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Ausgabe:

1982

Spalte:

341-343

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Velikovsky, Immanuel

Titel/Untertitel:

Die Seevoelker 1982

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 5

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Teilen westlicher Zivilisation und Technik verbunden gewesen. Dergleichen
Verbindungen pflegte man früher synkretistisch zu nennen.

Der Band wird abgerundet durch 15 Seiten Anmerkungen, ein Verzeichnis
der wichtigsten im Buch benutzten Maoriwörter, eine Zeittafel
, 100 Nummern weiterführender Literatur, Abbildungen, eine
Karte und vor allem ein Sachregister.

Es ist Greschat gelungen, ein in sich schlüssiges Bild der Religionsgeschichte
eines polynesischen Volkes zu bieten. So seltsam uns Vorstellungen
wie Mana und Tapu - das landläufige Schlagwort Tabu ist
eine ganz einseitige Verengung - vorkommen mögen: Greschat
macht deutlich, daß auch die „primitive" Religion in sich logisch
konsequent aufgebaut ist, auch wenn ihr magisches Weltbild den ver-
rheiritiich aufgeklärten Weißen zunächst „primitiv", widersinnig, ja
dumm erscheinen mag.

Der Rez. begrüßt die Intention des Vf., dem Leser nahe zu bringen,
daß die Gläubigen von Stammesreligionen keine Einfaltspinsel sind.
Um so mehr ist zu hoffen, daß das, was auf Seite 144 steht, vom Vf.
selbst inzwischen bedauert wird. Dort heißt es über bestimmte religiöse
Texte, die in der Zeit der schlimmsten Auswüchse des Kolonialismus
entstanden und gebetet wurden, sie seien „Beispiele von
Ungereimtheiten ... wer das verfaßt hat, scheint nicht recht bei
Tröste gewesen zu sein."

Das von Greschat beigebrachte Beispiel entspricht sicher weder
dem europäischen Gebrauch der englischen Sprache, noch unserem
Verständnis von konsequentem Denken. Trotzdem sollte sich angesichts
von Greschats Ansatz ein solches Urteil verbieten. Auch wenn
es so aussieht als ob , jene unsinnigen Wortreihen" als mögliche kara-
kia (Rituelle Gesänge) gedacht waren und der Vf. auf diese Möglichkeit
hinweist, so sind die auf S. 144 angehäuften Urteile leider doch
geeignet, alle Vorurteile wieder aufzubauen, die Greschat hat ausräumen
wollen. Das magische Weltbild ist zwar nicht das von der aufgeklärten
westlichen Wissenschaft allgemein akzeptierte Weltbild.
Aber es ist in sich konsequent - auch in den für den aufgeklärten Europäer
„unsinnigen" Merkwürdigkeiten.

Niendorf a. D. St. Hanfried Fontius

Alter Orient

Velikovsky, Immanuel: Die Seevölker. Aus dem Amerikanischen
v.W. Wagmuth u. Ch. Marx. Frankfurt/M.: Umschau Verlag
1978. 280 S. m. 27 Abb., 1 Kte gr. 8' = Zeitalter im Chaos. Lw. DM
36,-.

Immanuel Velikovsky (t) war seit fast drei Jahrzehnten bekannt als
einer derjenigen, die „fundamentale Meinungen in Frage" stellen
(279). Seine spezielle Aufmerksamkeit galt der altorientalischen Geschichte
, deren .revolutionärer' Revision er eine Serie von umfangreichen
und weitverbreiteten Publikationen gewidmet hat. Dieses Rekonstruktionsvorhaben
läuft auf eine drastische Verkürzung der
Chronologie insbesondere der altägyptischen Geschichte hinaus.
Insgesamt spart V. 500 Jahre ein, wobei sich die wunderlichsten Synchronismen
ergeben, da er das herkömmliche chronologische System
der Geschichte Israels unverändert läßt. So wird Hatschepsut - alias
.Königin von Saba' - zur Zeitgenossin Salomos. Thutmosis III., identifiziert
mit Scheschonk [., verwandelt sich in einen Zeitgenossen
Rehabeams. Die Amarna-Briefe sinken hinab bis in die Zeit der Könige
Ahab und Josaphat...

Unter dem Titel „Die Seevölker" rückt V. nunmehr den Pharaonen
der XX. Dynastie energisch zu Leibe. Durch Versetzung an die
Stelle der Herrscher der XXX. Dynastie erfahren die Ramessiden
eine Verjüngung nicht nur um 500, sondern sogar um 800 Jahre.
Nektanebos I. (380-363) muß seinen Platz an Ramses III. abtreten
, Teos (362-361) an Ramses IV. und Nektanebos II. (360-343) an
Ramses VI.' Für die dergestalt entthronten Könige der XXX. Dynastie
hält V. Ersatzfunktionen bereit. So glaubt er Nektanebos II.
(Necht-horhebet) in Necht-hor, einem Beamten des persischen Satrapen
Arscham aus der Zeit ab 424 v. Chr. wiederzuerkennen. Nektanebos
I. (Nechtnebef) soll dann Necht-hor's Vorgänger (ab 445
v. Chr.) gewesen sein, während Teos gänzlich verschwindet.2

Alle drei Pharaonen der XXX. Dynastie sind jedoch durch historische
Inschriften - z. T. auch dritter Personen - eindeutig als über
Gesamtägypten herrschende Könige bezeugt und keineswegs nur als
größenwahnsinnige Beamte anzusehen, die ihren Namen gelegentlich
in eine Königskartusche setzten, wie der Vf. seine Leser glauben
machen möchte (117).

