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1983

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Kirchen- und Konfessionskunde

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr.l 1

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dersetzung zu versetzen. Vermutlich erscheint dann eine Gestalt wie
P. nicht nur als der korrekte altgläubige Theologe, als der er hier präsentiert
wird, sondern auch stärker affiziert durch das Ringen mit
seinem Gegenüber.

Münster(Westf.) Martin Brecht

Backus, I., Fraenkel, 1., u. P. Lardet: Martin Bucer Apocryphe et Authen-
tique: Etudes de Bibliographie et d'Excgese. Geneve-Lausanne-Neuchätel:
Revue de Theologie et de Philosophie 1983. III, 56 S. m. 2 Abb. 8' = Cahiers de
la Revue de Theologie et de Philosophie, 8.

Bakel, H.A. van t: De evangelische paradox bij Luther (KeTh 34, 1983
S. 185-192).

Congar, Yves: Lutherana. Theologie de l'eucharistie et chrislolqgie chez
Luther(RSPhTh66, 1982 S. 169-197).

Junghans, Helmar: Interpreting the old Luther (CThMi 9, 1982
S. 271-281).

McGrath, A. E.: 'The Righteousness of God' t'rom Augustine to Luther
(StTh 36,1982 S. 63-78).

Maron, Gottfried: La libertä del cristiano. II significato permanente di Martin
Lutero (Protest. 38, 1983 S. 19-34).

O'Rourke Boyle, Marjorie: Stoic Luther: Paradoxical Sin and Neeessity
(ARG 73, 1982 S. 69-93).

Wekenborg, Reinhold: Die „Scolia in Lactantium" des Erfurter Reformators
Johannes Lang. Erstausgabe, Übersetzung und Kommentar (ARG 73. 1982
S. 35-68).

Rngge, Joachim: Luthers Kirchenverständnis in seinen Spätschriften (ZdZ
37, 1983S. 195-198).

Kirchen- und Konfessionskunde

Kahle, Wilhelm: Lutherische Begegnung im Ostseeraum. Gütersloh
: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1982. 255 S. 8° = Die
Lutherische Kirche, Geschichte und Gestalten, 4.

Das vorliegende Werk stellt sich als „Versuch" vor, ein Gesamtbild
der Entwicklung des Luthertums im geographischen Bereich des Umfeldes
der Ostsee zu geben. Dabei kommen akzentuiert die jeweiligen
Relationen und Begegnungen der einzelnen Länder und Regionen in
den Blick mit ihrer je eigenen Problematik. Vorausgesetzt wird ein
Luthertum, das mehr ist als lutherische Theologie und „ein anderes
als die Gestalt der Kirche und ihre Verfassung... zu ihm gehören
auch wie der unbekannte Pastor die weit zahlreicheren unbekannten
Laien . . . auch die, die in der Weite ihrer Gemeinde und deren räumlicher
Isoliertheit von der verfaßten Kirche wenig oder gar nichts verspürten
" (S. 7/8). Umfassend ersteht somit endlich eine Zusammenschau
über das im Ostseeraum liegende einstige „zentrale Verbreitungsgebiet
" des Luthertums. „. . . einzig in den Ländern des Ostseeraums
hat sich die Geistes- und Kulturgeschichte, zu gewissen Zeiten
auch die politische Geschichte in Identität oder doch in engster Verbindung
zum lutherischen Kirchentum vollzogen" (S. 16). Die
wissenschaftliche Leistung dieser integrierenden Darstellung geht aus
dem umfangreichen „Archiv- und Literaturverzeichnis" (S. 236-249)
hervor, das zeigt, welche Fülle von Spezialstudien und Publikationen
zu Einzelthemen solcher Aufarbeitung harrten.

Das [. Kapitel schildert zunächst komplex den „Raum und die
Grunddaten lutherischen Kirchentums". Ausgehend vom Sprachlichen
, - „Ostsee" - „Baltisches Meer" - „Östersjön" (schwedisch)-,
wird gezeigt, wie die Orientierung am „Mare claustrum" nach Osten
hin ging. „Man lebt hier einander nah und zugleich doch in der Eigenart
des Volkstums "und der politischen Abgrenzungen fern voneinander
" (S. 12). Auch der Begriff „Meer des Friedens" findet Erwähnung
, dagegen fehlt jedoch der sinnreiche „Mare Lutheranum"; Norwegen
bleibt ausgeklammert, da es wesentlich zur Nordsee hin
erschlossen ist. Besonderes Schwergewicht hat die Beschreibung des
großen Umschichtungsprozesses, der sich in unserem Jahrhundert für
das Luthertum am „revolutionären Meer" vollzogen hat.

