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Ausgabe:

1983

Spalte:

447-449

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Neuner, Peter

Titel/Untertitel:

Doellinger als Theologe der Oekumene 1983

Rezensent:

Haufe, Christoph Michael

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 6

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und die vier Apparate erläutert. Der erste Apparat gibt alle Abweichungen
des vorgelegten Textes von der oft fehlerhaften handschriftlichen
Überlieferung und die zahlreichen Varianten der Ausgaben des
15. und 16. Jahrhunderts an, da diese für die Wirkutigsgeschichte
wichtig sind. Zugrundegelegt ist Codex 219 der Bibliothek des
St.-Nikolaus-Hospitals zu Kues. Der zweite Apparat weist die von
NvK zitierten und die von ihm nicht genannten Quellen nach, möglichst
aus den von ihm benutzten Handschriften. Am häufigsten
werden Albertus Magnus, Aristoteles, Dionysius Areopagita, Plato,
Proclus und Thomas (den er in De venatione sapientiae auffällig hoch
schätzt) aufgeführt, dagegen die Herlige Schrift ziemlich selten. Der
dritte Apparat gibt die Parallelstellen aus seinen anderen Schriften an;
damit können die beiden hier edierten Schriften sowohl leichter in
sich selbst verstanden als auch die Entwicklung seines Denkens besser
verfolgt werden. Die Nähe der beiden Schriften zueinander wird dabei
nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich offenkundig. Der vierte
Apparat belegt exemplarisch die Wirkungsgeschichte beider Schriften
zwar nicht im 15., wohl aber in den folgenden Jahrhunderten. So hat
U. 'Pinder in seinem 1510 in Nürnberg erschienenen "Speculum intel-
lectuale felicitatis humane" De venatione sapientiae an vierzig Stellen
zitiert. Von daher hatte A. Comenius seine Kenntnis von NvK. Die
Editoren haben die Testimonia Udalrici Pinderi als Appendix beigefügt
(137-144). Außerdem seien in diesem Zusammenhang vor allem
C. Steinbeck, J. EcxundG. Bruno genannt.

Anmerkungen zu 24 Stellen bieten einen kurzgefaßten Kommentar
. Er stellt eine wesentliche Hilfe für die Arbeit mit den edierten
Schriften dar.

Sechs Indices beschließen die Edition (171-249). Im ersten Index
werden die von NvK genannten Namen, im zweiten die von ihm
zitierten Schriften, im dritten die in den Anmerkungen angeführten
Namen, im vierten die im Apparat bzw. in den Anmerkungen zitierten
Autoren und im fünften die Codices aufgeführt. Der sechste Index
bietet - zum ersten Male in der Heidelberger Ausgabe - ein ausführliches
Wortregister. Leider wird die Praefatio in kein Register
einbezogen.

R. Klibansky hatte 1928/29 das Erscheinen der ersten kritischen
Edition der Werke des NvK vorbereitet gehabt. Nach 54 Jahren hat er
nun noch (mit H.-G. Senger zusammen) diesen Band herausgeben
können. Eine große Mühe ist in dieses Werk investiert worden!

Gewiß sind die Werke des NvK mehrfach, vor allem auch in deutscher
Übersetzung, herausgegeben worden. Aber diesen editiones
minores steht nunmehr erstmalig als editio maior die kritische Ausgabe
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gegenüber. Ihr
korrespondiert die auch von der Heidelberger Akademie verantwortete
Ausgabe „Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung
"; in ihr hat P. Wilpert 1964 De venatione sapientiae herausgegeben
. Sind die Opera omnia auch noch lange nicht vollständig
ediert (z. Zt. wird intensiv an der Herausgabe seiner Predigten gearbeitet
), so ist die vielfältige Beschäftigung mit NvK in vielen Ländern
ohne diese einmalige kritische Ausgabe heute undenkbar.

Freiberg Karl-Hermann Kandier

Neuner, Peter: Döllinger als Theologe der Ökumene. Paderborn
-München-Wien-Zürich: Schöningh 1979. 265 S. gr. 8' =
Münchener Universitätsschriften: Fachber. Kath. Theologie. Beiträge
zur ökumenischen Theologie, 19. Kart.DM42,-.

Vf. versteht diese seine Habilitationsschrift als Beitrag zur Neuentdeckung
des 19. Jh. Die Wegbereiter für die theologischen Neuansätze
und kirchlichen Auseinandersetzungen der Gegenwart seien weithin
Theologen des 19. Jh. gewesen, die sich gegen die zu ihrer Zeit zur
Alleinherrschaft gebrachten Neuscholastik nicht durchsetzen konnten
. Besonders an Döllingers Lebenswerk und -weg lasse sich erkennen
, welche Stellung der historischen Wissenschaft in einer fast völlig

vom Systemdenken der Neuscholastik bestimmten Kirche zugewiesen
worden sei. Eine spezielle Aufgabe sieht Vf. darin, an Döllinger die
Bemühungen eines Katholiken um eine Annäherung der Christen und
um ein Erwachen des Einheitsstrebens zu würdigen, was bisher nicht
angemessen geschehen sei (11-16).

