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Ausgabe:

1983

Spalte:

397-398

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Treu, Martin

Titel/Untertitel:

Die Bedeutung der Consolatio bei Luther (bis 1525 ) als Anstoss für die gegenwärtige Seelsorgediskussion 1983

Rezensent:

Treu, Martin

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397

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

398

zwischen Verkündigung und Diakonie nennt und einen handlungs-
orientierten praktisch-theologischen Ansatz vorschlägt. Er erläutert
ihn am Beispiel der Definition von Handlungszielen für die Kirchen-
kreissozialarbeit und die dabei nötige Prioritätensetzung, die das
Selbstverständnis der Diakonie ebenso zu berücksichtigen hat wie die
örtliche Situation. -1. Lukatis untersucht die Zielvorstellungen und
Aufgabenbeschreibungen für die Kirchenkreissozialarbeiter. Sie
erkennt latente Konflikte zwischen mehr kirchlich-theologisch
formulierten und sozialwissenschaftlich orientierten Zielvorgaben.
Handelt es sich dabei um ein Sprachproblem, oder signalisiert dieses
tieferliegende, ungelöste Sachprobleme? - Zielfindung und Prioritätensetzung
sind auch wichtige Aufgaben der Fortbildung, wie A.
Müller-Schöll als Leiter der Diakonischen Akademie Stuttgart
zeigt. Er schildert, wie diese Klärungsprozesse bis zur Erarbeitung von
Arbeitsplatzbeschreibungen geführt wurden. - Der Jurist J. N.
Bischoff stellt schließlich die Kirchenkreissozialarbeit in den
Rahmen des neuen Diakoniegesetzes der hannoverschen Landeskirche
. Dabei ist besonders interessant, daß der Kirchenkreis Mitglied
des Diakonischen Werkes der Landeskirche wurde. Darin drückt sich
die Aufwertung der „mittleren Ebene" aus.

Der umfangreiche Anhang (S. 154-266) enthält vor allem das
Material der Befragung, deren Ergebnisse im Textteil graphisch gut
veranschaulicht werden. So wenig aus den Befunden unbesehen Konsequenzen
für diakonische Arbeit unter anderen gesellschaftlichen
Verhältnissen gezogen werden können, so deutlich zeigen sich doch
Grundprobleme, die sich mutatis mutandis der Diakonie überall stellen
: Die Fragen nach den grundsätzlichen Zielen, den konkreten
Prioritäten und den Trägern des Dienstes bedürfen ebenso der theologischen
wie der empirisch fundierten Klärung. Sie stellen sich der
ganzen Kirche nicht weniger dringlich als der Diakonie. Der Wert des
Buches besteht darin, daß es die weiterhin notwendige Grundsatzdiskussion
aus empirischer Sicht bereichert und zugleich exemplarisch
zeigt, wie eine Gruppe von Mitarbeitern in ihren Problemen ernstgenommen
und in ihren Möglichkeiten gefördert werden kann.

Gutenberg bei Halle/S. Eberhard Winkler

Referate über theologische
Dissertationen in Maschinenschrift

Treu, Martin: Die Bedeutung der Consolatio bei Luther (bis 1525) als
Anstoß für die gegenwärtige Seelsorgediskussion. Diss. Halle 1982.
220 S.,45 S.

Bei der vorgelegten Arbeit handelt es sich um den Versuch, systematische
und kirchengeschichtliche Erkenntnisse für die Seelsorgetheologie
nutzbar zu machen.

Daß Luther u. a. auch ein bedeutender Seelsorger war, ist allgemein
bekannt. Bei Durchsicht seiner Schriften und Briefe ergibt sich, daß
der Begriff Seelsorge eine untergeordnete Rolle spielt, der Begriff
Trost (consolatio) dagegen auch in theologisch tiefgründigen Passagen
häufig Verwendung findet. Deswegen beschäftigt sich der erste Hauptteil
der Untersuchung mit der Trostbedürftigkeit des Menschen und
der Beschaffenheit des Trostes.

Luther versteht Trostbedürftigkeit als Leiden des menschlichen
Gewissens in der Anfechtung. Das Leiden signalisiert die Verlorenheit
des Menschen als peccator coram Deo. Anfechtung ist das Akut-
werden dieses Leidens, dabei wird der Mensch vom Fleisch, von der
Welt und vom Teufel angegriffen. Die Erkenntnis des Glaubens
besteht darin, hinter der Anfechtung Gott als ihren Urheber zu erkennen
. Das Gewissen, das eine sowohl erkennende wie urteilende Funktion
hat, ist dabei der Ort der Gottesbegegnung.

