh um jene immer
noch ausstehenden fundamentalen exegetischen Detailarbeiten zu bemühen
, als deren Ergebnis doch erst ein Entwurf dieser Art möglieh
ist. Gewiß, es soll nicht geleugnet werden, daß auch in einem sehr frühen
Stadium der Durehlührong einer großen Aufgabe - und wir sollten
nicht die Augen davor versehließen, daß wir bei der Aufgabe der
B. Th. noch ganz in den Anfängen stecken! - ein Entwurf als Skizze
dessen, was man in Zukunft ansucht, seinen guten Sinn hat. Aber
dann ist ein „Entwurf ein „Werfen" in eine noch verschwommene
Zukunft hinein, eine Absichtserklärung, die. mag sie auch von der
eigenen profilierten theologischen Position aus geschehen, per defini-
tionem das Ziel im Höchstfall in unklaren Konturen anvisieren und
deshalb nur heuristischen Wert haben kann - so wie z. B. der Tübinger
Entwurf (Gcse. Stuhlmacher) wegen seines heuristischen Wertes
sehr beachtenswert ist. Angesichts dieser Forschungssituation ist es
aber m. E. nicht ganz unbedenklich, wenn nun ein Entwurf sogar mit
dem Anspruch vorgelegt wird, er entspräche dem, was seit 1970 gefordert
wird, und außerdem noch erklärt wird, ein solcher Entwurf
könnte gerade nicht in erster Linie für die Fachwelt geschrieben werden
. Wird hier nicht jener Welt, die nicht Fachwelt isl. etwas als gesichert
suggeriert, worüber unter Fachtheologen noch auf Jahrzehnte
keine Einigkeit erzielt werden wird?

S. will zweierlei miteinander verbinden: den Entwurf einer gesamtbiblischen
Th. und die Vermittlung der in den letzten 300 Jahren gewonnenen
Erkenntnisse der biblischen Wissenschaften an den Nicht-