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Ausgabe:

1983

Spalte:

266-267

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Grundmann, Walter

Titel/Untertitel:

Das Evangelium nach Markus 1983

Rezensent:

Räisänen, Heikki

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr 4

266

durch ,,das All" auf der Linie hellenistischen Denkens in 43,27 (im
Unterschied zu hebr. „er ist alles"; s. 493), vgl. 23,20 (LXX); 36(33),1
(hebr., „Gott des Alls"17); 18,1 (LXX, hier tä pänta präzisiert durch
koine „insgesamt")'*. Weiteres ist hier nicht zu erörtern, schon im
Blick auf das angekündigte Buch von S. Vorerst ist insbesondere durch
die Gewinnung einer begründeten Textgestalt und die neue Übersetzung
nicht nur eine wesentliche Vorarbeit für dieses Opus geleistet,
sondern auch unabhängig davon innerhalb des für JSHRZ abgesteckten
Rahmens1'' ein Weg in eine Schrift des Frühjudentums gewiesen,
die nicht nur, wie gerade auch S. (489-494) zeigt, Tür dessen Verständnis
bedeutsam ist, sondern jahrhundertelang ihren vielfältigen Einfluß
in der Christenheit ausgeübt hat.

Halle (Saale) Gerhard Delling

' Auch Bemerkungen zur Redeweise im Rahmen der jüdisch-hellenistischen
Literatur(einschlicßlich LXX)sind nur in besonderen Fällen gemacht.

1 Doch ist das Ms. „um eine durchgängige Auseinandersetzung mit der
zwischenzeitlich erschienenen Bearbeitung der Weisheit Salomos von
D. Georgi erweitert worden" (3; gemeint ist JSHRZ III, 4, s. u.).
D. Winston, The Wisdom of Solomon, Anchor Bible 43, Garden City (NY)
1979, war O. (wie dem Rcz.) noch nicht zugänglich (Vorwort [3]).

' 19.10-22 „bereiten einer Kompositionsanalyse nicht unerhebliche
Schwierigkeiten" (175).

Nach Georgi (s. u.) ist dagegen in Sap nirgends „vom Abfall vom jüdischen
Glauben die Rede" (412).

Ein „Schulprodukt..., das in einem kollektiven Prozeß gewachsen" ist
(393). Ein Vergleich mit der Gegenthese von OfTerhaus 1981 (s. o.) ist reizvoll.

Beiden widersprechen z. B. betont positive Äußerungen über das Oflfen-
barwerden der Weisheit Gottes in der Schöpfung und ihren Ordnungen
(7,17-21) und über Gottes Ja zum Leben des von ihm Geschaffenen (11,24-26);
i» allem ist Gottes (Lebens)geist (12,1).

Bündig 394: „Sap ist eine gnostische Schrift."

* Stoic. vet. fragm. I S. 1241'wird die Wendung „mühelose Vorsehung"
nicht auf Kleanthcs zurückgeführt (G. zu 16,20), sondern auf „die einen".

' Zu 7,13 (G. „ohne Neid"): äphthonos „reichlich" ist verbreiteter griechischer
Sprachgebrauch; vgl. in LXX 3.4 Makk. Für areslös etc. steht 4,14;
9.9.I8 (der, die, das) „beste". Zu 7,15 ist eine im App. abgelehnte Lesart in die
Übersetzung aufgenommen.

Versuch einer Gliederung: 494. Unter „Literatur" sind ausführlich Ausgaben
und Untersuchungen zum Text (494-498) verzeichnet. Unter „Übersetzungen
und Kommentare" (4980 könnte auf mehrere Titel verzichtet werden.
Die Abhandlungen (500-504) werden in Auswahl genannt.

Es wäre hilfreich, stünden vermutbar sekundäre Partien in Petit; nur z. T.
sind (] gesetzt.

5 Stellen aus alttestamentlichen Apokryphen. Sub. „außerbiblische Schriften
" (644) sind nur wenige weitere frühjüdische aufgeführt.

" Hauptsächlich 1,1-3,6; 16,27-25,16; 26,18-30,10; 34(3I),2-35(32),10;
38.27-39,15.

Vgl. etwa Martin Hengcl, Judentum und Hellenismus, Tübingen 1973,
241-275.284-292.

So wird etwa der lange Einleitungssatz der Vorrede nicht aufgelöst. In den
Leihen von mit al beginnenden Verboten 4,22-27; 5.M; 7,3-20; 8.3-J4;
9.1-12 werden diese jeweils wiedergegeben mit „Nicht sollst du ..." (in LXX
teils conj. aor.. teils impt. praes.). Bemerkenswert häufig wird „Fleisch" im Sinn
de^Geschöpnichen, Vergänglichen beibehalten.
i7 Sogar in „Begierde", 6,1.3.26.

LXX pantön, ohne Artikel!

Jedenfalls meint pambasiieüs 50,15 nicht „König des Alls" (so
s >. sondern „König über alles", s. die paganen Belege in Lexiken (seit
4 Jh.v. Chr.).