V. beklagt sich in Anteilnahme erweckender Weise über die Un-
einsichtigkeit der Fachleute, speziell der Ägyptologen, Archäologen
und Althistoriker, die nicht geneigt seien, seine Bemühungen um eine
chronologische Rekonstruktion der altägyptischen Geschichte ernsthaft
zur Kenntnis zu nahmen. Es liegt dies nun freilich nicht daran,
daß sie die erforderliche „geistige Anstrengung verweigerten" (13). Es
liegt auch nicht daran, daß V. um die Aufgeschlossenheit seiner Leser
zu stärken, die Fachleute als verzweifelte und doch freiwillige Gefangene
eines orthodoxen Systems voller Widersprüche darstellt, das
sie zu immer neuen Hilfskonstruktionen, zum .Zugeben', .Eingestehen
', .Widerrufen' und .Sichwundern' nötigt. Der Altertumswissenschaft
ist ein von neuen Gesichtspunkten ausgehender Einstieg
in die Chronologie, der die noch bestehenden Unsicherheiten und
Lücken verringert, stets willkommen. Allerdings muß ein solcher
Neuansatz den methodischen Anforderungen genügen, die an wissenschaftliche
Arbeit zu stellen sind. Diese Anforderungen hat V. leider
nicht erfüllt, in keinem seiner zahlreichen Bücher. Allein deshalb
haben seine Bücher kein Echo in der Fachwelt finden können. Man
braucht auch vom ,Seevölker'-Bande nur wenige Seiten zu lesen, um
das schön aufgemachte Buch mit Bedauern auf den bedenklich
wachsenden Stapel der historisch-utopischen Literatur abzulegen.3

Es bleibt das Faktum der überaus positiven Aufnahme, die V.
gleich anderen Autoren ähnlicher Richtung in sehr breiten Leserkreisen
gefunden hat. Wesentlich zu diesem Erfolg dürfte beigetragen
haben und auch zukünftig noch beitragen, daß V.s Bemühungen
geleitet werden von der Überzeugung der Zuverlässigkeit
der in den geschichtlichen Büchern des Alten Testaments enthaltenen
Überlieferungen und chronologischen Angaben. Auch im
,Seevölker'-Bande erfahren die in Betracht kommenden biblischen
Aussagen, trotz der chronologischen Umstülpung, jede nur wünschenswerte
Bestätigung. Das gelingt durch Abtrennung der Philister
von den Seevölkern. Während jene gleich den Amalekitern mit den in
die Zeit Sauls verlegten und von ihm mit Unterstützung durch seine
ägyptischen Kollegen Kamose und Ahmose besiegten Hyksos identifiziert
werden, erkennt V. in diesen die zur Wiedergewinnung des abtrünnigen
Ägyptens im Jahre 373 v. Chr. ausgesandte persische Armee
in ihrer ethnisch mannigfaltigen Zusammensetzung. Die nicht
nur historisch, sondern auch philologisch unhaltbare Beziehung der
üblicherweise mit den Philistern identifizierten pwl's'ty bzw. - auf
Grund der Austauschbarkeit von r und 1 im Ägyptischen - pwr's'ty
der Inschriften Ramses' III. auf die Perser ist überhaupt das wichtigste
unter den Argumenten, die V. für seine Geschichtsrekonstruktion
anführt.

Eine Auseinandersetzung im einzelnen ist an dieser Stelle nicht
möglich; sie sollte aber nicht vernachlässigt werden, zumal sich im
Laufe der Jahre eine formierte Überzeugungsgemeinschaft gebildet
hat. Ihre Organisation ist seit 1974 die 'Society for Interdiscipli-
nary Studies', die Konferenzen veranstaltet, Zeitschrift und 'Newsletter
' herausgibt. Dem Nachwort „Über den Autor" (279) ist zu entnehmen
, daß auch für die „Diskussion der Velikovskyschen Analysen
" im „deutschen Sprachraum" das „Podium Akademische Freiheit
" in Basel ein „Kontaktzentrum" unterhält. Interessanterweise
wird die organisierte Bewegung des .Velikovskyism' von einer Reihe
wissenschaftlich qualifizierter Hochschulkader, überwiegend aus der
jüngeren Generation, getragen. Ihre Sehnsucht nach Alternativen