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Ausgabe:

1981

Spalte:

51-52

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Ladaria, Luis F.

Titel/Untertitel:

El Espíritu Santo en San Hilario de Poitiers 1981

Rezensent:

Nagel, Walter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 1

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Der Informationswert des Buches von G. Söll ist unbestreitbar. In
einer allgemein verständlichen Sprache gibt es Einblick in nicht
immer einfache und mehrschichtige Entwicklungsprozesse. Es ist
wohl unvermeidbar und soll dem Autor nicht zum Vorwurf gemacht
werden, wenn die Frage nach der Legitimität bei seinem Bemühen
um eine „objektive" Darstellung der faktisch erfolgten mariologischen
Lehrentwicklung mit federtührend ist. Wer in der „innerkirchlichen
Glaubensdynamis"', im „Factum Ecclesiae" und im „gesamtkirchlichen
Glaubenssinn" die entscheidende Motivation für die
neuen kirchlichen Lehrentscheidungen sieht, wird seine Uberzeugung
von ihrer Legitimität zum Durchschein kommen lassen müssen.

Für den protestantischen Leser ist der dem Buch angefügte „Epilog
" (2341T) von besonderem Interesse. Dort wird die 1954 erfolgte
Proklamation von Maria der Königin und Maria, Mutter der Kirche
(1964) erwähnt; ein kurzer Bericht über Maria auf dem II. Vatikanischen
Konzil gegeben und die nachkonziliare Mariologie skizziert.
Das Buch schließt ab mit einem leider nur sehr kurzen Abschnitt
über die Geschichte der Mariendogmen und das ökumenische
Gespräch.

Der Leser erfährt, daß die 1950 besonders in romanischen Ländern
ausgelöste „marianische Welle" (235) nicht lange anhielt. Die innerkatholische
Kritik - manche Theologen versuchten, sich durch „Interpretation
" mit der neuen Situation zu arrangieren, wird nicht verschwiegen
. Eine besondere Rolle spielte dabei „das Thema der Core-
demtrix" (243). „Nach dem II. Vatikanischen Konzil ist die Tendenz
zu beachten, den provokatorischen Titel sorgfältig zu vermeiden und
trotz des früheren literarischen Aufwands nach einer lehramtlichen
Verlautbarung vergessen zu lassen" (243).

Der mit den Mariendogmen zusammenhängenden ökumenischen
Problematik ist G. Söll sich voll bewußt. Er hat sicher recht, daß sie
auf der Tagesordnung des ökumenischen Gespräches bleiben wird.
Einen positiven Ansatz sieht er in der vom II. Vatikanum betonten
„Rangordnung der Wahrheiten" (Hierarchia veritatum). „Die Mariologie
ist nicht das Herzstück des Katholizismus" (255). Deshalb
dürfe der „nichtkatholische Partner" im Gespräch nicht überfordert
werden. Sein eigenes Bemühen, dazu zu helfen, „die katholische
Marienlehre und Marienverehrung besser zu verstehen" (255) ist als
gelungen anzuerkennen. Und ein Protestant, der die mariologischen
Grundaussagen der Bibel und des Apostolikums nicht einfach für
theologisch irrelevant hält, wird das Buch mit Gewinn studieren,
auch wenn er manche Folgerungen nicht ziehen kann, obwohl sie den
Anspruch erheben, „theologisch" zu sein.

Wilhelm Andersen!

Ladaria, Luis F.: El Espiritu Santo en San Hilario de Poitiers. Madrid
: Eapsa 1977. 359 S. 8" = Publicaciones de la Universidad Pon-
tificia Comillas Madrid, ed. A. Vargas-Machuca. Serie I. Estudios.
8, Teologia, 1,5. ptas 750.

Ladaria beginnt mit dem Hinweis auf das Interesse, das heute die
Pneumatologie allgemein findet. Unsere Kenntnis der Kirchenväter,
die erstmals in Anlehnung an die Diktion des AT und des NT über
den Geist als göttliche Kraft und Gabe, sodann aber über denselben
als 3. Person der göttlichen Trinität schrieben, hat große Lücken (23).
L. hätte sein Anliegen durch Verweise z. B. auf Harnacks Dogmengeschichte
, speziell den § 39. dem Leser leichter machen können.
Harnack hat die Entwicklung dieses Lehrstücks von den Apologeten
an bis zu den großen Kappadoziern in seiner Weise einsichtig zu
machen gesucht. Indes sind die Grenzen seiner Kunst des Verstehens
und Darstellens allgemein bekannt, so daß immer wieder Raum für
eine Untersuchung wie die von L. bleibt.

Hilarius von Poitiers schrieb nach dem Zuschnitt des Zeitalters des
Kaisers Konstantin ein sauberes und klares Latein. Aber bei der Beschreibung
von den Taten und von dem Wesen des Geistes gelangt er
nicht annähernd zu der Brillanz, die schon 150 Jahre vor ihm Orige-
nes, Tertullian und Hippolyt von Rom auszeichnet. - wenngleich
damals noch in unzureichender Weise gedacht und formuliert (323
mit A. 113). Harnack (a.a.O) und M. Werner (Die Entstehung des
christlichen Dogmas . ... 582 0 haben die für die Vorgeschichte von
Hilarius wichtigsten Formeln zusammengestellt, nicht ohne dabei die
unverkennbare Unsicherheit der Kirchenväter bei der Nennung und
Entfaltung all dessen, was kurz gesagt als 3. Artikel des Bekenntnisses
gilt, zu betonen. L. gibt von seiner Sicht her das gleiche Urteil ab
(25.29).

