Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1983

Spalte:

302

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Opo?enský, Milan

Titel/Untertitel:

Widerstand und Revolution 1983

Rezensent:

Langer, Jens

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

301

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 4

302

bringen: „In der Relation müssen sich also beide Größen als die, die
sie sind, zur Geltung bringen - und zugleich muß ein neues Gemeinsames
hergestellt werden" (94). Dabei übersieht der Vf. nicht das Problem
, ob und wann nun Relationen als sog. äußere und nicht vielmehr
sog. innere zu interpretieren sind - er löst diese Frage im Sinne der
zweiten Alternative: „Aber diese Relation verlangt nun allerdings
immer auch eine bestimmte Art von Gleichartigkeit, wenn man so
will sogar: von gleicher Substanz" (93 ; vgl. 60).

Von hier aus gelangt der Vf. erstens zu seiner systematisch-theologisch
zentralen These und zweitens zu einer Problematisierung der
Rolle der Metaphysik in der Theologie. Jene lautet und wird durch
das Buch hin immer erneut wiederholt, verfeinert, präzisiert (25, 31,
40,41 ff, 50, 60, 159): „Dem menschlichen Ich begegnet das göttliche
Du - und schließt das menschliche Selbst in sich ein, indem es selber
zu ihm hereinkommt" (38). Das ist sozusagen der Klartext; philosophisch
wird diese viel zu metaphorische Aussage, hier in kritischer
Auseinandersetzung mit Tillichs „Selbst-Welt-Korrelation" (27 ff), so
rekonstruiert: „Das Selbst hat seine jeweilige Welt in echter unverzerrter
Struktur ständig bloß als eine Struktur-Mitte, die sich selbst. ..
als das natürliche Selbst, in einer zweiten Phase des einen, einheitlichen
Prozesses des jeweiligen Aktes der Beziehung ... durch ein
neues Zentrum ersetzen läßt. Dieses neue Zentrum kann hinsichtlich
des bisherigen Seins des Selbst nur als radikal andersartig, ... muß
damit aber als der ,Grund des Seins' bzw. das ,Sein - Selbst' verstanden
werden" (145). Gott ist es, der es damit „dem Sein erlaubt, in einer
Distanz sich selbst gegenüber zu sein, aus der allein wirklich
existenzgemäße Struktur möglich wird" (ebd.; 41 f).

Das Thema Metaphysik aber stellt sich, indem z. B. an der zitierten
Stelle der Ausdruck ,Person' für Gott vermieden ist. Denn muß ,Gott'
als „radikale Andersartigkeit gegenüber dem nur Natürlich-Menschlichen
" verstanden werden (42,47,64,118,127,131,132f, 162), so ist
klar, daß er „nicht ohne weiteres selbst als Person bezeichnet werden
kann", „so daß von göttlicher .Person' also eigentlich nur noch symbolisch
gesprochen werden kann" (43); womit „die allerdings berechtigte
Frage . . ., ob wir nicht (in dem Zwei-Phasen-Modell; Th. M.)
letztlich zwei Personen in einer haben" (41; vgl. 62f, 64; 102,119 analog
zu den Ausdrücken .Relation', .Begegnung'), negativ beantwortet
werden kann. Hier sieht man, wozu Philosophie gegenüber den .Klartexten
' nötig, .Metaphysik' unvermeidbar ist, soll Theologie nicht
Unsinn behaupten.

Der Verfasser geht aber noch weiter. Er beantwortet auch die Frage:
..Warum ist überhaupt von Gott zu sprechen?" (71; vgl. 84) und gibt
für sie folgende, eine meines Erachtens logisch befriedigende Lösung:
..Der Mensch ist von der Analyse seiner Existenz her aufzuzeigen als
s'ch selbst transzendierend. Mit dem .Offenbarungspositivismus'
wiederum muß umgekehrt festgehalten werden an der .Existenz' Gottes
, d. h. an dem Umstand, daß uns in Gott nicht einfach die .Erfüllung
' des Menschen in einer bloß (für den Menschen) funktionalen,
sondern (zunächst und vor allem) immer auch an und für sich realen
Größe begegnet. Die .Vermittlung' beider Positionen hat damit zu
sein: Die an sich reale Größe Gottes wird für den Menschen zu einer
funktionalen, ohne darin aber etwa aufzugehen. Und d. h. umgekehrt:
Von der notwendigen Funktionalität Gottes für die wirklich strukturgemäße
menschliche Existenz her ist Gottes .Existenz' unbedingt zu
Postulieren" (114; vgl. 47). Umgekehrt bekämpft Schwanz, daß „man
das schwierige Problem der Metaphysik modern-entschlossen
streicht" (116): „Das in heutiger Theologie relativ verbreitete (und
a'so offensichtlich: beliebte) Unterfangen, Gott seiner ,Existenz' zu
berauben, ihn also in einem angesichts der Frage nach seiner Eigen-
-Existenz' bloßen Funktionalismus aufgehen zu lassen, um diesen
Funktionalismus schließlich so gerade nur vom Menschen selbst her
•ontisch' zu untermauern, ist somit nicht nur hinsichtlich des angeblichen
Festhaltens an dem mit dem Wort ,Gott' Gegebenen, aber eben
doch eindeutig aufgegebenen, zurückgelassenen Sachverhalt irreführend
, sondern kann darin vor allem auch der grundsätzlichen Situation
der menschlichen Existenz . . . niemals gerecht werden" (1150

