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Ausgabe:

1981

Spalte:

670-671

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Discours théologiques 1981

Rezensent:

Winkelmann, Friedhelm

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 9

670

zige die richtige Lesart hat. Sie ist in vorliegender Edition nicht verwendet
.

Der größte Teil von De principiis ist uns nur in der lateinischen
Übersetzung des Rufinus überkommen. Es ist eine grundlegende
Frage, welcher Wert ihr zukommt. Es mag sein, daß die Generation
Koetschaus sie zu negativ beurteilte. Jetzt aber schlägt das Pendel zu
stark nach der anderen Seite aus. Die Ausführungen zu diesem Problem
, die im Vorwort (Bd. I 23-26) gegeben werden, befriedigen
nicht. Die Quintessenz lautet: ,,La Version de Rufin merite confiance
pourvu qu'on la prenne pour ce queelle est: une paraphrase generale-
ment exact, non une tradition" (26). Was sich über Übersetzungsmethode
und -theorie Rufins aus seiner Auseinandersetzung mit
Hieronymus erkennen läßt, scheint mir zur größten Vorsicht seinen
Übersetzungen gegenüber zu mahnen, da er bei schwierigen dogmatischen
Problemen auch vor Manipulationen nicht zurückschreckte2.

Um also möglichst annähernd die eigentliche Auffassung des Ori-
genes erkennen zu können, sollte der Text Rufins sehr genau interpretiert
werden. Nicht immer scheint mir die vorliegende französische
Übersetzung dem genügend Rechnung zu tragen. Ich greife z. B.
die wichtige Stelle De prin. I 1,8 heraus: „Quodsi requiras a me, quid
de ipso unigenito sentiam, si ne ipsi quidem visibilem dicam naturam
dei, quae naturaliter invisibilis est: non tibi statim vel impium videa-
tur esse vel absurdum" (Bd. I 108, 274-277). Hier lautet die Übersetzung
: „Si tu me demandes ma pensee ..., desirant savoir si meme ä
lui ia nature divine n'est pas visible..." Die treffende Übersetzung
bietet Ch. Schäublin: „Wenn du mich fragst, was ich meine...:
Wenn ich dann behaupte .. ."3.

Es ist sehr zu begrüßen, daß diesem wichtigen Werk des Origenes
ein Kommentar beigegeben ist, der die in dieser Reihe üblichen Erläuterungen
an Umfang und Gehalt bei weitem übertrifft. Hier
werden auch die Paralleltexte zitiert, übersetzt und auf ihren Wert geprüft
. Da die Fragmente der indirekten Überlieferung für die Korrektur
der Rufinschen Übersetzung und die Eruierung der eigentlichen
Aussagen des Origenes eine sehr große Rolle spielen, sollten diese
Texte nun aber auch wirklich nach der besten Edition zitiert werden.
Das ist leider bei den Fragmenten, die in Justinians Edikt gegen Origenes
enthalten sind, nicht der Fall. Hier wird Mansi zitiert, obgleich
Ed. Schwartz dafür in Acta Conciliorum Oecumenicorum III 189 ff
eine kritische Edition vorgelegt hat, in der die ganze Überlieferung
verarbeitet ist. Natürlich ergeben sich Textabweichungen zu Mansis
Text. So hätten sich dann z. B. Bd. II 122 die Ausführungen über die
Konjekturen Delarues usw. erübrigt.

Auch eine Durchsicht von Edition, Übersetzung und Kommentierung
des III. und IV. Buches von De principiis des Origenes bestätigt
die eben über die Bearbeitung der ersten beiden Bücher geäußerte
gute Meinung.

Aus zwei Gründen können gerade diese beiden Bücher besonderes
Interesse beanspruchen: 1) III 1 und IV 1-3,11 sind vollständig griechisch
in der Philokalie erhalten. Das gibt eine gute Möglichkeit der
Prüfung der Rufinschen Übersetzung, wenn man auch davon ausgehen
muß, daß Rufin bei der Übersetzung des III. und IV. Buches sorgfältiger
vorging, weil ja seine Übertragung der ersten beiden Bücher
harte Kritik hervorgerufen hatte. 2) Sie behandeln Themen, die zu
den fundamentalen Faktoren im System des Origenes gehören und
theologiehistorisch sehr wirksam waren: Freier Wille; Schöpfung und
letzte Dinge; Bibelauslegung.

