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Ausgabe:

1980

Spalte:

753-755

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Goy, Rudolf

Titel/Untertitel:

Die Ueberlieferung der Werke Hugos von St. Viktor 1980

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 10

754

Swetnam, J.: The Curios Crux at Romans 4, 12 (Bibl 61, 1980
S. 110-115).

- : The Meaning of jjeTtfcOT£Ul«STag in John 8,31 (Bibl 61,

1980 S. 106-109).
Thompson, J. W.: Hebrews 9 and Hellenistic Concepts of Sac-

rifice (JBL 98, 1979 S. 576-578).
Yagi, Seiichi: Das Ich bei Paulus und Jesus. - Zum neutesta-

mentlichcn Denken - (AJBI 5, 1979 S. 133-153).

Kirchengeschichte: Mittelalter

Goy, Rudolf: Die Überlieferung der Werke Hugos von St. Viktor
. Ein Beitrag zur Kommunikationsgeschichte des Mittel
alters. Stuttgart: Hiersemann 1976. XIII, 634 S., 3 Taf., 1 Ktc
gr. 8° Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 14.
Lw. DM 245,-.

Die Forschung über Hugo von St. Viktor ist durch einige
neue Editionen gefördert worden, doch bleibt man bei der
Mehrheit seiner Werke auf die Ausgabe bei Migne (PL 175—77)
angewiesen. Das jetzt vorgelegte Buch fördert die Kenntnis
über Hugo auf folgende Weise: Goy unternahm umfangreiche
Bibliotheksstudien, um festzustellen, wo und wann die Werke
Hugos von St. Viktor überliefert worden sind. Sammlung von
Handschriftenmaterial ist schon für andere Theologen geleistet
worden: Für Thomas von Aquin, Duns Scotus, Bonaventura
, Alexander von Haies und Nikolaus von Cues. Aber hier
wird nicht nur die handschriftliche Überlieferung festgestellt,
es soll „das diesbezügliche Methodeninstrument erweitert und
verfeinert werden, um so die Aussageeffektivität zu steigern
und ein Modell für ähnliche Untersuchungen anzubieten" (3).
Für solche Zielsetzung sind Hugos Werke geeignet wegen der
Überlieferungsintensität gepaart mit der ihm eigenen geistigen
Spannweite" (3). Wir haben es also mit einem Buch zu tun,
das inhaltlich unsere Kenntnis über einen bedeutenden Theologen
des Mittelalters erweitert und dazu methodisch einen zwar
nicht ganz neuen, aber doch in dieser Konsequenz erstmaligen
Weg geht. Der Frage nach der Echtheit der einzelnen Werke
unter Hugos Namen wird nachgegangen. Aussagekräftig sind
Verzeichnisse, die kurz nach Hugos Tod angefertigt wurden,
sowie Hss., die direkt aus dem Kloster St. Viktor stammen.
Um einzelne Schriften braucht G. kaum zu streiten, da eine
breite Grundlage bleibt. Von S. 9 bis 504 werden die einzelnen
Hss. mit Angabe der Bibliothek aufgeführt und gekennzeichnet.
Die sicher echten Werke machen den weitaus größten Teil aus
(9—457). Die wahrscheinlich echten Werke füllen die Seiten
457—84; es folgen zweifelhafte und unechte Schriften (484—96).
Auch Übertragungen in Volkssprachen werden registriert: Ins
deutsche, niederländische, französische, englische, italienische,
portugiesische (S. 501—04). Seine Ergebnisse faßt G. zusammen
unter der Überschrift: „Einfluß und Bedeutung Hugos von St.
Viktor im Mittelalter aufgrund der Überliefcrungsgeschichtc
seiner Werke" (S. 505-69).

Das Werk Hugos weist 46 selbständige Schriften auf, die in
ca. 1350 Hss. überliefert sind, die fast 2600 Abschriften enthalten
. Das ist eine „Übcrlieferungsintensität", die im Mittelalter
„selten erreicht und noch viel seltener übertroffen" wurde

(505) . An der Spitze steht Hugos „soliloquium de arra animae",
für das G. 323 Textzeugen ausfindig gemacht hat. Das schlägt
sich auch im Mittelteil des Buches nieder, wo für diese Schrift
die Seiten 277—329 benötigt werden, — die größte Seitenzahl
für eine Einzelschrift. Nur die Sentenzen des Petrus Lombar-
dus haben im 12. Jh. diese „Auflagenhöhe" noch übertroffen.
Thomas von Aquin und Albert d. Gr. bleiben dahinter zurück