Nun sieht der Verfasser klar, daß das Gottes-„Postulat" (48, 59, 70,
154, 161) „den Eindruck der Leere" (163) vermittelt („immer nur ein
Ort der Hoffnung" 37; 1530 und somit „von atheistischer Seite beanstandet
werden" kann (164), zumal selbst eine breite Spielart von
Theologie „Gott als den ganz Anderen ..., und eben das wäre für die
klassische Theologie bereits nahe der Blasphemie, zur Rettung der
Person eingeführt" hat (164; vgl. 160f; positive Aufnahme der
„Existenzanalyse" 118,159). Damit aber „müssen" wir „die Vorstellung
von zwei streng zu unterscheidenden Wirklichkeitssphären des
Ganzen überhaupt ... postulieren..." (155; 158, 161, 170). Nun
postuliert der Verfasser daraufhin konsequent: „Das ursprüngliche
Postulat verifiziert sich in einer absolut neuen Erfahrung" (116).
Diese soll „mit sonstiger (empirisch-wissenschaftlicher) Erfahrung
zugleich identisch und nicht-identisch" (ebd.) sein (vgl. 54 Anm. 251
zur .„Körperlichkeit' in verschiedener Seinsweise"). Dies kann aber
nicht das letzte Wort sein. Vielmehr ist (z. B. mit den methodischen
Mitteln von Heinrich Scholz) zu fragen, ob und wie eine solche Erweiterung
des Erfahrungsbegriffs logisch-analytisch und eben nicht nur
durch Berufung auf die eigene Rede-Tradition gerechtfertigt ist.

Marburg (Lahn) Theodor Mahlmann

Opocensky, Milan: Widerstand und Revolution. Herausforderung
an die Christen. Hrsg. v. R. Weckerling im Auftrag des Ökumenisch
-Missionarischen Instituts, Berlin-West. Mit einem Vorwort
v. Ph. Potter. Aus dem Engl, von U. Berger, E. Haemmig, M.
Pfeiffer, A. Welty; unter Mitwirk. v. J. Müller bearb. München:
Kaiser 1982.212 S. 8 Kart. DM21,-.

Die englische Originalausgabe wurde in ThlZ 104. 1979, 686f
besprochen. Die deutsche Übersetzung hat Philipp Potter mit einem
Vorwort versehen. Der Verfasser schrieb ein fünftes Kapitel „Theologische
Reflektionen in einer Zeit revolutionären Wandels". Darin
führt er vor allem in die Problematik der Säkularisation, die nichtreligiöse
Interpretation sowie in Tendenzen der Theologie in den siebziger
Jahren ein. Außerdem wird dem Leser aber auch die Bedeutung
Hromädkas und des II. Vaticanum bewußt gemacht. Insbesondere
Studenten können damit insgesamt einen guten Überblick zu Fragen
christlicher Sozialethik gewinnen. Der Rezension der Originalausgabe
ist darum nur ein Wunsch hinzuzufügen: Möge eine DDR-Ausgabe
folgen, die für unsere Leser nach den Aufsätzen Hromädkas, der
Waldenser-Monographie Molnärs und den Aufsätzen J. Smoliks
(„Erbe im Heute". Berlin: EVA 1982) den bemerkenswerten Beitrag
des tschechischen Protestantismus zur europäischen Theologie vervollständigen
hilft.

Güstrow Jens Langer

Systematische Theologie: Dogmatik

Schumacher, Joseph: Der apostolische Abschluß der Offenbarung
Gottes. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1979. 336 S. gr. 8' = Freiburger
Theologische Studien, 114. Kart. DM 58,-.

Die breit angelegte Untersuchung gilt dem Axiom der katholischen
(Fundamental-)Theologie, daß „die Offenbarung mit dem Tode des
letzten Apostels abgeschlossen" sei. Sie ist in drei Hauptteile gegliedert
, die dem Offenbarungsverständnis (I.), der Frage des Abschlusses
der konkret-geschichtlichen Offenbarung (II.) und dem Problem der
„apostolischen Zeit" (III.) gewidmet sind. Der Verfasser führt umfassend
in die vielfältigen Fragen ein; alle bedeutenderen Theologen von
Irenäus bis E. Schillebeeckx kommen zu Wort, allerdings zumeist
ohne tieferes Eindringen in ihre Denkart und ihr System, sondern eher