Kompendiengleich wird im II. Kapitel die lutherische Kirchengeschichte
der einzelnen Territorien entlang der Ufer der Ostsee
rekapituliert. Die spezifischen Entwicklungswege der einzelnen Kirchen
kommen deutlich hervor. „Die Geschichte der Kirchen des
Ostseeraums ist eine Geschichte der Verselbständigung des Kirchentums
" (S. 69).

Das III. Kapitel konkretisiert die in den einzelnen Territorien sehr
divergierenden reformatorischen Prozesse unter der Überschrift
„Kirche, Staat und Kirchenleitung" und setzt damit Staats- und kir-
chenrechtshistorische Maßstäbe. Luthers Forderung an Fürsten und
Stände, für die Ordnung der Kirche zu sorgen, ergab meistens „das
landesherrliche, konsistoriale, juristisch bestimmte Kirchenregiment
". Instruktiv wird die in Schweden (und Finnland) einst sich vollziehende
Entwicklung, bei der schließlich das Bischofsamt in Kontinuität
- es gab gegenläufige Tendenzen - erhalten blieb, gezeichnet.
Dieser Tatbestand hat dann im 20. Jahrhundert in der Gestalt Söder-
bloms weitausgreifendes Gewicht und Wirkungen in den Kirchen des
Ostseegebietes und weit darüber hinaus angenommen. „In Deutschland
und Dänemark war der landesherrliche Summepiskopat praktisch
von Anfang an wirksam und in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts
bereits Rechtswirklichkeit geworden" (S. 77).
Verstärkte Aufmerksamkeit gilt der Akzentverlagerung von der
„Staatskirche" zur „Volkskirche" in der kirchlichen Diskussion während
des 19. Jahrhunderts. Dabei wird versucht, die häufige Pauscha-
lisierung dieser Begriffe aufzulösen.

Wenn das IV. Kapitel „Die Kirchen im Spannungsfeld der politischen
und nationalen Fragen" konturiert, wird erkennbar, wie
bereits die Reformation selber mit ihrem Bemühen um Überwindung
des Gegensatzes von der Sprache des Gottesdienstes zu der Sprache
der Verkündigung im Zusammenspiel mit der kirchlichen Rechtsentwicklung
Ansätze gab zur späteren Nationalitätenfrage. „Der Fortfall
des Lateinischen zugunsten der Volkssprache gibt nicht nur der deutschen
, sondern allen Volkssprachen ihren Sitz im gottesdienstlicheji
Leben" (S. 100). Ausführliche Untersuchung erfahren die Räume
national gemischten Kirchentums (im Osten vom „königlichen Preußen
" bis Finnland; dann das von Deutschen und Dänen bewohnte
Herzogtum Schleswig). Treffend gelingt der vorliegenden Darstellung,
an Personen exemplarische geschichtliche Bewegungen zu demonstrieren
. So wird Herders Bedeutung für Bewußtwerden und Herausbildung
des Volkstums schön gezeichnet. Weiter wird belegt: Die Kirchen
haben „das Erwachen eines nationalen Bewußtseins, die Schaffung
eigener Schriftsprachen, die Offenhaltung eines Freiraums für
Minderheiten erst eingeleitet" (S. 108). - An Person und Haltung
Nikolai Grundtvigs einerseits wie an Claus Harms' und später Theodor
Kaftans werden dänisch-deutsche Auseinandersetzungen exemplifiziert
. Nachgeradezu fesselnd wird der Zweifrontenkampf der
schleswig-holsteinischen Pastorenschaft wider die dänische Kirche
wie die Kirche Preußens vorgeführt. Lutherische Kirche müht sich,
„sich in den schwierigen staatsrechtlichen Fragen und den anhebenden
nationalen Spannungen zu artikulieren" (S. 112).

„Linien schwedischer Entwicklung" erhalten Profil an der Gestalt
Nathan Söderbloms, für den Kirche „Erzieherin des Volkes" sein soll.
So hat denn auch in Schweden die Kirche „niemals am Rande des kulturellen
und politischen Lebens gestanden" (S. 122). - Für Finnland
ist das Ineinander von nationalem Empfinden und pietistischer
Erweckung bestimmend. Instruktiv durch Zusammenschau werden
die Probleme des baltischen Raumes behandelt. Das zähe Festhalten
am formellen Recht der deutschen Minderheit hat dem Rechtsbewußtsein
des Volkes geschadet. Das ist die Auffassung von Bischof
Carl Irbe/Riga. Seine charaktervolle und begnadete Persönlichkeit
markiert eindrücklich geschichtliche Bewegung. Die Entwicklungen
kulminieren in den Auseinandersetzungen um die Dome in Riga und
Tallin. Die geistliche und integrierende Ausstrahlungskraft Söderbloms
zum gesamten Problembereich des Weges der Kirchen nach
dem I. Weltkrieg beeindruckt. Die Wirkung des Erzbischofs reicht bis
in die Augsburgische Kirche Polens und zu ihrem Repräsentanten