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Ausgabe:

1983

Spalte:

463-465

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Exaudi bis Ende des Kirchenjahres 1983

Rezensent:

Bunners, Christian

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463

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 6

464

droht nicht länger „in Widerspruchsdialektik oder Identitätsmystik
umzukippen" (ebd.).

Daß und wie der Autor und sein Ausleger den Widerspruch reformatorischer
Theologie auf sich ziehen, ist hier nicht auszuführen.
Auch nicht thematisiert werden soll die Weigerung Balthasars, sich
aus der Höhe seines christianisierten Piatonismus auf die Niederungen
der nachkantischen Moderne anders als-polemisch oder apologetisch
einzulassen - die weißen Flecke im Weltbild des „Universalgelehrten
" (316) sind größer als Lochbrunner meint (61, 314): u. a.
Darwin, Freud, der gesamte Bereich der Naturwissenschaften! Angemerkt
sei jedoch, daß unter die „Weizenkorn"-Aphorismen B.s, die-
den Kapiteln des Buches voranstehen, die Spreu manch sauren Kitsches
geraten ist. Dem Autor selbst mißrät zuweilen sein feierlicher
und expressiver Stil; dann ergießt sich „ein Katarakt mystischer Gnaden
" (259); doch können auch „in einem rasanten Längsschnitt die
vielgestaltigen Facetten des Liebesbegriffs" (309) aufgezeigt werden,
während es andererseits „wohl unmöglich sein" wird, „ihre", seil.
Balthasars und Adriennes „wechselseitige Durchdringung sauber zu
trennen" (321).

L. beschließt seine Deutung der Analogia Caritatis mit 7 durch
neuerliche Zitationen abgestützte Thesen (290-293), deren Fazit
heißt: „Die Ur-struktur der Analogia entis schwingt - per Christum,
cum Christo, in Christo - im Rhythmus der Liebe" (292). Unbeantwortet
, ja überhaupt nicht formuliert bleibt die Frage, wie sich für B.
das im Glanz der Transzendentalien leuchtende, in def Gestalt
befestigte Sein des Seienden (These 1) zu der Nacht des Karsamstag
verhalte, dem „wortlosen Gegenüber des Kadavergehorsams Jesu'
und der ,Sünde an sich'" (180). Auch nicht bedacht wird die Spannung
zwischen der urbildlichen Trinitas, in der die .Personen' Relationen
sind, „,Formen absoluter Hingabe und liebender Verflüssigung
'" (280), und der Bestimmung Gottes als „,der absoluten
Substanz'" (291), deren ,,,Bild und Gleichnis'" „,die geschaffenen
Personen'" als „individuelle Substanzen'" (ebd.) sind, die sie auch
bleiben. Kurz gesagt: der Leser erhält keine klare Auskunft darüber,
wie bei B. Schöpfung und Sünde, metaphysischer und christlicher
Gottesbegriff zueinander stehen. Dieser Mangel kann durch keine
noch so reichhaltige Information, durch kein Einschwingen in den
„Rhythmus" der „Urstruktur" ausgeglichen werden.

Monenda: Die Bibliographie notiert Barths Ausführungen zu B. in KD IV/1,
8 58 f nicht.

Pannenbergs Rezension des Barth-Buches steht in der ThLZ 78,
1953 Sp 17-24.

Göttingen JörgBaur

Praktische Theologie: Homiletik

Neue Calwer Predigthilfen. 3. Jahrgang Band B: Exaudi bis Ende des
Kirchenjahres. - 4. Jahrgang Band B: Exaudi bis Ende des Kirchenjahres
. Hrsg. v. H. Bornhäuser, H. Breit, G. Hennig, H. D. Preuß,
J. Roloff, T. Sorg. Stuttgart: Calwer Verlag 1981 u. 1982. 278 u.
309 S.8 Kart, je DM28,-.

In den Rezensionen früherer Bände dieser Reihe sind Fragen des
Gesamtkonzepts, des fünffach gegliederten Vorbereitungsganges und
der Perikopenauswahl besprochen worden (vgl. ThLZ 105, 1980
Sp. 145-147; 107, 1982 Sp. 293f). Die Anzeige der beiden vorliegenden
Bände (redaktionell verantwortet von H. Bornhäuser bzw.
T. Sorg) soll sich auf den vierten Schritt des wieder durchgehend
gleich angewandten Vorbereitungsganges konzentrieren. Nach Textauslegung
, Theologischen Entscheidungen sowie Anregungen,
Anstößen, Kontrasten werden beim vierten Schritt Seelsorgerliche
Überlegungen vermittelt. Eine Inhaltsanalyse der vorgetragenen
Überlegungen ergibt, daß einige Themen allein durch die Häufigkeit
ihres Vorkommens eine besondere Valenz haben; ihre Summierung

ergibt ein homiletisches Zielpanorama. Man erhält Antwort auf die
Frage, welche anthropologischen Problemfelder von den Bearbeitern
(29 bzw. 31) für die Predigt der Gegenwart für wesentlich gehalten
werden. •

