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Ausgabe:

1980

Spalte:

823-825

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bürkle, Horst

Titel/Untertitel:

Einführung in die Theologie der Religionen 1980

Rezensent:

Lehmann, Arno

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 11

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Diese Schule hat bei der Erforschung des Christentums in
seiner religionsgeschichtlichen Umwelt einen entscheidenden
Beitrag geleistet, von dem die Theologie und Religionswissenschaft
noch heute profitieren. So dürfen die Worte
Boussets, mit denen er selbst in Stolz und Dankbarkeit auf
seine theologischen Lehrer und seine eigene Lehrzeit zurückschaut
, nicht als Überheblichkeit, sondern als schlichte
Tatsache gewertet werden: „Es hat manche Zeiten verknöcherter
und erstarrter Theologie gegeben, aber es gab nicht
viele Zeiten, in denen innerhalb der Theologie so ehrlich
und ernsthaft, mit solchem Mannesmut und solcher Wahrheitsliebe
, mit Einsatz aller Kräfte und so großzügig gearbeitet
und gerungen (worden) ist, wie in diesen letzten Dezennien
" (29).

Jena Theodor Lohmann

Bürkle, Horst: Einführung in die Theologie der Religionen.

Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1977. X, 191 S. 8° =
Die Theologie. Kart. DM 28,50.

„Christus ist in keiner Religion gegenwärtig, am wenigsten
dort, wo ihre Lehren scheinbar mit christlichen Glaubensaussagen
übereinstimmen" (G.Rosenkranz: Die christl.
Mission. 1977, 375). Dagegen stehen Aussagen, die Nicht-
christen seien anonyme Christen (was von buddhistischer
Seite schon mit einem „Dann seid Ihr Christen genau so anonyme
Buddhisten" quittiert wurde), es gäbe Heil auch
außerhalb der Kirche, die nichtchristlichen Religionen seien,
so von Gott gewollt, ordentliche Heilswege, und Metropolit
G. Khodr vertrat 1971 auf einer Tagung des Weltrates der
Kirchen die Meinung, es gelte nur, „Christus zu wecken, der
in der Nacht der Religionen schlummert".

Diesem widerspruchsvollen Tatbestand ist die vorliegende
theologische Arbeit gewidmet. Diese Einführung freilich
will nicht mehr, als „Beispiele und Modelle für die Art des
Dialogs geben, wie er sich heute für die christl. Theologie
als Aufgabe gegenüber den anderen Religionen abzeichnet"
(3). Dabei ist wichtig, daß sich „mit der notwendigen Herausarbeitung
des Eigenständigen und Unterschiedlich-Gegensätzlichen
einer fremdreligiösen Vorstellung die kritische
Rückfrage an die eigene theologische Position und Auffassung
verbindet", wobei sich neue Aspekte für die eigene
Aufgabenstellung ergeben. Der erstrebte Lernprozeß aber
„ist nicht zu verwechseln mit oberflächlicher .Anpassung'
oder sachlich unbegründeten Grenzverwischungen" (3).

Der Einleitung folgt in Kap. B ein informativer Überblick
über die Beurteilung der Religionen in der evang. und kath.
Theologie (6—35), der wegen seiner Aktualität und Stofffülle
vielen Lesern willkommen sein muß. Von besonderer
Wichtigkeit ist dabei der Aufweis der „Impulse der Missionswissenschaft
" (20 f.), weil schon dabei die Schau des
Vf. erkennbar wird: das wirkliche Ernstnehmen jener Religionen
wie auch „die Andersartigkeit des Evangeliums"
(21). Es kann nicht bei einem steifen „Nein!" bleiben
(K. Barth); noch darf es zu einem undifferenzierten „Ja"
kommen, „wie es sich heute in gelegentlichen Verlautbarungen
ökumenischer Dokumentationen abzeichnet" (22).

Auf der „Schmalspur einer gesellschaftlichen Entwicklungshilfe
" kann der volle auftragsgemäße Dienst der Kirche
nicht erfolgen (23). Kap. C bringt Paradigmen des theologischen
Gespräches mit fremden Religionen, wobei „Bezeichnendes
und Wesentliches erfaßt und zum Gegenstand
eines theologischen Dialoges gemacht wei'den sollen" (33).
Der Islam aber wird ausgespart, weil er „in einem einzigartigen
Verhältnis zur christl. Uberlieferung steht und von
daher eine Sonderstellung im theolog. Gespräch mit den
Religionen einnimmt" (34).

Der in seiner Fülle „verwirrende" Hinduismus wird in
seinen Grundtypen kurz und doch so dargestellt (36—63), daß
sich der bisher weniger informierte Leser bereichert genug
fühlt, um den stets folgenden christlich-theologischen Bezügen
und Urteilen folgen zu können (z. B. 40 f., 52 f. u. a.