Am meisten Platz wurde bislang ant bibl gewährt (JSHRZ II
89~271); s. ThLZ 101,1976 Sp. 914-916.

Neues Testament

Grundmann, Walter: Das Evangelium nach Markus. 8. Aufl. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt 1980. XVI, 460 S. gr. 8" = Theologischer
Handkommentar zum Neuen Testament. II. Lw. M. 18,-; Ausland:
22,50.

Grundmanris Kommentar erschien erstmals 1959 als zweite Auflage
des Theologischen Handkommentars zum Evangelium nach
Markus. Seither wurde er mehrfach aufgelegt. Seit der 7. Auflage von
1977 liegt eine durchgehende Umarbeitung der Auslegung vor, wobei
der Band um etwa ein Viertel erweitert wurde.

Das Werk ist vor allem literarkritisch und formgeschichtlich ausgerichtet
. Die redaktionsgeschichtliche Arbeit der letzten Jahrzehnte
wird zwar durchweg berücksichtigt; doch erscheinen die vorliegenden
Ergebnisse dem Vf. so widersprüchlich, daß nur „eine sehr vorsichtige
Analyse" der Überlieferungsgesehichtc einer Perikope möglich ist.
„Der Schwerpunkt müßte auf dem Bemühen einer verstehenden Analyse
des vorliegenden Textes beruhen ..." (29). Darüber hinaus
bemängelt G. in der neueren Forschung das Zurücktreten der „Frage
nach der Geschichtlichkeit des Ursprungs der Tradition in der Geschichte
Jesu". So ergibt sich für ihn „die doppelte Aufgabe, den Stand
der Traditions- und Redaktionsgeschichte für die einzelnen Periko-
pen und Perikopenzusammenhänge in ihren umstrittenen Ergebnissen
zu berichten und die in die Tradition und Redaktion ergangene
.Erinnerung' zu erheben" (30).

Die letztere dieser Aufgaben ist dem Vf. im ganzen gelungen; bei der
Rückfrage nach dem historischen Jesus muß sein Beitrag ernsthaft
berücksichtigt werden. Nur wird seine Darstellung - gerade als eine
Folge der Reserviertheit der Redaktionsgeschichte gegenüber - dadurch
belastet, daß G. es oft im Unklaren läßt, auf welcher Ebene sich
seine Analyse jeweils bewegt: ob auf der historischen, der der vormar-
kinischen Überlieferung oder der der Endredaktion.

So gibt er z. B. zu verstehen, daß das Schweigegebot nach dem Petrusbekenntnis
(8,30) „der Theorie des Markus vom Messiasgeheimnis entstammt"
(216); der Vers ist also redaktionell. Dabei versteht Markus das Petrusbekenntnis
als das nachösterliche Bekenntnis der Christenheit; gerade deshalb versieht
er es in Jesu Geschichte hier mit dem Verbot der Verbreitung. In der Einzelexegese
(218) schreibt G. jedoch anhand 8,30, daß Jesus auf das Bekenntnis des
Petrus nicht mit einem Ja antwortet, weil er sich hier dem messianischen Bekenntnis
widersetzt; die Jünger sollen niemandem sagen, daß er der messia-
nische König sei, weil sein Königtum falsch verstanden würde. Hier ist einfach
vergessen, daß der Vers einer markinischen Theorie entstammen sollte; er wird
hier gleichsam als Teil des alten Berichts behandelt, den G. als Grundlage der
Perikope vermutet. Markus hat das Bekenntnis nicht zugleich sowohl als falsch
(irdischer König) als auch als „christlich" verstehen können.

G. bietet dem Leser reichlich Auskünfte über verschiedene Hypothesen
und Interpretationsmöglichkeiten aus der Literatur der letzten
Jahre (bis etwa 1974), wobei sein Blickfeld allerdings fast völlig auf
den deutschsprachigen Bereich beschränkt ist. Daß verschiedene Gesichtspunkte
zu Wort kommen, ist zu begrüßen. Freilich bleibt die
Darstellung auch hier manchmal etwas unscharf. Man vermißt ein
klareres Abwägen und einen zielbewußteren Vergleich der verschiedenen
Theorien; jetzt bleibt oft der Eindruck einer eher verwirrenden
Sammlung von Ansichten, vor der der Vf. ein wenig zu leicht kapituliert
hat.

Im allgemeinen sind die eigenen Entscheidungen von G. vernünftig
und diskutierbar (gelegentlich freilich etwas vage, wie z. B. sein Verständnis
des Messiasgeheimnisses). Zu derrwenigen Sonderbarkeiten
gehört die Vermutung (im Anschluß arrHoltzmann und Waitz), die
Ehebrecherin-Perikope Joh 7,53-8,11 habe-einst zwischen Mk 12,17
und 12,18 gestanden; an dieser Stelle wird die Erzählung im Kommentar
denn auch eingeschoben und ausgelegt. Zu bedauern ist, daß
die alten Klischees über das Judentum, die heute in der Forschung
langsam überwunden zu werden scheinen, in diesem Kommentar
noch weitergegeben werden; so die Rede vom „fernen Gott" (52) oder