Der Predigthörer der achtziger Jahre, so wird häufig ausgeführt,
erlebe sich zwischen Weltmächtigkeit und Ohnmächtigkeit; einerseits
wissenschaftsgläubig und technisch sehr potent, sei er andererseits
erschrocken über die Grenzen des Machbaren sowie gelähmt durch
Zukunftsangst und Fremdbestimmung. Ferner erfahre er sich als stehend
zwischen Reichtum und neuer, bewußt zu wählender Armut;
neige seine Mentalität einerseits zu Leistungs- und Konsumsteigerung
, so wachse doch andererseits die Empfindung der Leere, besonders
bei Hörern aus der jüngeren Generation, und es wachse die Sehnsucht
nach einem Mehrwert des Lebens, der als im Materiellen un-
findbar sich erweist. Gleichzeitig treten die ökologischen, die
kommunikationszerstörenden und die seelischen Gefahren des Wohlstandsreichtums
zunehmend ins Allgemeinbewußtsein.

Im Blick auf solche Beschreibung des homiletisch-seelsorgerlichen
Zielpanoramas stellt sich die Frage, ob die seelsorgerlichen Überlegungen
nur spiegeln, was ohnehin das Zeitbewußtsein bestimmt,
oder ob sie aus biblischen Perspektiven auch eigene aufdeckende und
tiefenschärfende Sichten gewinnen. Dazu ist ein Dreifaches zu sagen.
Einmal kann die seelsorgerliche Situationsanalyse schon als solche
Zeichen einer christusgegründeten Liebe zum Hörer sein und damit
biblischer Perspektivierung entstammen. Zum anderen hängen die
skizzierten Deutungen der gegenwärtigen menschheitlichen Situation
häufig, zumindest untergründig, mit biblisch-kirchlicher Überlieferung
zusammen; der in zahlreichen Ausarbeitungen dieser Bände
spürbare Einfluß von Erich Fromms „Haben oder Sein. Die seelischen
Grundlagen einer neuen Gesellschaft" (1976) ist ein Beleg
dafür.

Schließlich sind Autoren dieser Predigthilfen selbst wachsam
gegenüber der Gefahr, Predigt könne sich zu sehr auf Suggestionen der
Öffentlichkeit stützen und solcherart lediglich zum Kompromiß mit
dem Status quo taugen (vgl. z. B. 3. Jg. B, S. 183; 4. Jg. B, S. 510- Ein
spezifischer Beitrag biblisch orientierter Seelsorge wird mehrfach
durch Hinweis auf Begriff und Wirklichkeit des Dämonischen zu
geben versucht, und damit wird das homiletische Zeit- und Zielpanorama
vor weitere Horizonte und tiefere Abgründe gestellt (vgl. z. B.
3. Jg. B, S. 190f, 207f, 227f;4. Jg. B, S. 267).

Von mehr „internen" Problemen der Predigtgemeinden werden folgende
besonders genannt: Vergeßlichkeit bzw. Unverständnis im
Blick auf den dritten Glaubensartikel; Spannung zwischen Fundamentalismus
und Weltfrömmigkeit; Auseinanderklaffen von
gemeindlicher Identität und Relevanz nach außen; Festhalten an bürgerlichen
bzw. „spießigen" Lebensformen und -normen.

An seelsorgerlichen Problemen im Blick auf den Prediger selbst
werden bedacht: Hang zur Monotonie, die nur immer das Gleiche zu
sagen weiß; Leiden an ausbleibender Resonanz; Fixierung auf Analysen
und Appelle; Auslieferung an Hörererwartungen. Ein Eingehen
auf Psychologie und Seelsorge der Predigerpersönlichkeit geschieh!
freilich, aufs Ganze gesehen, nur gelegentlich; eine Auswirkung der
jüngeren pastoraltheologischen Bemühungen in Forschung und Praxis
ist also weiterhin in den NCPH nur wenig zu spüren. Gleicherweise
fehlen tiefenpsychologisch geprägte Texterschließungen fast
ganz.

Zu vermuten steht, daß diese Verzichte mit dem Profil der NCPH
zusammenhängen. Sie wollen die kritische und konstruktive Kraft der
Predigt vorrangig aus der bibeltheologisch-dogmatisch orientierten
Arbeit an und mit den biblischen Perikopen gewinnen; geäußert wird,
Predigt sei nur rechtfertigungstheologisch zu begründen (3. Jg. B,
S. 53). Dieser Linie entspricht es, daß die seelsorgerlichen Überlegungen
zwar der Aktualisierung von Predigtaussagen dienen, nicht aber
etwa auch eine Hierarchie für die Verkündigungsgehalte eines Textes
ausbilden helfen. Darum fallen auch im Vorbereitungsgang der
NCPH die theologischen Entscheidungen bereits vor den Seelsorger-