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Ausgabe:

1983

Spalte:

341-343

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Ficicchia, Francesco

Titel/Untertitel:

Der Bah?'ismus, Weltreligion der Zukunft? 1983

Rezensent:

Obst, Helmut

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

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aus dieser „ambivalenten" Stellung von Schöpfer und Schöpfung (der
Tibil) zu verstehen. Das gleiche Bild zeigt sich auch im mandäischen
Ethos (121-133), wo sich bekanntlich positive mit negativer (asketischer
) Weltbeziehung verschlingen, allgemein-ethische Regeln von
Reinheitsforderungen mit gnostischen Motivierungen wechseln
(1280. Nach C. ist dieser „Ausgleich von Kosmismus und Antikos-
mismus" (146) aus der ursprünglichen gnostischen Weltsicht und der
Lebenspraxis einer eigenständigen ethnisch-religiösen Gruppe zu
erklären; erstere hat sich in der Lehre vom Seelenaufstieg durch die
himmlischen Purgatorien der Planeten erhalten, letztere im ethischen
und rituellen Verhalten. Diese „Zweideutigkeit" (ambiguitä) ist zur
Eigenart der mandäischen Theologie gegenüber anderen ethnischen
und gnostischen Konzeptionen geworden (142). Religionsgeschichtlich
lassen sich eine ganze Reihe von Zügen auf nichtmandäische Vorstellungen
zurückführen (z. B. die Planeten und Tierkreiswesen auf
Mesopotamien), der Demiurg Ptahil ist aber ein typisches Produkt der
mandäischen Kosmologie (1430-

Man kann Frau C. eine gründliche Kenntnis der mandäischen Literatur
in den zugänglichen Übersetzungen bescheinigen. Die getrennte
Analyse der einzelnen Literaturgruppen nach ihren kosmogonischen
Aussagen ist ein wertvoller Beitrag zur Phänomenologie der mandäischen
Religion, wobei allerdings noch stärker die Abzweckung, der
..Sitz im Leben" der Gattungen ins Spiel gebracht werden sollte. Die
religionswissenschaftliche Befragung der Quellen mit dem Ziel, eine
Art Typologie des mandäischen Dualismus aufzustellen, verdient
ebenfalls Beachtung und dürfte vor allem für die allgemeine Gnosis-
forschung von Wert sein. Die dadurch zurücktretende historisch-genetische
und literarkritische Fragestellung, wie ich sie in meiner
..Theogonie, Kosmogonie und Anthropogonie" (1965) verfolgt habe
und von der Frau C. wenig Gebrauch macht, führt natürlich dazu, daß
man ein recht einflächiges Bild bekommt und sich über den Zustand
des recht disparaten, aus unterschiedlichen Zeiten (auch sprachlich!)
stammenden Quellenmaterials hinwegtäuscht. So sind die sog. esoterischen
Schriften (die eigentlich zur Ritualliteratur mit gehören)
sicherlich einer Spätstufe zuzurechnen, die die jüngere Nasirüthä (als
Ausdruck eines abgeschlossenen Priesterstandes) verraten. Für die
Eruierung der Entwicklungsgeschichte der mandäischen Kosmologie
gibt es nach wie vor noch viel zu tun. Bedauerlich ist übrigens, daß
Frau C. sich in der Druckfassung ihrer Dissertation nicht mit der
andersartigen Auffassung (betr. die Stellung der Rühä und die Rolle
des Rituals in der mandäischen Religion) von Frau J. Jacobsen Buck-
'ey (USA) auseinandergesetzt hat, deren Dissertation „Spirit Ruha in
Mandaean Religion", Chicago 1978 (Ph. D. der Faculty of the Divi-
nty School) zwar nur in Maschinenschrift vorliegt, aber sie hat sich
dazu auch in drei Aufsätzen geäußert'. Die Diskussion darüber würde
in der Mandäerforschung sicherlich einige Bewegung auslösen.

Leipzig Kurt Rudolph

Two female Gnostic Revealers, in: History of Religions 19, No. 3,.Febr.
'980, S. 259-69; The Mandaean Tabahata Masiqta, in: NUMEN 28, 1981,
s- 138-163; A Rehabilitation of Spirit Ruha in Mandaean Religion, in: Hist. of
Rel- 22, No. 1, Aug. 1982 S. 60-84.

Ficicchia, Francesco: Der Bahaismus. Weltreligion der Zukunft?
Geschichte, Lehre und Organisation in kritischer Anfrage. Stuttgart
: Quell Verlag 1981,475 S. 8 Lw. DM 68,-.