(506) . Mit 226 Textzeugen steht die Schrift „de modo orandi"
an zweiter Stelle. Hugos Hauptwerk „de sacramentis christianae
fidei" ist in 224 Textzeugen auf uns gekommen. Zusammenfassend
formuliert G.: „Die größte Breitenwirkung erzielte
Hugo mit seinen mystischen und für die religiöse Praxis geschaffenen
Werken. Dann allerdings folgen bereits die theologischen
Hauptwerke" (509). Die Untersuchung des Zeitablaufcs

der Überlieferung bringt folgendes Ergebnis: „Von den rund
2560 Texten stammen 852 aus dem 12. Jh., 665 aus dem 13. Jh.,
331 aus dem 14. Jh. und 11 aus dem 16. Jh. Bei 23 Texten
konnte die Entstehungszeit von hier aus nicht ermittelt werden
. Hoch- und Tiefpunkte werden schon aus diesem Überblick
deutlich" (509). Eine früheste Überlieferung erfolgte schon 1130
bis 40, eine für damalige Verhältnisse sehr schnelle Verbreitung
. Im 13. Jh. war in manchen Gegenden eine gewisse „Sättigung
des Marktes" (512) erreicht, andererseits kamen in diesem
Jahrhundert Hugos Schriften nach Italien, z. B. Assisi und
Monte Cassino. Das 14. Jh. wird als „absoluter Tiefstand" bezeichnet
, dem ein neuer Höhepunkt im 15. Jh. folgt. Es liegt
also keine gleichförmige Bewegung vor, sondern „eine Wellenbewegung
mit stets wechselnden Amplituden" (515). Es kommt
zu klaren Ergebnissen: „Das 12./13. Jh. sieht in Hugo in erster
Linie den großen Theologen und ersten .Summisten'. Naturgemäß
werden allerdings auch die .Eintagsfliegen' . .. hier hauptsächlich
mit überliefert. Hugo als Mystiker tritt in dieser Zeit
zurück. Zu sehr dominierte der Einfluß Bernhards. Nur die
Werke Hugos, die strenge Wissenschaft und mystische Bc-
schauung verbinden .... finden bereits einen ansehnlichen
Leserkreis. Hugo als einer der Wegbereiter der Mystik wird
erst auf dem Höhepunkt dieser — auch ideengeschichtlich —
bedeutsamen Strömung im 14./15. Jh. in der germanischen
Überlieferungszone voll entdeckt" (518).

Ein wichtiges Ergebnis ist die Feststellung, daß neben Frankreich
eine „südmitteleuropäische Provinz" mit Süddeutschland,
Österreich, Südtirol und der Nordschweiz ein besonders wichtiges
Gebiet für die Verbreitung von Schriften Hugos war. Mit
620 Textzeugen findet sich hier ein Viertel der Gesamtüberlic-
ferung; mit 280 Texten im 15. Jh. bedeutet dies für jene Epoche
sogar einen Anteil von 40 %• Davon stellen die Klöster rund
90 °/o. Die entsprechenden Einzeluntersuchungen auf den Seiten
537—51 sind ein Stück süddeutscher Klostergeschichte von
einem bestimmten Gesichtspunkt aus. In Nordeuropa hat lediglich
das Kloster Vadstcna Anteil an der Entwicklung (552).
G. spricht von zwei Hauptzentren, die „sich mit aller nur wünschenswerten
Eindeutigkeit" herauskristallisierten: „Einmal das
Geburtsland des europäischen Geistes im 12. und 13. Jh., das
Land zwischen Seine und Maas, und scheinbar fernab von
diesem Hauptschauplatz der altbairisch-österreichische Raum
zwischen Lech und Wicnerwald. Und doch, ein wesentliches
Charakteristikum verbindet beide Zentren, ja bildet kommum
kationsgcschichtlich zweifellos die Grundlage dieser exponierten
Stellung: der Reichtum an Klöstern und damit Überliefc-
rungsträgern, wie dies ein Blick auf jede Verbreitungskarte
der einschlägigen Ordensgemeinschaften zur Genüge ausweist"
(555). Bei 1800 Texten konnte G. die Herkunft ermitteln, etwa
1350 stammten aus Klöstern. Auch hier ist G. der Sache noch
näher nachgegangen: Allein 450 Texte fanden sich in Benediktinerklöstern
, dieser Orden hat „fast alle Werke Hugos tradiert
" (561). Bei den Zisterziensern fanden sich 350 Tcxtübcr-
lieferungcn, der Höhepunkt liegt im 12. Jh., dem Entstchungs-
jahrhundert jenes Ordens. Die Augustinerchorherren stehen
mit 220 Texten an 3. Stelle, doch stammen allein 95 Texte aus
St. Viktor, dem Heimatkloster Hugos (562). Die 350 Texte, die
nicht in Klöstern überliefert wurden, verteilen sich auf Dom-
und Kirchenbibliotheken, Universitäten, Stadtbibliotheken und
Einzelpersonen (565—66). Auch die ökonomische Basis wird
untersucht: Wissenschaftliche Tätigkeit konnte nur betrieben
werden, wenn eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit vorhanden
war.

Zusammenfassend stellt G. eine Überlieferung der Werke
Hugos fest, die „sowohl nach der Breite wie nach der Intensität
im Mittelalter ihresgleichen sucht ... Da die handschriftliche
Verbreitung ein unbezweifelbarer und ausschlaggebender Maßstab
für den Einfluß eines Autors im Mittelalter ist, darf Hugo
von St. Viktor nun erwiesenermaßen als der einflußreichste
Theologe des 12. Jh. angesehen werden .. . Nur Bernhard ist
ein ernsthafter .Konkurrent', und allein die Sentenzen — nicht
aber die übrigen Werke — des Lombarden übertreffen im
Vcrglcichsfall unseren Autor, während die geringe Überlieferung
eines Abälard, Gilbert usw. demgegenüber nicht ins Gc-