St.), so auch dem aufregenden und doch wahren Satz S. 49:
„Weder die moderne Demokratie Indiens noch die Gleichberechtigung
der Frau oder das Leistungsprinzip einer technisch
orientierten Gesellschaft lassen sich aus den hinduisti-
schen Grundlagen ableiten." Gerade auf dem Gebiet der
Ethik wird aufgewiesen, wie „die Elemente der Tradition
noch einmal in ihr Gegenteil verkehrt werden" (55). Das ist
so, weil sich auf indischem Boden tiefgreifende Wandlungen
vollzogen haben und der moderne Hinduismus auf eine gesellschaftlich
veränderte Situation heute auf neue Weise
reagieren muß. Bei der glänzenden Behandlung des Kastenwesens
heute blieb auf S. 62 ein Druckfehler oder eine Verwechslung
stehen: gerade die lutherischen Missionen waren
es nicht, die vor der Ordination indischer Pfarrer ein Fest-
Essen forderten, sondern das geschah (anfangs!) bei den Reformierten
und den Anglikanern (cf. A. L.: Es begann in
Tranquebar, S. 100 f.).

Die Behandlung des Buddhismus erfolgt auf den S. 63 bis
92. Auch er ist, wie der Hinduismus, ein „heterogenes Phänomen
". Unter „Geschichte und Deutung" folgen der Kurz-
Schilderung jener Religion immer wieder Gegenüberstellungen
und wesentliche Unterschiede (69) zur Geschichte
und zum Inhalt des Christusglaubens. Das einsichtig darzustellen
, würde zuviel Platz beanspruchen. Für viele Äußerungen
dieser Art stehe dies: „Es gibt kein göttliches Handeln
unter den Bedingungen der Geschichte, das die Qualität
einer Heilsgeschichte haben könnte. Die Vermittlung des
neuen Seins durch die Gegenwart des auferstandenen Christus
ist etwas anderes als die nachvollziehbare Wegweisung
des Buddha" (77). Dabei erkennt der Vf. an, daß „vom Weg
des Buddha für denjenigen, der auf diesem Pfade wandelt,
Ströme der Erneuerung seines Lebens ausgehen" (78 f.).

Auf das buddhistische „damnamus" anderen Heilswegen
gegenüber wird hingewiesen (83). Bei aller Aufgeschlossenheit
für die buddhistischen Werte kommt der Vf. zu dem Ergebnis
: „Der in Christus gestiftete ,Friede, der höher ist als
alle Vernunft', ist weder der äußere machbare Friede der
politischen Angebote noch der psychogene Friede der buddhistischen
nirväna-Erfahrung" (85). Und S. 92: „Zwischen
der neuen Schöpfung, wie der Apostel Paulus in seiner
Symbolsprache das Christusereignis deutet, und der buddhistischen
Selbstverwirklichung im Sinne einer veränderten
,Optik' besteht eine grundlegende Differenz".

Es ist gewiß überraschend, aber doch gut, daß den afrikanischen
Stammesreligionen die S. 92—121 gewidmet werden,
wodurch viele Leser neue Einblicke gewinnen, vor allem
auch wieder, weil hier „das Neue und Besondere der christl.
Botschaft" für Afrika, u. zw. nach Aufzeigung des genuin
Afrikanischen, herausgestellt wird (105). „Das neue Sein ,in
Christus' ist nun aber auch der unaufhebbare Gegensatz
zum afrikanischen Totenglauben" (112).

In diesem durchgeführten Dialog ist die Frage nach dem
„theologischen Recht eines missionarischen Selbstverständnisses
der Kirche" (122) unausweichlich gestellt. Darum
auch muß es zu einer Neu-Interpretation des Absolutheits-
Begriffes kommen. Es gibt eine „Kontinuität, die zwischen
jeder vorchristlichen Religion und der sie aufnehmenden
und über sie hinausführenden christlichen Wahrheit besteht
" — womit gerade „kein abwertendes Urteil über
eine andere Religion gesprochen wird" (126).

„Nicht im Abbruch der Geschichte, sondern in Aufnahme
und Auseinandersetzung mit ihr vollzieht sich die durch
Christus qualifizierte neue Geschichte, die Heilsgeschichte"
(130). Gerade heute „vollzieht sich die Auseinandersetzung
des christlichen universalen Anspruchs mit dem Anspruch
der sich erneuernden und verändernden Fremdreligionen"
(137). Auch darum bleibt es bei der „missio Dei: nicht als
Multiplikation des eigenen Kirchentums, sondern als Bereitschaft
zur Aufnahme und Beteiligung desjenigen, dessen
es um des universalen Ausdrucks in der Gegenwart noch
bedarf" (138).

Rez. fühlt die Unangemessenheit der kurzen Darstellung
gegenüber der Stoffülle und den gegebenen Begründungen,