Vf. teilt D.s Lebenswerk in drei Perioden ein. Am Anfang steht der
Apologet der römisch-katholischen Kirche (18-56), der den dogmatischen
Standort findet, dem er zeitlebens treu bleiben wird. Seinetwegen
gerät er mit den Ergebnissen des I. Vatikanischen Konzils in
Konflikt (60-131). In dieser Situation wendet sich D. Bemühungen
um eine Wiedervereinigung der Kirchen zu und wird zum ökumenischen
Pionier (134-219). Ein abschließender Teil verfolgt die weitere
Wirksamkeit von D.s Bemühungen um die Einheit der Kirche und
beurteilt die Prinzipien seiner Unionsbemühungen von der heutigen
Theologie aus (223-253). Quellenverzeichnis, Literaturverzeichnis
und Personenregister sind beigefügt.

Im ersten Teil referiert Vf. im wesentlichen J. Finsterhölzl nach
dessen Buch „Die Kirche in der Theologie Ignaz von Döllingers bis
zum ersten Vatikanum", hrsg. von J. Brosseder, Göttingen 1975.
Danach gewinnt D. bereits am Anfang seiner Laufbahn seine theologische
Grundausrichtung. Das Kriterium, nach dem er die Wahrheit
und die Rechtmäßigkeit einer Kirche beurteilt, ist deren Apostolizi-
tät, „also ob sie die Lehre der Apostel in lebendiger Überlieferung unverfälscht
weitergegeben hat, und ob sie vom bischöflichen Amt geprägt
ist, das den Kanal darstellt, durch den die Kirche einer jeden
Zeit mit der der Apostel verbunden bleibt" (57). Vorbildlich ist dies
für D. in der episkopalen Verfassung der alten Kirche erfüllt. In der
frühen apologetischen Phase seines Wirkens vollzieht er von hier aus
noch einen polemischen ökumenischen Rundumschlag gegen alles,
was nicht römisch-katholisch ist. Aber - und hier setzt das Interesse
des Vf. ein - aufgrund historisch-kritischer Beobachtungen lernt D.
sein Urteil über die Kirchen seiner Zeit zu differenzieren (57). Bereits
im Jahr 1861 erfolgt dieser Durchbruch in der Abhandlung über „Kirche
und Kirchen". Die röm.-kath. Kirche wird kritisch gesehen, der
vorher verurteilte Protestantismus birgt durchaus die Wirklichkeit der
Kirche, und die Reformation erscheint als ein Gericht, das heilend
und läuternd gewirkt hat (52). D. überwindet seine polemische Position
, in der er an 99 Sündern mehr Freude hatte als an einem Gerechten
, und öffnet sich der historisch-kritischen Methode und dem her-
meneutischen Prinzip. Der späte D. bekennt, wie sein ganzes Leben
ein sukzessives Abstreifen von Irrtümern gewesen sei, an denen er oft
zähe festgehalten habe, gewaltsam gegen die ihm aufdämmernde bessere
Erkenntnis sich stemmend. Hauptirrtum sei die Meinung gewesen
, daß Unterwerfung unter die Autorität das eine zum Heil der Welt
und für die eigne Seele Notwendige sei (122).

Von hier aus gewinnt D. die Freiheit zur Kritik am L Vat. Konzil,
auf dem die röm.-kath. Kirche durch die Definition der Unfehlbarkeit
und des Universalepiskopates mit der eigenen Tradition gebrochen
habe und eine kirchliche Revolution vollzogen habe (74). Von hier
aus gewinnt er auch die Freiheit für seine Bemühungen um eine Wiedervereinigung
der Kirchen. Vf. verfolgt mit Akribie und umfassender
Sachkunde diese Periode in D.s Lebenswerk und beschreibt sie als
Vorgeschichte der ökumenischen Bewegung im 19. Jh. Er nennt D.s
Interesse am Problem der Mission, wie es auf nicht-röm.-kath. Seite
zur Weltmissionskonferenz von Edinburgh 1910 führen sollte (142),
oder die Bescheidung auf die Bekenntnisformeln der ersten kirchlichen
Jahrhunderte, oder die Absage an eine absorptive Union und
völlige Verschmelzung der verschiedenen Kirchenkörper. Geradezu
modern muten die Grundprinzipien einer Einheit in Vielfalt unter
Verzicht auf Bekehrung anderer an sowie der Einheit als Einigung in
Gestalt eines unablässigen Prozesses - die Absage also an eine statisch
verstandene, ein für allemal fixierte blockartige Einheit (173).

Die alte Streitfrage, ob D. Altkatholik geworden oder röm.-kath.
geblieben sei, gewinnt von hier aus neues Licht. D. bleibt exkommunizierter
röm. Katholik und will keine neue Kirche gründen, sondern
um der Seelsorge willen und nur auf dem Weg des kirchlichen Not-