Trost ist demgegenüber das Geschehen, in dem das verzweifelte, angefochtene
Gewissen in ein ruhiges und sicheres gewandelt wird.
Urheber und Subjekt des Trostes ist Gott. Sein Inhalt ist das göttliche
Wort, der Christus pro me. Da Christus auch Trostvermittler

zwischen Gott und Mensch ist, entsteht hier eine dialektische Spannung
. Die dem Trost entsprechende Haltung des Menschen ist der
Glaube. Das Ergebnis des Trostes ist vor allem Gewissensfreiheit. Zusammenfassend
läßt sich der Trostvorgang als ein spezifischer Aspekt
der Rechtfertigung sola fide verstehen.

Die skizzierte Spannung zwischen Trostbedürftigkeit und Tröstung
konkretisiert sich für Luther in mehreren Stufen (2. Hauptteil). Basiskonkretion
ist die Schrift. Die claritas scripturae steht dem unsicheren
, wankenden Menschen gegenüber. Sie weist nicht nur auf den
Inhalt des Trostes, sondern auch auf die Aufgabe, dem Nächsten
diesen Trost zu bezeugen und ihn dadurch zu trösten. Dies kann im
Rahmen der kirchlichen Strukturen geschehen (Beichte, Sakramente),
wie auch im spontanen, brüderlichen Gespräch. Tröstung wird von
Luther als Dienst am Nächsten verstanden, der von der Liebe, die notwendig
aus dem Glauben folgt, gefordert ist. Luther verlangte und
praktizierte zumindest teilweise eine Kongruenz zwischen Trostinhalt
und tröstlicher Haltung. Dabei ist eine spezifische Seelsorgemethode
bei ihm nicht zu erkennen. Zwischen Seelsorger und Angefochtenem
besteht letztlich eine brüderliche Beziehung, da sich beide
im Gegenüber zum richtenden und gnädigen Gott wissen. Dies
schließt Beratung und verbindliche Weisung durch den Seelsorger mit
ein. Typisch für Luthers seelsorgerliche Briefe ist eine Verbindung
von casus und theologischen Erwägungen. Indem Luther sich auf die
Gewissen konzentriert, hat er den ganzen Menschen als leib-seelische
Einheit im Blick.

Für implizite wie explizite Wirkungen Luthers auf die gegenwärtige
Seelsorgediskussion wurde der Begriff des Anstoßes gewählt
(3. Hauptteil). Er weist auf die Möglichkeit, von Luther her einen
Beitrag zur Überwindung des gegenwärtigen Theoriedefizites zu
leisten, wie auch auf die Schwierigkeiten eines solchen Versuches. Es
ist eine Grundthese der Arbeit, daß dazu Luthers Trosttheologie einer
zeitgemäßen Interpretation bedarf, da seine Seelsorgepraxis nicht einfach
in der Gegenwart wiederholt werden kann.

Als Ergebnis der Untersuchung des Verhältnisses von Rechtfertigung
und Annahme ergibt sich die Forderung des Vollzuges und der
Explikation des reinen Rechtfertigungsglaubens sola fide in die radikal
ernstgenommene Situation hinein.

Für eine lutherische Anstöße aufnehmende Seelsorge ist weiterhin
eine konstitutive Verwendung der Schrift unaufgebbar. Außerdem
gibt Luthers Trosttheologie sachgemäße Kriterien an die Hand zum
Verständnis und zur Kritik des Menschenbildes, das die neuere Seelsorge
aus den Humanwissenschaften übernommen hat. Die Methodenkontroverse
in der gegenwärtigen poimenischen Literatur schließlich
kann nicht rein pragmatisch entschieden werden. Anstöße
Luthers können hier vor einer Auflösung der Seelsorge in „Psychotherapie
im kirchlichen Kontext" warnen und gleichzeitig alle Methodengesetzlichkeit
vermeiden helfen. Dem Seelsorger selbst kann
Luthers Trosttheologie insofern zur Hilfe werden, als sie ihn von aller
Überinterpretation seiner Haltung und Kompetenz entlastet.

Zeitschriftenschau

Reformätus Egyhäz34,1982

Szönyi, György: Az igehirdetö Zwingli (Der Prediger Zwingli) S. 8-9.

Hörcsik, Richard: Komäromi Csipkes György keziratos ägendäja (Die handgeschriebene
Agende des György Komäromi-Csipkes) S. 10-12.

Juhäsz, Zsöfia - Haläsz, Ede: Habilitäciö es rehabilitäciö az örbottyäni
gyermekotthonban (Habilitation und Rehabilitation im Kinderheim örbottyän)
S. 12-13.

Bellai, Zoltan: Az istentiszteleti elet szabälyozasa a 18. szazadban (Die Regelung
des gottesdienstlichen Lebens im 18. Jahrhundert) S. 37-38.

Bartha, Tibor: A fogyatekosok befogadäsa Krisztus szolgalö szeretetebe (Die
Eingliederung der Behinderten in die dienende Liebe Christi) S. 51-53.

Meszaros, Istvän: Krisztus feltamadäsanakerejeazegyen,az egyhäzesa viläg
eleteben (Die Kraft der Auferstehung Christi im Leben des Individuums, der
Kirche und der Welt) S. 54-57.