Der Bahaismus, vielfach als die jüngste der großen Weltreligionen
bezeichnet, hat in der Religionswissenschaft nicht immer die verdiente
Aufmerksamkeit gefunden. Das aktuelle Interesse für „Jugend-
reügionen" bzw. „Neureligionen" der Gegenwart rückte den Bahäis-
mus noch weiter aus dem allgemeinen Blickfeld. Tatsächlich gehört er
zu den bemerkenswertesten religiösen Phänomenen der Neuzeit. Seit
den Arbeiten von G. Rosenkranz und K. Hutten fehlen, zumindest im

deutschen Sprachraum, eigenständige Untersuchungen, die den neuesten
Entwicklungs- und Forschungsstand aufnehmen. Diese Lücke
möchte die vorliegende Arbeit in umfassender Weise ausfüllen. Sie
wendet sich bewußt an einen „größeren Leserkreis" (S. 28). Der Vf.
war bis 1974 selbst Bahäi-Anhänger. Er verfügt von daher über
wertvolle interne Kenntnisse. Andererseits beeinflussen, wie er selbst
betont, seine „selbstgemachten Erfahrungen mit dem Bahaismus
Inhalt und Formulierung" seines Urteils. Er erhebt folgerichtig
„keineswegs den Anspruch auf strenge Objektivität der Aussagen und
der erzielten Bewertung" (S. 30).

Die Arbeit ist historisch aufgebaut. Mehrfach kommt es in der Darstellung
zu Wiederholungen. Der erste - relativ kurze - Hauptteil
„Begründung des Bahaismus im Babismus" (S. 33-105) ist den Vorläufern
der Bewegung gewidmet. Dabei lehnt sich der Vf. bewußt an
die Standardwerke von M. Gobineau, E. G. Browne und H. Roemer
an. Nach einem Blick auf „die religiösen und politischen Verhältnisse
in Persien vor dem Auftreten des Hazrat-i Bab" (Kap. 1) werden dessen
Leben und Wirken (Kap. 2), seine Glaubenslehre und sozialen
Ordnungen (Kap. 3) sowie die Probleme seiner Nachfolge (Kap. 4)
dargestellt. Der Vf. betont, „daß der Bahaismus aus einer Spaltung
des Babismus hervorgegangen ist", ohne eine babistische Sekte zu
sein, da er den Bayan („das heilige Buch des Hazrat-i Bab") ablehnt
(S. 110). Es handele sich vielmehr um „eine eigenständige Religion,
die aus dem Islam in analoger Weise hervorgegangen ist wie das Christentum
aus dem Judentum" (S. 1470- Behauptungen des Bahaismus
, der seine Entstehung auf das Jahr 1844 zurückführt, werden mit
guten Gründen als „Geschichtsklitterung" zurückgewiesen.
„Geschichtlich fällt die Entstehung des Bahaismus erst in die Jahre
1866/67, in denen sich die Spaltung der Babi in Azali... und
Baha'i.. .endgültig vollzogen hat." (S. 110)

Der zweite Hauptteil „Ausgestaltung des Bahaismus" (S. 107-431)
ist eine umfassende, oft weitgespannte Darstellung von Geschichte,
Lehre und Organisation. Zunächst wird die historische Entwicklung
in kritischer Auseinandersetzung mit der Baha'i-Literatur nachgezeichnet
(Kap. 1-4). Ausgehend vom Exil der Babiführer in Bagdad
und der Loslösung vom Bayan wendet sich der Vf. den Exulanten in
Istanbul und Edirne zu, schildert den Aufenthalt Bahäullahs in Akka,
seine Nachfolgeregelung und seinen Tod. Es entsteht ein weithin
geschlossenes Bild der Entwicklung des Bahaismus in dieser Periode.
Leider wird das Schicksal der Gruppe der Azali nicht weiter verfolgt
(S. 144). Breiten Raum widmet der Vf. in diesem Zusammenhang den
Schriften Bahäullahs, der als Offenbarer einer neuen Religion gilt.
Baha'ullah wirkte nur durch das geschriebene Wort. „Seine Religion
ist somit eine exklusive Buchreligion." (S. 146)

Die Periode unter Abdul Bahas - 1892-1921 - (Kap. 4), dem Sohn
und Nachfolger Bahäullahs, wird als „die hohe Zeit des Bahaismus"
bewertet (S. 205). Abdul Bahas selbst erfährt hohe Anerkennung. Sein
„Leben und Wirken ... waren gekennzeichnet von einer erstaunlichen
Vitalität, Weitsicht und Toleranz gegenüber Andersgläubigen"
(ebd.). Angesichts der ihm zugestandenen Bedeutung ist die Darstellung
seines Lebens und Wirkens überraschend kurz(S. 191-207). Abdul
Bahas „ausgesprochen umfangreiches" Schrifttum, das an Bedeutung
dem seines Vaters nicht nachstehe, wird nur erwähnt, nicht
jedoch näher vorgestellt.

Dem historischen Abriß folgt in den Kapiteln 5-7 die detaillierte
Darstellung der Glaubenslehre, der kultischen Regelungen, der
Soziallehren und der Ethik des Bahaismus. Umfassend wird informiert
, viele interessante Einzelheiten treten hervor. Allerdings ist bei
der Entwicklung der Glaubenslehre, aber auch an anderen Stellen, ein
gewisser Mangel an systematischer Durchdringung bei der Darstellung
des Stoffes festzustellen. Positiv ist der Versuch hervorzuheben,
die im Bahaismus bestehenden Unterschiede in Theorie und Praxis
anhand konkreter Beispiele deutlich zu machen (z. B. Ehepflicht, Mitgift
, Scheidung, Bigamie etc.). „So präsentieren sich", hebt der Vf.
hervor, „Offenbarung und Gesetz in einem neuen, opportunistischen
Gewand, das mit dem ursprünglich Gesagten wenig mehr gemein hat.