Der Versuch, gerade bei Hilarius in solcher Sache eine ausreichende
Klarheit und deutliche Fortschritte zu finden, scheint
zunächst zu schwanken. Der vielversprechende Titel seines Hauptwerkes
„De Trinitate" (als einziges Werk des Hilarius in der deutschsprachigen
Bibliothek der Kirchenväter enthalten) ist postum und
falsch hinzugesetzt. Hilarius argumentiert lediglich mit dem 1. und 2.
Artikel des Bekenntnisses und bezieht in den christologischen Auseinandersetzungen
des 4. Jh. den bei ihm längst bekannten schroffen
antiarianischen Standpunkt (320). Sein Bemühen geht allein dahin,
die Göttlichkeit des Sohnes Gottes zu beschreiben und die fatale
Möglichkeit, von zwei Göttern sprechen zu müssen, auszuklammern.
Da ist weder Raum noch Notwendigkeit, dem sog. 3. Artikel des Bekenntnisses
nachzugehen, zumal auch die Dimension der Kirche als
solcher bei Hilarius auffällig zurücktritt.

Indes geht L. sämtlichen Werken des Hilarius gewissenhaft nach, -
bis hin zu den sonst wenig beachteten Spätschriften, z. B. dem Traktat
über die Psalmen. Nach wenigen Präliminarien über den Geist als
„innergöttliche Natur oder Kraft" (27-42) folgt „Die Tat des Geistes
vor Christus" (45-162), danach „Der heilige Geist als Gabe an die
Kirche und die Gläubigen" (163-271). Vf. schließt mit dem für ihn
wichtigsten Kapitel „Der heilige Geist als ,Der Dritte' der Trinität"
(275-335). Das augenscheinlich magere Ergebnis der subtilen Untersuchung
nötigt L. zu einer methodischen Konsequenz. Er unterscheidet
die Gaben des Geistes oder die allgemeinen göttlichen Wirkungen
(3220 von den Taten, besser von den „Funktionen", um von diesen
aus das Wesen oder Sein (el Ser) des Geistes zu erfassen. Hier geht L.
weit über die sich zumeist auf die Hauptschrift des Hilarius beschränkenden
A. Beck, P. Smulders und M. Simonetti hinaus (324). Eine
Schwäche seiner Beweisführung ist es, späten und spärlichen Sätzen
des Hilarius normative Kraft zuzumessen. Aber immerhin: der Heilige
Geist als 3. Person Gottes, gleich dem Vater und dem Sohne, ist
verbotenus bezeugt (323 A. 114). Und das geschah lange vor dem
Auftreten der sog. großen Kirchenväter und der Abhaltung der großen
Synoden der alten Kirche. Hierin liegt der Skopus der Arbeit Ladarias
. Er sieht, daß Hilarius die Sätze zum Geist aus dem Bekenntnis
von Nicäa und aus dem des Athanasius in unnachahmlicher Weise
verbindet. Bei beiden nämlich ist die Formel zum 3. Satz des Bekenntnisses
, für sich genommen, unvollständig.
Es spielt keine Rolle, daß diffizile Auseinandersetzungen z. B. gegen
Athanasius sich finden. Sie sind Zeichen jener Zeit, die keine Ruhe
fand, ausgewogene Formeln aufzustellen (23.120f.26l). Hilarius war
als Abendländer außerstande, der abstrakten und formalistischen
Lehre vom Geist, wie er sie im Osten während seiner Verbannung
kennengelernt hatte, eine gleichartige und gleichwertige Konstruktion
zur Seite zu stellen (25.322). Immerhin ist Ladaria bemüht, die
Unterschiede in der Diktion des Hilarius zu seinen Vorgängern wie
Athanasius, aber auch Tertullian und Novatian, kenntlich zu machen
(120 u. A. 87). Weiteres muß man allerdings in einer problemgeschichtlichen
Darstellung wie der von M. Werner nachlesen (a.a.O.
4600- Überdies gibt Werner auch über die Hilarius anscheinend berührenden
Versuche des Sabellius Nachricht (a.a.O. 573f.582), während
Sabellius bei L. außer acht gelassen wird (vacat auch im Register
S.356).

Schlüssig wird die „Funktion" des Geistes am deutlichsten in den
auf Christus hinweisenden Prophetensprüchen des Alten Bundes
(62.64). Nach der Inkarnation werden die Kirche und die Gläubigen
durch denselben Geist auf Jesus Christus und seine Menschwerdung
hingewiesen. So wird die Inkarnation durch den Geist vorbereitet und
.durch denselben in der Kirche bestätigt (2590- Ist aber Jesus Christus
göttliche Person in der strengen Diktion des Hilarius (840. so muß
der auf ihn verweisenden und ihn später bezeugende Geist ihm
gemäß, also eine göttliche Person sein (322 u. A. 111) Diese radikal
christozentrische Interpretation des Geistes ist das erstaunliche Ergebnis
dieser durchaus zu bejahenden Arbeit über Hilarius. Es wird
Aufgabe der Dogmengeschichte sein, zu prüfen, ob dieser Ansatz des
Hilarius weitergewirkt hat oder verlorengegangen ist.

Ausgezeichnete» und ausführliche Register sowie sorgfältig hergestellte
Anmerkungen vervollständigen diese Arbeit, die ohne Zweifel
der Pneumatologie eine neue Bedeutung gibt.

Bremen Walter Nagel