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Ausgabe:

1984

Spalte:

528-530

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Zum Augustin-Gespräch der Gegenwart 1984

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeilung 109. Jahrgang 1984 Nr. 7

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Gottes, zu analysieren. Nach einem einleitenden Kapitel, das der Umwelt
Ephraems gewidmet ist und in dem er die syrische Bibel, Aphra-
hat, das Liber Graduum, die Oden Salomos und einiges Rabbinische
kurz erörtert, nämlich insofern sie etwas Wesentliches zur Thematik
oder zur Terminologie der Gerechtigkeit und Güte Gottes beisteuern,
ist das piece de resistance des Buches Ephraems Theologie der
Gerechtigkeit und Güte Gottes. In drei größeren Abschnitten
(Gerechtigkeit und Güte des Schöpfers, Gerechtigkeit und Güte des
Heilands, Gerechtigkeit und Güte des Lenkers der Geschichte)
bespricht der Vf. die Hauptlinien der ephraemitischen Theologie, fast
müßte man sagen der ephraemitischen Dogmatik. Im Anhang
bespricht er die Theologie von Philoxenos von Mabbug, soweit sie ein
ephraemitisches Erbe der einschlägigen Thematik repräsentiert. Das
Buch wird mit einer Übersicht über den Gebrauch des Begriffes Gerechtigkeit
in den syrischen Bibelübersetzungen, die Quellen, ein Literaturverzeichnis
und ein Verzeichnis der Bibelstellen und anderer
Zitate abgeschlossen.

Die Beschreibung der Umwelt Ephraems ist ziemlich knapp und
überdies etwas willkürlich. Einerseits hat der Vf. den historischen
Hintergrund der ephraemitischen Theologie skizzieren wollen und
vielleicht sagt er deshalb einiges über die syrische Bibel, die .zwei
Maße' im Rabbinentum und die Oden Salomos. Andererseits zieht er
Vergleichsmaterial für die systematisch-theologische Studie, die er im
Grunde geschrieben hat. heran und bezieht crdeshalh Aphrahat und
das Stufenbuch in seine Untersuchungen ein. Historische Entwick-
lungslinicn zieht er aber nicht, dafür ist sein Umweltbild auch zu
willkürlich. Wo sind die Pseudo-Klementinen, wo die Thomasakten,
wo die Manichäer, die doch alle eine wichtige Rolle gespielt haben?
Auch inhaltlich ist manches hier verfehlt. Nach den Untersuchungen
von Baarda und Murray das Diatessaron zu zitieren nach 1. Ortiz de
Urbina (Vetus Evangelium Syrorum et exinde excerptum Diatessaron
Tatiani, Matriti 1967) scheint doch zu einfach. Auch des Vis. Behauptungen
, die Oden Salomos seien .ideengeschichtlich nicht leicht einzuordnen
' (S. 34), hätten in jedem Fall Bezug nehmen müssen auf
meine Ausführungen in der Festschrift Andresen, Göttingen 1979 und
in JThS 31, 1980. 337-355. wo für eine Datierung im dritten Jahrhundert
plädiert wird. Im großen und ganzen werden die Ansichten
des Vfs. getragen von seiner Überzeugung, daß „Ephraem das palästinensisch
-syrische, in seinen Anlangen gewöhnlich als judenchristlich
bezeichnete Christentum verkörpert, das sich bis in seine Zeit relativ
isoliert von der griechischsprechenden Welt und Kirche entwickelt
hatte" (S. 3). Jene oft behauptete Isolation ist einfach falsch und eine
romantische Verzerrung der historischen Tatsachen, die auf einen
großen griechischen Einfluß hinweisen. Wenn er z. B. behauptet:
„Aphrahats Homilien vermitteln eine unkomplizierte Frömmigkeit"
(S. 10), nimmt er wiederum keine Rücksicht auf die mannigfachen
rhetorischen Figuren in jenen Homilien, die keineswegs unkompliziert
sind und im unmittelbaren Zusammenhang mit dem asketischen
Frömmigkeitsideal und seiner komplizierten Anthropologie stehen.