Ad 1): Der in vorliegender Edition gebotene griechische Text führt
über die Editionen J. A. Robinsons (The Philocalia of Origen, Cambridge
1893) und P. Koetschau (GCS22, Leipzig 1913) nicht hinaus.
• m Kommentar werden die wichtigsten Differenzen zwischen Philokalie
und Rufin hervorgehoben. Auch bemüht sich die französische
Übersetzung, möglichst genau die Charakteristica dieser Texte wiederzugeben
, was mir für den lateinischen Text besser als für den griechischen
gelungen zu sein scheint. Ad 2): Dem Kommentar kommt
gerade für diese beiden Bücher eine besondere Rolle zu. Den einzelnen
Kapiteln ist hier eine Einleitung vorangestellt, die Probleme,

Forschungsstand und Bedeutung des Abschnittes hervorhebt. Die Bemerkungen
selbst gehen auf das Wesentliche ein, enthalten anderseits
nichts Überflüssiges, sind knapp, präzis und ausreichend informativ.
Zu den Annotationes zu III 1 (Freier Wille) kann man noch die Erörterungen
, die E. Junod in SCh 226 zu Philokalie 21-27 gibt, hinzuziehen
. Nur am Rande sei vermerkt, daß es allerdings gut gewesen wäre,
wenn die deutschsprachigen Texte und bibliographischen Angaben
im Kommentar vor der Drucklegung überprüft worden wären.

Berlin Friedhelm Winkelmann

' H. Görgemanns - H. Karpp, Origenes. Vier Bücher von den Prinzipien,
Darmstadt 1976.

' Cf. meinen Beitrag in Kyriakon, Festschrift J. Quasten, II, Münster 1970,
532-547.
3Gnomon50, 1978, 737.

Gregoire de Nazianze: Discours 1-3. Introduction, texte critique, tra-
duction et notes par J. Bernardi. Paris: Les Editions du Cerf 1978.
271 S. 8' = Sources Chretiennes, 247. ffr. 211.-.

- : Discours 27-31 (Discours Theologiques). Introduction, texte critique
, traduction et notes par P. Gallay avec la collaboration de M.
Jourjon. Paris: Les Editions du Cerf 1978. 383 S. 8' = Sources
Chretiennes, 250. ffr. 231 .-.

Daß der größte Teil der Orationes, des Hauptwerkes des Gregor
von Nazianz, zum überwiegenden Teil noch nicht in moderner kritischer
Ausgabe vorliegt, hat seinen Grund zum einen in der komplizierten
Überlieferungssituation, zum anderen in den letzten beiden
Weltkriegen, die die schon zu Beginn unseres Jahrhunderts in der
Krakauer Akademie begonnenen und mit den Namen Th. Sinko. I.
Sajdak und G. Pszychocki verbundenen Vorbereitungen für eine Gesamtausgabe
der Werke des Gregor von Nazianz zum Stillstand
brachten (vgl. zur Bibliographie Clavis Patrum Graecorum ed. M.
Geerard, II Nr. 3010).

Die beiden hier zu besprechenden Ausgaben zweier Gelehrter, die
in der Gregorforschung einen guten Namen haben', stellen zwar
keine Editio maior dar, basieren aber auf den wichtigsten zehn Handschriften
(Ausführungen zur Überlieferung und Textkonstituierung
Bd. 247 S. 51-68 und Bd. 250 S. 17-24) und erreichen ein Format,
das kritischen Ansprüchen genügt. An einer ganzen Reihe von Stellen
bieten sie ins Gewicht fallende Änderungen der Maurineredition, die
Migne abdruckte (PG 35/36), und die bislang als Arbeitsinstrument
dienen mußte. Auch Masons Edition der theologischen Reden ist
damit überholt2.

In beiden Editionen tut ein knapper aber gut fundierter Sachkommentar
, bei dem für Bd. 250 auch M. Jourjon Beiträge leistete, ein
übriges, die Orationes zu erschließen. Wie in der Reihe der Sources
Onretiennes immer, ist das Bibelstellenregister vollständig, das
Wortregister jedoch nur in Auswahl geboten. Leider fehlt in Bd. 247
jeder Sachindex. Und das ist in diesem Fall doch sehr zu bedauern. -
Das Literaturverzeichnis in Bd. 247 bietet eine Auswahl und ist gerade
in bezug auf Editionen und Übersetzungen unzureichend. Es fehlt
leider auch der Hinweis auf die Studie H.-G. Becks (Rede als Kunstwerk
und Bekenntnis - Gregor von Nazianz, Sitzungsber. München
1977 H. 4), die mit sehr feinen und treffenden Bemerkungen eine Einordnung
Gregors in größere Zusammenhänge ermöglicht und einen
Weg zum richtigen Verständnis Gregors weist. Bd. 250 enthält überhaupt
nur bibliographische Bemerkungen und Sigeln.

Die Orationes 1-3, die J. Bernardi vorlegt, sind die ersten literarischen
Äußerungen Gregors, im Jahre 362 nach der Presbyterweihe
entstanden. Sie geben einen guten Einblick in die Sensibilität Gregors
, in die Spannung zwischen priesterlicher Aufgabe und Eloquenz,
zwischen Aktivität und Vita contemplativa und nicht zuletzt in die
Situation von Klerus, Kirche und Gläubigen in der kleinasiatischen
Provinz. Die Hypothese des Vf. (30ff), daß or. II nur die Form einer
Rede habe, aber für Leser bestimmt gewesen sei, will trotz aller Argu-