Wenn er zu Ephraem kommt, bemerkt der Vf. mit Recht, daß
Ephraem Front macht gegen Markion und die Markioniten. Im
Grunde ist Ephraems ganze Theologie polemisch inspiriert und bekämpft
dauernd Feinde und Ketzer. In diesem Zusammenhang ist es
aber zu bedauern, daß der Vf. die Geschichte der Markioniten in Syrien
nicht behandelt, weil doch Ephraems Position nur aus jenem
Blickwinkel heraus klar wird. Neuere Markion-Literatur ist ihm nur
teilweise bekannt, wie die ganze damit verbundene Problematik. So
schreibt er auf S. 42, daß Markion nach Ephraems Zeugnis drei Wesen
angenommen hat, und auf S. 43. daß er (Markion) die Einheit des gerechten
und guten Gottes auf zwei verschiedene Gottheiten verteilt
hat. Dort liegt ein fundamentales Problem für die ganze Markion-Forschung
: Was gehört zu Markions Lehre und was zur Lehre der späteren
Markioniten? Wiederum hat der Vf. versäumt, die geschichtliche
Entw icklung des Markionitismus und seiner doktrinären Ansichten in
Syrien zu erforschen, was einfach notwendig gewesen wäre, um
Ephraems Position klar zu erfassen. Auch weiter ist die Traditionsgeschichte
nicht zu Wort gekommen. Besonders deutlich tritt das in
der Erörterung des Sündenfalls im Rahmen der Schöpfungsgeschichte
zu Tage. Es ist besonders auffällig, daß Ephraem nicht die Versuchung
Adams betont, sondern die Möglichkeit einer freien Willensentscheidung
, die sowohl Adam als jedem Menschen gegeben ist. Das verbindet
Ephraem mit Tatian und den von ihm beeinflußten theologischen
Schriften im syrischen Raum, wie z. B. den Thomasakten, die alle
wiederum anli-markionitisch ausgerichtet sind. Ephraems Ansichten
über Sündenfall und freien Willen haben alte Wurzeln im syrischen
Christentum, und es hätte sich gelohnt, ihnen in ihrer Spannung zum
Markionitismus nachzugehen. Eine anthropologisch-christologische
Problematik, die auf das menschliehe Selbstv erständnis ausgerichtet
ist, steht in jenem Zusammenhang im Mittelpunkt, und die Frage
muß gestellt werden, ob das theologische Begriffspaar Gerechtigkeit
und Güte jener Problematik gerecht wird (s. auch S. 68-70).

Die Übersetzungen der syrischen Texte sind nicht immer fehlerfrei.
Auf S. 20 wird Aphrahats Demonstratio VIII zitiert (Patr. Syr. I, I.
397,24^100,9) und übersetzt. Die Übersetzung folgt hier fast sklavisch
der lateinischen Übersetzung von Parisot und sagt: ..Bei den
Guten verwandelt er (i. e. Gott) seine Natur nicht und wird (nicht) gerecht
, weil er in gerechter Weise viele verdammen würde." Es wäre zu

übersetzen:.....damit er in gerechter Weise viele verdamme", womit

das auf S. 21 erörterte Problem gelöst wäre. Auf S. 41 werden die
,Prose Refutations' zitiert und übersetzt. M. E. gehören im Zitat die
Wörter nlr 'mh d't' zusammen und müssen folgendermaßen übersetzt
werden: ,,Und wenn, um zu zeigen, daß der Schöpfer die Hyle
täuschte, auch der Fremde diesem gegenüber keine Wahrheit einhielt,
als er kam. so verwandelt er durch Fasten und Gebet die Körper,
usw."

Das Studium der ephraemitischen Theologie steht noch in seinen
Anlangen. Das hringl es mit sich, daß erst noch analytische und traditionsgeschichtliche
Untersuchungen erforderlich sind, bevor synthetische
systematische Studien überhaupt möglich sind. Deshalh wird
.Gerechtigkeit und Güte Gottes' als Äußerung lutherischer Rechtgläubigkeit
den wirkliehen Desiderata der Ephraem-Forschung nur mangelhaft
gerecht.

Groningen Hau .1. W. Drijven

Andresen, Carl [Hrsg.]: /.um Augustin-Gespräeh der Gegenwart,

I u. II. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft "1975. 1981.
VI, 458 S. u. VI, 367 S. 8' = Wege der Forschung, 5 u. 327. Lw.
DM 79.-.

Band 1 ist eine Nachauflage des 1962 erschienenen Buches ..Zum
Augustin-Gespräch der Gegenwart", gekürzt um die Bibliographie,
die inzwischen weiter geführt und neu gedruckt wurde. Ein Anliegen
des Bandes bestand darin, ..den deutschen Sprachraum an dem heute
international geführten Gespräch Anteil nehmen zu lassen" (40). Zu
fünf Themen werden je zwei Aufsätze gehoten, die ..nicht immer antithetisch
" sein sollten (41). /. Redner und Schriftsteller: Henri-lrenee
M arrou, Christliche Beredsamkeit (1949); Christine Moh rman n .
Der Schriftsteller Augustin (1958). //. Augustin und der Neupiatonis-
mus: Pierre Co u rce 11 e. Die Entdeckung des ein ist liehen Neuplato-
nismus (1950); Erich Fra n k , Augustin und das griechische Denken
(1955). ///. Das Prahlern der Mystik bei August in: Paul Henry. Die
Vision zu Ostia (1938); Ephraem Hendrikx, Augustins Verhältnis
zur Mystik (1936). IV. Die Geschichtsfheologie Augustins: Henri-
lrenee Marrou.'Das Janusantlitz der historischen Zeil bei Augustin
; Erich Frank, Die Bedeutung der Geschichte für das christliche
Denken (1955). I'. Die Gnadenlehre Augustins: Ftienne G i Ison. Die
christliche Freiheit (1949); John Burnaby, Gnade und Freiheil
(1938).

Band II beginnt mit einem Überblick des Herausgebers über das
Augustingespiäch 1960-80. Er verweist dankbar auf die Literatur-
Übersicht von R. Lorenz in der "Theologischen Rundschau 38-40